SBB-Massnahme sorgt bei Zugpersonal für Widerstand
Für pünktlichere Züge – Lokführer sollen Abfahrt selbst bestimmen

Viele Pendlerinnen und Pendler verpassen auf dem IR 13 ihre Anschlüsse. Das will die SBB ändern und den Zug pünktlicher machen. Aus der Sicht des Personals geht das allerdings auf Kosten der Sicherheit.
Publiziert: 13:47 Uhr
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Der FV-Dosto auf der Strecke von Zürich nach Sargans hat für die SBB zu oft Verspätung.
Foto: Sven Thomann

Auf einen Blick

  • SBB plant Änderung: Lokführer sollen Abfahrt selbst bestimmen für Pünktlichkeit
  • Personal kritisiert Sicherheitsrisiken, SBB sieht keine Gefährdung
  • IR 13 erfüllt aktuell 95 Prozent Anschlusspünktlichkeit im St. Galler Rheintal
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Robin WegmüllerRedaktor Wirtschaft

Bei den meisten SBB-Fernverkehrszügen sind die Kundenbegleiter – also die Kontrolleure – zuständig für das Signal zum Abfahren. Wenn alle Pendelnden ein- und ausgestiegen sind und die Abfahrtszeit erreicht ist, informiert dieser per SMS die Lokführerin. Das möchte die SBB jetzt ändern, um pünktlicher zu sein. Zukünftig sollen die Lokführer alleine entscheiden, wann der Zug losfährt. Beim Personal stösst diese Massnahme auf grossen Widerstand. Seit dem tödlichen Unfall in Baden im Jahr 2019, als ein Kundenbegleiter von der Türe eingeklemmt und mitgeschleift wurde, ist das Thema emotional aufgeladen.

Konkret geht es um eine Strecke im St. Galler Rheintal, wie CH Media berichtet. Dort fährt der Interregio 13 (IR 13) von Zürich via St. Gallen nach Sargans SG. Die Zugfahrerinnen und Zugfahrer haben in den genannten Ortschaften jeweils knappe Umsteigezeiten. Bei einer Verspätung ist der Anschluss oft weg.

Darum setzten die SBB ihrem Personal ein Ultimatum: Wenn der Zug während drei Wochen die Pünktlichkeitsaspekte nicht einhalten kann, sind die Kontrolleure ihrer Abfertigungsfunktion entbunden. So könnte der IR 13 mit der Selbstabfahrt einige Sekunden gewinnen, beispielsweise weil das SMS Zeit braucht, bis es beim Lokpersonal ankommt. 

Heftige Kritik

Die Massnahme ist beim Zugpersonal «heiss diskutiert», wie es in der aktuellen Mitgliederzeitschrift der Eisenbahnergewerkschaft SEV heisst. «Die Emotionen gingen hoch.» Das Personal zieht die Notbremse. Für sie sind «die negativen Auswirkungen auf die Sicherheit in keinem Verhältnis zu den allenfalls minimalen Verbesserungen».

René Zürcher, Verantwortlicher beim SEV für den Personenverkehr der SBB, erklärt gegenüber CH Media: «Technisch ist die Selbstabfertigung mit den FV-Dosto, die auf dem IR 13 zum Einsatz kommen, zwar möglich. Doch die Lokführer haben bei den zum Teil langen Zügen einen weniger guten Überblick, als es die Kundenbegleiter haben.» Wenn die Massnahme greift, lastet die ganze Verantwortung auf den Schultern der Lokführer. «Bei der Abfertigung durch das Zugpersonal hingegen gibt es schlicht mehr Augen. Die Sicherheit ist deshalb höher.»

SBB wollen davon nichts wissen

Die Schweizerischen Bundesbahnen sehen das anders. Sprecherin Sabrina Schellenberg argumentiert, dass die Sicherheit auch bei der Selbstabfahrt jederzeit gewährleistet sei. Die Züge sind dafür ausgerüstet. Zudem sei dieses Prozedere auf vielen Regioexpress und S-Bahn-Linien seit vielen Jahren Standard. Und diese fahren mit ähnlich langen Zügen. Für Pendlerinnen und Pendler wäre es wichtig, dass die Fahrpläne aufgehen und sie ihre Anschlüsse erwischen. 

Stand jetzt wird auf jeden Fall noch nicht umgestellt. Der IR 13 erfüllt zurzeit die Anschlusspünktlichkeit von 95 Prozent. Doch das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. «Wir beobachten die Situation weiterhin», erklärt die SBB-Sprecherin. Das Angst-Szenario könnte fürs Personal also trotzdem noch eintreffen.

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