Salt-Hoodies und -T-Shirts hängen am Empfang des Hauptsitzes wie Fanartikel am Merchandising-Stand eines Rap-Stars. Mit dem Chef ist jeder hier per Du. Seit Pascal Grieder (45) den Telekomanbieter führt, hat Salt (früher Orange) wieder einen Gang hochschalten können. So sehr entspannt, wie sich Grieder am Interviewtermin gibt, ist er dennoch nicht.
BLICK: Herr Grieder, warum stockt der Ausbau des ultraschnellen 5G-Netzes in der Schweiz? Auch Salt ist damit im Verzug.
Pascal Grieder: Wir haben einen Rückstau von 3200 Gesuchen für neue Antennen in der Schweiz, weil aus der Bevölkerung Einspruch gegen den Bau eingelegt wurde. Immerhin können heute so viele Gesuche innert nützlicher Frist abgearbeitet werden, wie neu Einsprüche eingehen.
Hat Salt überhaupt schon genügend 5G-Nutzer?
Bei unseren Abos unterscheiden wir nicht nach 4G und 5G. In der Schweiz gibt es heute über alle Anbieter hinweg mehr als eine Million Kunden, die 5G-fähige Geräte besitzen und von deutlich mehr Bandbreite, das heisst stabileren, schnelleren Verbindungen mit kürzeren Reaktionszeiten profitieren können.
Dann ist doch alles gut?
Entwarnung kann ich dennoch nicht geben: Die Schweiz droht im Mobilfunk den Anschluss zu verlieren, wenn es jetzt bei 5G nicht schnell weitergeht.
Ist das denn so schlimm, wenn Bedenken gewisser Teile der Bevölkerung ernst genommen werden?
Ich habe Verständnis für Bedenken und gewisse Ängste, kann sie aber nicht in jedem Fall nachvollziehen. Die seriösen wissenschaftlichen Studien sind ausgesprochen klar in der Aussage, dass Mobilfunkstrahlung weitgehend unbedenklich ist. Wenn man der Faktenlage nicht traut, sollte man bedenken, dass 90 Prozent der Strahlung, der wir ausgesetzt sind, vom Handy selber kommen.
Sie sprechen damit die Antennen-Gegner an?
Wenn ich wirklich weniger Strahlenbelastung will, dann ist es nicht hilfreich, die Antennenzahl zu reduzieren, weil dann die Handys stärker strahlen müssen, um die nächste Antenne zu erreichen. Wer weniger Strahlung möchte, sollte unbedingt den 5G-Ausbau unterstützen, statt diesen zu verhindern.
Wie meinen Sie das?
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Eine 4G-Antenne bestrahlt das ganze Haus. 5G-Mobilfunkantennen sind effizienter und führen zu tieferen Strahlungswerten als konventionelle Antennen, weil sie sehr gezielt die 5G-fähigen Handys im Haus orten und anpeilen.
Sie fordern Unterstützung vom neuen Uvek-Vorsteher Albert Rösti?
In Anbetracht der klaren Faktenlage wünschte ich mir, dass die Politik sonnenklar Position bezieht und die Vorteile von 5G besser kommuniziert.
Pascal Grieder (45) ist seit 2018 Chef von Salt. Die Nummer 3 im Schweizer Telekommarkt mit 1,45 Millionen Mobilfunk- und 150'000 Festnetzkunden gehört dem französischen Unternehmer und Milliardär Xavier Niel (55). Zuvor arbeitete Grieder bei McKinsey Schweiz. Er war über zehn Jahre als Berater für internationale Telekomanbieter tätig und ist im Besitz eines Doktortitels der ETH Zürich. Grieder wohnt mit seiner Familie in einer kleinen Gemeinde am Genfersee, 14 Autominuten entfernt vom Salt-Sitz in Renens VD.
