Nicole Scheiwiller (48) bedient in der Schlossmetzg in Herisau AR eine Kundin. Sie lächelt. Ihr Ehemann Patrik (48) schneidet im offenen Nebenraum Schweinefilet für eine Fondue-chinoise-Platte in Scheiben. Es klingelt fortwährend, da neue Kunden den Laden betreten. «Der Dezember und vor allem Weihnachten sind für uns Metzgereien der Höhepunkt des Jahres», sagt Metzgermeister Scheiwiller.
Hinter dem Thekenglas reihen sich hausgemachte Spezialitäten wie Appenzeller Filet, Mostbröckli, Fleischkäse oder Thymianbraten. An Weihnachten zieht bei der Kundschaft jedoch seit jeher das Gleiche: Fondue chinoise. «Wir versuchen jedes Jahr von Neuem, die Kunden von anderen Produkten zu überzeugen», erzählt Nicole Scheiwiller. Doch Fondue chinoise passe einfach zu den Festtagen und grossen Gruppen. Beim Chinoise sitzen Freunde und Familie zusammen, haben es gemütlich und kochen dabei dünn geschnittenes Fleisch in Bouillon. Niemand muss lange in der Küche stehen, wenn die Gäste im Haus sind.
Früher schnitten die Scheiwillers das Fleisch fürs Chinoise hauchdünn und froren es ein. Heute bereiten sie es in dickeren Scheiben und maximal 24 Stunden vor dem Essen zu – damit komme der Geschmack besser zur Geltung.
Die letzten von zwölf Metzgereien
Die Scheiwillers führen die letzte private Metzgerei in Herisau, einer Stadt mit knapp 16'000 Einwohnern. Als sie die Schlossmetzg vor 20 Jahren von Patrik Scheiwillers Eltern übernahmen, waren es fünf Betriebe. Und als dessen Eltern 1971 ins Geschäft eingestiegen waren, zählte der Ort sogar zwölf Metzgereien. Er bedauert diese Entwicklung: «Hätten wir Mitbewerber, könnten wir uns austauschen, gegenseitig aushelfen und inspirieren.» Verschwunden seien die Fachgeschäfte, weil der Nachwuchs fehle, der bei einem Ruhestand übernimmt. Detailhändler wie Coop und Migros würden die Dorfmetzgereien verdrängen.
Die Betreiber der Schlossmetzg stemmen sich gegen den Trend. Ihr Rezept: hohe Qualität bieten, Kunden persönlich beraten und zwischendurch einen kurzen Schwatz halten. Als Fachgeschäft sei es zudem wichtig, innovativ zu bleiben, sagt Patrik Scheiwiller. «Wir tüfteln regelmässig herum und greifen auch spezielle Wünsche der Kunden auf», sagt er. So führt die Metzgerei seit kurzem einen Schinken im Pfeffermantel vom Rind im Sortiment, der sehr beliebt sei. Selbst hergestellt, wie der grösste Teil des Sortiments. Ein Schild an der Wand verrät, von welchen Landwirten das Fleisch stammt.
Deutlich mehr Kunden als vor zehn Jahren
Der Mix scheint zu funktionieren. «Vor unserem Ladenausbau vor zehn Jahren kannte ich alle Kunden mit Namen. Doch heute kommen sie aus der ganzen Region, da ist das nicht mehr immer möglich, wir geben uns aber Mühe», erzählt Nicole Scheiwiller. Gerade in der Weihnachtszeit sei dies besonders schwierig. Dann kämen noch mehr Kunden in den Laden. Dazu dürften auch die starken Bewertungen auf Google beitragen.
Allein mit dem Verkauf über die Ladentheke ist es für eine Dorfmetzg schwierig, zu überleben. Die Schlossmetzg hat sich darum breit aufgestellt, beliefert ein Altersheim, Restaurants, Kantinen, Tankstellenshops, Berufsschulen und bietet einen Partyservice an.
Die Details machen es aus
In der Weihnachtszeit punktet die Dorfmetzg mit einer aufmerksamen Geste: Oft möchten die Kunden an Weihnachten das Festessen des Vorjahres wiederholen. An die genaue Bestellung können sich viele aber nicht erinnern. In der Schlossmetzg legt man deshalb alle Bestellungen der Weihnachtsessen zur Seite. Schon ist das Problem gelöst. «Die Kunden schätzen das sehr», sagt Nicole Scheiwiller.
In der Schlossmetzg arbeiten 18 Personen. Die Scheiwillers haben erst kürzlich eine neue Fachkraft eingestellt. Eine Herausforderung bleibt die Suche nach Metzgerlehrlingen. «In manchen Jahren ist die Suche zäh, in anderen finden wir ziemlich rasch jemanden», sagt Nicole Scheiwiller. «Generell sind wir auf dem Land dank der Nähe zur Landwirtschaft im Vorteil.» Bekannte würden oft Personen empfehlen.