Die Restaurants und Bars haben wieder geöffnet – die Krise der Gastrobranche ist damit aber nicht behoben. «Wir haben grosse Mühe, gute Fachkräfte zu finden», sagt Casimir Platzer, Präsident des Branchenverbands Gastrosuisse, gegenüber der Nachrichtenagentur AWP. Die Problematik habe schon vor der Krise bestanden, sich nun aber noch akzentuiert, klagt er.
Ein Grund sei ein Mangel an Dynamik auf dem Stellenmarkt. So nutzten etwa Stadthotels, die nach wie vor nicht gut liefen, das Instrument der Kurzarbeit. «Diese Angestellten sind somit nicht auf dem Markt und nehmen keine Stellenwechsel vor», so Platzer. Zudem habe wohl der eine oder andere nach den vielen Lockdown-Monaten die Perspektive verloren und die Branche gewechselt.
Kein Pizzaiolo weit und breit
Michel Péclard (51), einer der grössten Gastronomen in Zürich, bläst ins selbe Horn. «Wir und unsere Branchenkollegen verzweifeln fast!», sagt er dem «Tages-Anzeiger». Die wenigen Bewerbungen, die einträfen, seien von Leuten mit ungeeignetem Hintergrund. Er wisse gar von Betrieben, die wegen Personalmangels nicht öffnen konnten.
Gastro-König Péclard ist nicht allein. Von einer Reihe weiterer Restaurantbetreiber sind ähnliche Klagen zu hören. Das Restaurant-Imperium der Bindella-Familie kämpft ebenfalls mit den Nachwehen der langen Zwangsschliessung. So seien vor allem Pizzaioli momentan heiss gefragt. Viele seien zurück nach Italien gegangen, weswegen der Markt momentan völlig ausgetrocknet sei, sagt Bindella-HR-Chefin Monika Farmer.
Giftpfeile vom Seco-Direktor
In Bern hat man für die Klagen von Gastro-Chef Casimir Platzer und seinen Kollegen wenig Verständnis. Die Arbeitslosigkeit im Bereich Gastronomie sei nach wie vor überdurchschnittlich hoch, entgegnet Boris Zürcher, Leiter der Direktion für Arbeit im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco). Sie habe im Mai bei rund 9 Prozent gelegen – rund 16'000 Personen aus dem Gastronomiesegment seien ohne Job gewesen. «Angesichts dieser Zahlen kann ich diese Klagen der Gastwirte nicht nachvollziehen», so Zürcher. Und schiebt nach: «Es sollte eigentlich nicht wirklich schwierig sein, Personal zu rekrutieren.»
Zürcher betont ausserdem, dass die Gastronomie ein Hauptprofiteur der Kurzarbeit gewesen sei. «Eigentlich wurde dieses Instrument so intensiv eingesetzt, damit die Leute beim Anziehen der Konjunktur verfügbar sind.» Möglicherweise hätten Betriebe, die Leute entlassen haben, nun Probleme bei der Rekrutierung von neuem Personal, sagt der Seco-Leiter weiter.
Dann folgt der letzte Giftpfeiler an die Adresse der Gastrobranche: «Wer jetzt verzweifelt nach Arbeitskräften sucht, hat vermutlich vorher Fehler begangen.» (nim/SDA)