Stosszeit am Zürcher Hauptbahnhof. Fast 300'000 Fahrgäste täglich. Hunderte Menschen quetschen sich in die Züge – auch am Gleis 33 im Tiefbahnhof Löwenstrasse. Der Doppelstöcker FV-Dosto ist rappelvoll. Die Zuggäste quält aber ein ganz anderes Problem. Nicht nur auf dem Perron stinkt es gewaltig, sondern auch im Zug ist Nasezuhalten angesagt.
Und das nicht erst seit gestern: Der eigentliche Vorzeigezug FV-Dosto ist schon seit Monaten eine fahrende Stinkbombe. Im Sommer hatte Blick bereits darüber berichtet, dass es im Dosto-Zug nach Fäkalien und faulen Eiern rieche.
Schon damals verwiesen die SBB auf das WC-System, das in den neuen Dosto-Zügen von Bombardier verbaut ist. Das System funktioniert wie eine kleine Kläranlage: Flüssiges wird von festen Bestandteilen getrennt. Flüssige Bestandteile werden in einem Bioreaktor biologisch gereinigt, erhitzt und während der Fahrt abgelassen.
Die festen Bestandteile werden in Tanks aufgefangen und von Bakterien zersetzt – und da liegt das Problem.
Die Bakterien im WC sind überlastet
«Die Bakterien, die das Abwasser säubern, laufen am Anschlag», erklärten die SBB im Sommer gegenüber Blick. Waren die Züge während der Corona-Pandemie nur schwach belegt, machten die steigenden Passagierzahlen den Bakterien zu schaffen. Die WCs würden wieder mehr benutzt – und die Bakterien seien überlastet.
Die Sommerhitze hatte laut SBB hingegen nie etwas mit dem Problem zu tun. Seit Mitte August stehen viersprachige Plakate an den Abgängen zum Tiefbahnhof. Darauf das Versprechen an die Fahrgäste: «Wir haben die Reinigung intensiviert und beheben die Ursache so schnell wie möglich. Besten Dank für Ihr Verständnis, thank you for your understanding.»
Der Passagier hat die Qual der Wahl
Der Herbsteinbruch hat den Gestank nicht verschwinden lassen, wie auch Satiriker Viktor Giacobbo (70) bemerkt. Obwohl seit Mitte August Putzequipen im Tiefbahnhof den Gestank zusätzlich bekämpfen – und sogar das Gleisbett mit Hochdruckreinigern putzen. «Beim Dosto immer wieder die schwierige Entscheidung: obere Etage mit stärkerem Rütteln oder unten mit stärkerem WC-Geruch ...», schreibt Giacobbo auf Twitter.
Jetzt haben wir Oktober. Und die Bakterien kommen fast drei Monate nach Auftreten des Problems immer noch nicht mit der Arbeit hinterher! Das überrascht. «Ein Teil der Bioreaktoren hat nach wie vor eine ungenügende Bioaktivität, was zu Geruchsbildung führen kann», bestätigt SBB-Sprecher Martin Meier auf Nachfrage.
Dann der Schock für die Fahrgäste: Es werde noch einige Monate dauern, bis die Bakterien wieder genug schnell arbeiten! Ob das noch in diesem Jahr behoben ist? Äusserst fraglich.
Um das Problem zu lösen, müssen die Bakterien im Tank mithilfe eines biologischen Zusatzes wieder aktiviert werden. Meier: «Wir müssen dafür jeweils Züge aus dem Betrieb nehmen und trotzdem noch genügend Wagen zur Verfügung haben.» Den SBB ist der Gestank sichtlich unangenehm. Die Bundesbahnen bedauerten die Unannehmlichkeit und werden das Problem so schnell als möglich lösen, verspricht Meier.
Die Beschaffung der FV-Dosto-Züge im Jahr 2010 war die grösste und teuerste in der Firmengeschichte der SBB. Über ein halbes Jahrzehnt hatten die Bombardier-Triebzüge Verspätung. Die SBB sprachen damals von einer «Zangengeburt», in diesem Sommer bezeichnete CEO Vincent Ducrot (60) die 1,9-Milliarden-Franken-Investition im Blick TV als «Fehler» aus heutiger Sicht.
Die Fernverkehr-Doppelstockzüge zickten von Anfang an – Probleme mit der Heizung und der Klimaanlage und das heftige Rütteln verärgern die Passagiere bis heute.
Noch in den Köpfen: Massive Probleme mit zu steilen Rollstuhlrampen an den Eingängen. Zugtüren, die nicht schliessen und die Weiterfahrt verzögern. Zu wenig Platz für Kinderwagen im Spielabteil Ticki Park und dicke Luft im vollen 2.-Klasse-Abteil.