Pascal Grieder (45) ist seit 2018 Chef von Salt. Die Nummer 3 im Schweizer Telekommarkt mit 1,45 Millionen Mobilfunk- und 150'000 Festnetzkunden gehört dem französischen Unternehmer und Milliardär Xavier Niel (55). Zuvor arbeitete Grieder bei McKinsey Schweiz. Er war über zehn Jahre als Berater für internationale Telekomanbieter tätig und ist im Besitz eines Doktortitels der ETH Zürich. Grieder wohnt mit seiner Familie in einer kleinen Gemeinde am Genfersee, 14 Autominuten entfernt vom Salt-Sitz in Renens VD.
Unterstützung ist auch nötig, damit Sie mit dem Festnetz-Angebot weiterkommen, das lediglich ein Drittel der Haushalte erreicht.
Das liegt daran, dass wir beim Festnetz ausschliesslich auf Glasfaser-Partnerschaften setzen und kein eigenes Netz bauen. Hier hatte die Wettbewerbskommission unseren Partner Swisscom ausgebremst. Jetzt läuft der Ausbau wieder an. Wir werden unser Produkt bis 2025 schweizweit anbieten können, unterstützt von 5G-Lösungen und Glasfaser.
Wie viel Glasfaser-Abdeckung ist national möglich?
Über alle Anbieter haben wir heute fast zwei Millionen Haushalte. Bis 2025 kommt eine weitere Million dazu, im Jahr 2030 sollten dann gut vier von fünf Millionen Liegenschaften in der Schweiz Glasfaser haben.
Vor wenigen Tagen hat Salt MMS eingestellt. Steht auch SMS vor dem Aus?
So stark wie beim sogenannten Multimedia Messaging Service ist der Nutzerrückgang bei SMS dann doch noch nicht.
Wofür braucht es die noch, wenn sowieso alle Whatsapp, Threema und andere Messengerdienste nutzen?
Das SMS hat eine wichtige, zunehmende Bedeutung beim Zwei-Faktoren-Log-in, zum Beispiel für persönliche Konten bei Onlineshops, E-Banking oder Krankenkassen. Via SMS erhalten Sie einen Code, der für die Autorisierung notwendig ist. Darum hat das SMS heute kein Ablaufdatum.
Ihre drei Kinder haben alle schon ein Handy?
Meine Kinder sind zwischen 10 und 14 Jahre alt. Sie haben alle ein älteres Modell, die Abo-Kosten teilen wir uns. Dennoch kommunizieren sie nicht mit SMS, sondern nutzen primär Whatsapp und vielleicht noch Facetime, weil sie damit animierte Emojis verschicken können.
Welches Handy-Einstiegsalter halten Sie als Telekomchef für richtig?
Für mich ist weniger der Zeitpunkt wichtig. Ausschlaggebend ist vielmehr, wofür die Kinder das Gerät nutzen. Als Abspielgerät für Hörspiele ist es ausgezeichnet.
Aber dabei bleibt es bei den wenigsten ...
... darum habe ich versucht, sämtliche Schutzmechanismen zu aktivieren, die es gibt. Meine Kinder sind aber sehr versiert, diese zu umgehen. Daher ist es ein konstantes Armdrücken bei der Durchsetzung meiner Restriktionen.
Wie lange hängen Ihre Kinder täglich am Handy?
Ich würde mal sagen, mindestens eine Stunde.
Wie steht es mit Ihrer persönlichen Bildschirmzeit?
Täglich ungefähr vier Stunden. Hier dominiert die Kommunikation, ein kleiner Teil geht für den Konsum von Nachrichten drauf.
Wir verbringen nicht nur mehr Zeit am Handy, sondern auch beim selben Anbieter, obwohl man ihn für überteuert hält. Warum sind viele so wechselfaul?
Die Wechselträgheit ist in der Schweiz viel grösser als im Ausland. Das nicht nur bei Telekomfirmen, sondern auch bei Banken, Krankenkassen und anderen Versicherern. Ein Grund könnte sein, dass die Schweiz eine Wohlstandsinsel ist, den meisten Menschen geht es gut. Das heisst, Kostensparen allein bewegt die Mehrheit nicht zu einem Wechsel. Ist der Kunde einigermassen zufrieden, ist er bereit, das Doppelte oder mehr zu bezahlen.
