Wirbel um plötzliche Absage
Warum lässt Putin diese wichtige Jahreskonferenz ausfallen?

Alle Jahre wieder hält Putin eine Pressekonferenz – ausser dieses Jahr. Die Gründe sind vielfältig, offiziell begründet ist die Absage allerdings nicht.
Publiziert: 16.12.2022 um 14:58 Uhr
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Aktualisiert: 16.12.2022 um 16:53 Uhr
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Schon über zehn Monate dauert Putins «dreitägige Spezialoperation» in der Ukraine an.
Foto: Keystone
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Chiara SchlenzAusland-Redaktorin

Alle Jahre wieder, wie das Christkind, hält Präsident Wladimir Putin eine Rede zum Jahresende. Nur 2005 und zwischen 2009 und 2011 hielt er keine Pressekonferenz; Putin amtierte in der Zeit nicht als Russlands Präsident.

Vergangene Woche wurde der Anlass, der für den Kreml ein Propagandafest darstellt, abgesagt. Eine offizielle Begründung gibt es nicht und hat deswegen für mächtig Wirbel gesorgt. Wieso lässt Putin ausgerechnet dieses Event ausfallen?

Experten vermuten, dass Putin sich nicht den Fragen der Journalisten zum Ukraine-Krieg stellen möchte – und schon gar nicht in Verbindung mit der ungeplant schlecht laufenden «Spezialoperation» gebracht werden will, wie die «Moscow Times» berichtet.

Merkt Putin, dass ihm der Rückhalt fehlt?

Russland hat in den letzten Monaten eine Reihe von militärischen Demütigungen in der Ukraine erlitten: Der Rückzug der russischen Streitkräfte aus dem besetzten Cherson, die Explosion auf der Krim-Brücke, Probleme im Zusammenhang mit der Mobilisierungskampagne und ukrainische Angriffe auf russisches Gebiet.

Vielleicht hat der Kreml-Chef erkannt, dass er keine Antworten auf die Fragen hat, die unweigerlich von den Journalisten kommen würden, die Woche für Woche die Leichen russischer Soldaten nach Hause kommen sehen und mit den Familien der mobilisierten Männer sprechen, die ohne angemessene Ausbildung oder Ausrüstung an die Front geschickt wurden. Selbst die am besten choreografierte Aufführung müsste sich mit den steigenden Kosten und den düsteren Aussichten des Krieges befassen.

Eine weitere grosse Sorge des Kremls bei Auftritten Putins wie der Pressekonferenz und der Rede zur Lage der Nation ist, dass sich eine zu enge Verbindung zwischen Putin und dem Krieg negativ auf seine Popularität auswirken könnte. «Beachten Sie, dass Putin seit über einem Monat über die Kapitulation von Cherson schweigt», so ein Kreml-Beamter gegenüber der «Moscow Times». «Jede Äusserung über den Rückzug schmälert sofort seine Beliebtheit.»

Ausbleiben der Konferenz ist ein Zeichen der Schwäche

Die Entscheidung, die Pressekonferenz ausfallen zu lassen, ist ein seltenes Zeichen dafür, wie sich die Ereignisse auf dem Schlachtfeld direkt auf die politische Entscheidungsfindung in Moskau auswirken. Im Kreml war man insbesondere besorgt, dass Kiew noch in diesem Jahr einen Grossangriff durchführen würde. «Niemand könne zu 100 Prozent garantieren, dass ein solcher Angriff nicht stattfinden würde», erklärte ein weiterer Kreml-Beamter zur russischen Zeitung.

Die Jahresend-Konferenz ist nicht das einzige wichtige politische Ereignis, das aufgrund des Krieges auf die lange Bank geschoben wurde. Mehrere wichtige Pressekonferenzen und Fernsehauftritte wurden verschoben oder werden hinausgezögert. Stattdessen lässt sich Putin bei politisch einfachen Veranstaltungen blicken – die Eröffnung einer Truthahn-Zucht, das Jubiläum von Rosatom und Rostec und die Einweihung einer frisch sanierten Autobahn.

Während der Kreml-Chef damit einerseits von einer Assoziation mit dem Krieg ablenken möchte, könnte sein Rückzug aus der Öffentlichkeit auch Schwäche zeigen, so die britische Zeitung «Telegraph». Denn damit könnten auch die Gerüchte über seine schlechte Gesundheit wieder angeheizt werden. Auch Abbas Galljamow (50), ein russischer Redenschreiber, sagte gegenüber «Moscow Times»: «Die Absage der Pressekonferenz und die Verschiebung der Rede zur Lage der Nation waren aus taktischer Sicht klug, doch: Diese Entscheidung zeugt von der strategischen Sackgasse, in der sich der Kreml befindet.»

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