Warren Buffett (93) kauft heutzutage Aktien von Firmen, die Wettbewerbsvorteile haben und darum solide Wachstumsraten versprechen. Dafür nimmt er oft einen etwas höheren – aber nicht übertriebenen – Preis in Kauf. Und weil Buffett einer der reichsten Menschen der Welt ist, setzen auch viele Privatinvestorinnen und -investoren auf diesen Ansatz. Dabei geht leicht vergessen, dass Buffett den Grundstein seines Vermögens mit einer anderen Strategie gelegt hat.
Während Buffett heute vor allem Unternehmen auswählt, die in ihrer Branche zu den besten gehören, setzte er früher häufig auf Firmen, denen die Märkte eine geradezu grauenvoll schlechte Zukunft prophezeiten. «Aber», so beschied Buffett seinen Investorinnen und Investoren, «wenn Sie eine Aktie zu einem ausreichend niedrigen Preis kaufen, gibt Ihnen die Börse in der Regel die Chance, sie mit einem anständigen Gewinn loszuwerden. Selbst wenn die langfristigen Aussichten des Unternehmens schrecklich sind.»
Der Erfolg gab ihm recht: In der Zeit, als Buffett diese Strategie verfolgte, erzielte er die höchsten Renditen seiner Karriere – im Durchschnitt 30 Prozent pro Jahr. Aber wie genau ist der Starinvestor vorgegangen? Im Prinzip suchte er Firmen, die für weniger als ihren Buchwert zu haben waren.
Die Strategie des jungen Warren Buffett
Dabei wird in einer simplen Version der Buchwert des Eigenkapitals einer Firma mit dessen Marktwert verglichen. Aber so einfach machte es sich Buffett natürlich nicht. Er analysierte sehr sorgfältig die Bilanz eines Unternehmens. Dabei nahm er sich jede einzelne Bilanzposition vor und korrigierte die in der Bilanz aufgeführten Werte, so dass sie ein möglichst genaues Abbild der Realität repräsentierten. Wo nötig, schätzte er ausserdem die nicht bilanzierten Vermögenswerte und Verbindlichkeiten.
Dieser Artikel wurde erstmals im kostenpflichtigen Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Blick+-Nutzer haben exklusiv Zugriff im Rahmen ihres Abonnements. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
Dieser Artikel wurde erstmals im kostenpflichtigen Angebot von handelszeitung.ch veröffentlicht. Blick+-Nutzer haben exklusiv Zugriff im Rahmen ihres Abonnements. Weitere spannende Artikel findest du unter www.handelszeitung.ch.
Am Ende des Prozesses zog er die korrigierten Verbindlichkeiten von den korrigierten Vermögenswerten ab und kam so auf den korrigierten Buchwert. Wenn nun ein Unternehmen an der Börse deutlich tiefer notierte als der von Buffett errechnete Buchwert, waren die Chancen gross, dass die Börse dies bald korrigierte und der Kurs stieg.
Buffett kaufte also nicht einfach irgendeinen Schrott, nur weil er billig aussah, sondern berücksichtigte die Qualität des Eigenkapitals. Wenn das gut aussah, durften die Zukunftsaussichten eines Unternehmens auch düster sein.
Auf Warren Buffetts Spuren
Der Anlageerfolg von Buffett ist nur schwer zu replizieren. Aber mit heutigen automatischen Aktienscannern lassen sich auf ziemlich einfache Weise Firmen ermitteln, die den jungen Buffett wohl interessiert hätten. Um solche Firmen zu finden, setzte die «Handelszeitung» auf eine Kennzahl, die viele Buffett-Fans als geeigneten Gradmesser dafür sehen, ob eine Aktie billig ist: das Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV).
Diese Kennzahl gibt an, wie viel ein Unternehmen an der Börse wert ist, relativ zum Buchwert dieses Unternehmens. Je niedriger die Kennzahl, desto billiger erscheint die Aktie. Dabei ergibt sich der Buchwert aus der Bilanzsumme des Unternehmens abzüglich der Verbindlichkeiten.
Wenn der Aktienkurs unter dem Buchwert liegt (gleichbedeutend mit einem Kennzahlenwert von weniger als 1), bedeutet das, dass der Markt für ein Unternehmen nur wenig bezahlen will. Das könnte ein Zeichen dafür sein, dass die Aktie ein Schnäppchen ist und von den Marktteilnehmerinnen und -teilnehmern übersehen wird.
Die «Handelszeitung» hat daher alle Aktien im Schweizer Index SPI gesucht, für die das KBV bei 1 oder tiefer liegt. Allerdings sollten besonders kleine börsenkotierte Unternehmen ausgeschlossen werden, weil sie zusätzliche Risiken bergen. Deswegen musste die Marktkapitalisierung mindestens 300 Millionen Franken betragen.
Die Auswahl der «Handelszeitung»
Aus dem Suchvorgang resultierten knapp drei Dutzend Aktien. Mit einem zweiten Filter für billige Aktien dampften wir die Anzahl weiter ein: Um auf die Liste der «Handelszeitung» zu kommen, sollte eine Aktie ein tiefes, aber noch normales Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) haben, definiert als eines zwischen 2 und 12. Mit diesem Filter bleiben nicht mal mehr ein Dutzend Aktien übrig.
Dennoch immer noch massig Material für Schnäppchenjäger, könnte man glauben. Aber nicht so schnell. Denn Buffett nutzte ja eben einen stark korrigierten Buchwert. Bis jetzt haben wir mit dem KBV und dem KGV zwar billige Aktien gefunden, aber ein minimaler Qualitätsfilter scheint angebracht.
Dieser zusätzliche Faktor soll Unternehmen aussieben, die zu hohe Schulden haben, denn sie können das Eigenkapital einer Firma schnell erodieren lassen. Daher hat die «Handelszeitung» nur Firmen in Betracht gezogen, die einen Verschuldungsgrad von höchstens 300 Prozent hatten. Damit sind zahlreiche Banken aus dem Rennen, aber auch ein Finanzunternehmen wie Leonteq.
Auf unserer Liste der billigsten Unternehmen im SPI verbleiben dank diesen Filtern (Mindestkapitalisierung von 300 Millionen Franken, KBV beträgt 1 oder weniger, KGV zwischen 2 und 12 sowie ein Verschuldungsgrad von maximal 300 Prozent) nur gerade vier Unternehmen:
- Swatch
- Vetropack
- Romande Energie
- Vaudoise Versicherungen
Diese vier Aktien gehören per Definition zu den billigsten Schweizer Aktien. Gleichzeitig verfügen sie über einige minimale Qualitätsmerkmale, die das Risiko eines dauerhaften Kapitalverlusts verringern. Weil sie nach zwei Kriterien (Kurs zu Buchwert und KGV) ungewöhnlich niedrig bewertet sind, besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, dass sie bei einem ungünstigen Börsenklima (etwa aufgrund einer Rezession) deutlich weniger fallen als der Markt.
Anlegerinnen und Anleger können sich daher überlegen, diese Aktien in ihr Portfolio einzubauen. Unter diesen Voraussetzungen: Sie verstehen, was sie tun. Und sie sollten wissen, dass manche Aktien aus gutem Grund billig sind. Es gibt keinen Automatismus, der dafür sorgt, dass Schnäppchenaktien zwangsläufig zu erfreulichen Renditen führen. Mit anderen Worten: Garantien gibt es auch bei diesen vier Aktien nicht, auch wenn sie sorgfältig ausgewählt sind. Darum ist Diversifikation so wichtig.