Im Winter 2022 kassierten die SBB eine Rüge wegen des Rüttelzugs. Das Bundesgericht hiess eine Beschwerde des Behindertendachverbands Inclusion Handicap teilweise gut.
Im Sommer 2022 mussten die SBB dann auch noch zugeben, dass just jene Fähigkeit, für die man den Bombardier-Zug kaufte, nie zu haben sein wird: das Kurvenfahren mit hoher Geschwindigkeit.
Und dann im Juli das WC-Problem, die überlasteten Toiletten, der Fäkaliengeruch im Tiefbahnhof Löwenstrasse in Zürich.
Eine gute Nachricht gibt es dennoch: Der FV-Dosto gehört mittlerweile zu den zuverlässigsten SBB-Zügen, wie Berechnungen des Bahnunternehmens belegen. Die SBB-Züge haben demnach im Schnitt alle 13'000 Kilometer eine Panne, beim Dosto treten nur noch alle 17'000 Kilometer Störungen auf.
Die Beschaffung der FV-Dosto-Züge im Jahr 2010 war die grösste und teuerste in der Firmengeschichte der SBB. Über ein halbes Jahrzehnt hatten die Bombardier-Triebzüge Verspätung. Die SBB sprachen damals von einer «Zangengeburt», in diesem Sommer bezeichnete CEO Vincent Ducrot (60) die 1,9-Milliarden-Franken-Investition im Blick TV als «Fehler» aus heutiger Sicht.
Die Fernverkehr-Doppelstockzüge zickten von Anfang an – Probleme mit der Heizung und der Klimaanlage und das heftige Rütteln verärgern die Passagiere bis heute.
Noch in den Köpfen: Massive Probleme mit zu steilen Rollstuhlrampen an den Eingängen. Zugtüren, die nicht schliessen und die Weiterfahrt verzögern. Zu wenig Platz für Kinderwagen im Spielabteil Ticki Park und dicke Luft im vollen 2.-Klasse-Abteil.
Im Winter 2022 kassierten die SBB eine Rüge wegen des Rüttelzugs. Das Bundesgericht hiess eine Beschwerde des Behindertendachverbands Inclusion Handicap teilweise gut.
Im Sommer 2022 mussten die SBB dann auch noch zugeben, dass just jene Fähigkeit, für die man den Bombardier-Zug kaufte, nie zu haben sein wird: das Kurvenfahren mit hoher Geschwindigkeit.
Und dann im Juli das WC-Problem, die überlasteten Toiletten, der Fäkaliengeruch im Tiefbahnhof Löwenstrasse in Zürich.
Eine gute Nachricht gibt es dennoch: Der FV-Dosto gehört mittlerweile zu den zuverlässigsten SBB-Zügen, wie Berechnungen des Bahnunternehmens belegen. Die SBB-Züge haben demnach im Schnitt alle 13'000 Kilometer eine Panne, beim Dosto treten nur noch alle 17'000 Kilometer Störungen auf.
Auch andere Züge sind betroffen
Was auch klar ist: Der als Pannenzug verschriene FV-Dosto, etwa wegen seines ruckligen Fahrstils auch als Schüttelzug bekannt, ist nicht der einzige Zug, in dem es stinkt. Das Geruchsproblem ist nicht Dosto-spezifisch, betonen die SBB. Das gleiche WC-System ist etwa auch in den modernen S-Bahn-Zügen verbaut.
Dass es dort weniger oder gar nicht stinkt, hängt schlicht damit zusammen, dass die Passagiere auf kurzen S-Bahn-Strecken seltener aufs WC gehen. Die Bakterien haben folglich weniger zu tun. Kommt hinzu, dass die S-Bahn-Waggons häufiger ausgewechselt werden. «So kann ein Waggon auch mal einen Tag im Depot stehen», sagt Meier. Und die Bakterien kriegen eine Verschnaufpause.
«Kann nicht sein, dass Politik über WCs debattiert»
Was den FV-Dosto anbelangt, fordern Verkehrspolitiker nun Taten. Marionna Schlatter, Grünen-Nationalrätin (41): «Man muss dafür sorgen, dass der ÖV attraktiv ist. Da gehört dazu, dass man nicht durch derartige Gerüche belästigt wird. Ich gehe davon aus, dass die SBB dafür sorgen, dass das Problem so schnell wie möglich behoben wird.»
Mitte-Nationalrat Martin Candinas (42) kann nur den Kopf schütteln: «So etwas ist ganz klar kein Fall für die Politik! Es kann nicht sein, dass die Politik über WCs debattiert. Das ist ein unternehmerischer Entscheid der SBB. Sie müssen sagen, was sie genau dagegen tun können.»
Bis die Passagiere im FV-Dosto wieder befreit durchatmen können, wird es noch eine Weile dauern. Naserümpfen ist weiter angesagt.