Mit einem Hammer wurde auf Jewgeni N. von seinen Kameraden eingeschlagen, bis er nicht mehr lebte. Diese Brutalität zeigte ein Video, das auf den sozialen Medien verbreitet wurde. Doch der Gelynchte ist nicht der einzige. Sein ehemaliger Kommandant, Andrei M., wurde Zeuge von zehn Hinrichtungen durch Wagner-Söldner, erzählt er dem russischen Investigativ-Portal «The Insider».
Wer nicht kämpft, bezahlt mit dem Tod – so lautet das Credo der Söldnertruppe Wagner. M. weiss, dass diese Hinrichtungen System haben, zu oft musste er mit ansehen, was geschah. Nach einem misslungenen Fluchtversuch zum Beispiel wurden die «Verräter» von den Wagner-Söldnern an den nächsten Kontrollpunkt an der Grenze gebracht. «Die MED-Gruppe kam und erschoss sie», erzählt M. Die MED-Gruppe sei eine zuständige Einheit innerhalb der Wagner-Truppe, die Verräter bestrafen soll.
«Sie sorgen dafür, dass Menschen verschwinden: Sie entführen Leute und töten sie entweder in der Öffentlichkeit oder versteckt, wie es bei N. der Fall war», so der Ex-Kommandant zu «The Insider». Der Söldner Jewgeni N. war ein verurteilter Mörder, der für den Ukraine-Krieg rekrutiert wurde. Der hingerichtete Söldner und M. dienten in der gleichen Einheit. Als sie gegen ukrainische Truppen kämpften, desertierte N. und begab sich in Kriegsgefangenschaft. M. erlitt eine Gehirnerschütterung und wurde ins Krankenhaus gebracht. «Am nächsten Tag kamen Wagner-Söldner und befragten mich nach ihm», sagt er.
Angehörigen wird Entschädigung verweigert
Seine Vorwürfe gegen die Söldner gehen noch weiter. «Die Hälfte der Kämpfer, die getötet wurden, wurden offiziell als vermisst gemeldet. Wozu wird das gemacht?», fragt N. Seiner Meinung nach sei der schlichte Grund, dass sie dem Angehörigen keine Entschädigung bezahlen wollen. Immer wieder sagen Beamte zu trauernden Angehörigen: «Solange es keine Leiche gibt, gibt es Hoffnung.»
M. ist mittlerweile auf der Flucht und fürchtet um sein Leben. Denn die Wagner-Söldner seien bereits hinter ihm her. Die russische Menschenrechtsaktivistin Olga Romanova kennt viele Fälle, wie die von seinem hingerichteten Kameraden. «Soweit ich weiss, sind 40 Exekutionen bestätigt worden», sagte sie in einem Interview Mitte November. Doch den Wagner-Boss Jewgeni Prigoschin, auch bekannt als Putins Koch, zur Rechenschaft zu ziehen, sei unmöglich. Denn: «Jegliche Anfragen über den Verbleib der Gefangenen werden verweigert, da es sich um ein Staatsgeheimnis handelt», sagt sie. (jwg)