Kritisieren Blick-Leserinnen und -Leser die Telekomanbieter in der Schweiz zu Recht, dass diese ihre Kunden melken?
Im Vergleich zum Ausland sind wir überhaupt nicht überteuert, auch bei den Kombi-Angeboten können wir Schweizer Anbieter preislich mithalten.
Mein Anbieter verlangt für Internet, TV und Festnetz fast 120 Franken pro Monat. Ein stolzer Preis! Und kommen Sie jetzt bloss nicht mit der besten Netzabdeckung hier in der Schweiz.
Dann wechseln Sie lieber zu uns, wir sind weitaus günstiger. Es hat niemand so viel gemacht wie wir, um die Preise ins Rutschen zu bringen. Und übrigens: Die Netzabdeckung ist tatsächlich hervorragend hierzulande. Auch Salt hat sich stark verbessert und kommt nun auf einen Wert von 99,9 Prozent Abdeckung im Mobilfunk.
Swisscom und Sunrise/UPC bilden praktisch ein Duopol. Wie will Aussenseiter Salt hier wachsen?
Von Duopol würde ich nicht sprechen, denn Salt ist ansehnlich von der Grösse her. Wir haben heute über eineinhalb Millionen Kunden, immer mehr auch Firmen, und machen pro Jahr über eine Milliarde Franken Umsatz. Wir sind nicht der Baby-Bruder von Swisscom und Sunrise.
Der Telekommarkt ist gesättigt. Wachsen kann man nur noch, wenn man dazukauft oder den anderen etwas wegnimmt.
Vergessen Sie die Zuwanderung und das Bevölkerungswachstum nicht. Aber sicher, wir wollen auch weiter Marktanteile gewinnen. Wir haben in den letzten Jahren stark in Qualität und Service investiert. Das beginnt sich jetzt auszuzahlen.
Das heisst konkret?
Unsere Ergebnisse publizieren wir Ende März. Was ich sagen kann: Sowohl beim Umsatz, als auch beim Gewinn und bei den Kunden sind wir sehr schön gewachsen, und das in den ersten drei Quartalen mehrheitlich besser als der Branchenschnitt. Das Momentum schwingt in unsere Richtung.
Überhaupt nicht vorwärts kommen Sie bei der Frauenquote, für die Sie sich vor zwei Jahren öffentlich ausgesprochen haben.
Wir haben einen Anteil von fast 30 Prozent Frauen unter den insgesamt mehr als 1000 Mitarbeitenden in der Schweiz. Das ist höher als der Branchenschnitt, der bei 17 Prozent liegt.
Aber in Ihrer neunköpfigen Geschäftsleitung sitzt heute nach wie vor nur eine Frau.
Volltreffer. Wir haben definitiv zu wenig Frauen in der Geschäftsleitung. Leider. Das ist etwas, was wir bei nächsten Wechseln korrigieren können.
Zahlen Sie Frauen und Männern die gleichen Löhne?
Ja. Wir haben das auch von einer unabhängigen Firma bestätigen lassen.
Was halten Sie von der Lohntransparenz, die erste Firmen in der Schweiz vorleben?
Ich habe das auch mitverfolgt, aber ganz ehrlich sind für mich die Vorteile, Löhne transparent zu machen, nicht ganz klar.
Sie könnten als fairer Arbeitgeber wahrgenommen werden, der eine Kultur des Vertrauens vorlebt?
Ich hoffe, dass die Leute zu uns kommen, weil sie unser Arbeitsumfeld und die Firma schätzen.
Dann bleibt auch ein Geheimnis, was Sie verdienen?
Richtig. Mein Lohn ist nicht von öffentlichem Interesse. Genauso wenig würde ich Familienfotos auf unsere Geschäftswebsite stellen.