Nach der Pensionierung muss man sich keine grossen finanziellen Sorgen machen? Dieses Versprechen ist unerfüllt an Johann Meili vorbeigerauscht. Der mittlerweile 77-Jährige ist alles andere als auf Rosen gebettet. Ein wesentlicher Grund: seine Pensionskasse.
Meili, der in Wirklichkeit anders heisst, arbeitete 43 Jahre lang bei der Berner Hoch- und Tiefbaugenossenschaft (HTG), immer Vollzeit. Als er 60 war, ging die Firma pleite. Er war ihr letzter Angestellter. In der Baubranche gilt eigentlich Rentenalter 60, aber nicht für Meili; denn sein Arbeitgeber war nicht dem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) unterstellt. Die Chancen auf eine neue Stelle waren gleich null. Meili ging deshalb früher in Rente.
Für Meili ein Desaster, dessen Ausmass erst nach der Pensionierung richtig klar wurde. Seine Altersvorsorge war auf tönernen Säulen gebaut. Bis knapp vor der Pensionierung war er bei der BVG-Stiftung der National-Versicherung, die extrem hohe Risikoprämien verlangte. Über sie wird das Invaliditäts- und Todesfallrisiko versichert.
Versicherer können Prämien festlegen
Der Grund für die rasant gestiegenen Prämien: In Meilis Firma gab es überdurchschnittlich viele Invaliditätsfälle. In seinem vorletzten Jahr bei der HTG flossen von jedem Franken, den er einzahlte, gerade mal 38 Rappen in sein Alterskapital. Den grossen Rest verschlangen Risikobeiträge und Verwaltungskosten. 9996 Franken in einem einzigen Jahr.
Meilis Arbeitgeber wehrte sich noch dagegen, doch vergeblich. Das Bundesamt für Privatversicherungen wies die Aufsichtsbeschwerde ab. Alles sei rechtens. Die Versicherer könnten je nach Betrieb und Vorsorgewerk kosten- und risikogerechte Prämien nach eigenen Berechnungen festlegen.
Die HTG kündigte in der Folge den Vertrag bei der National-Versicherung, fand aber keine Anschlusslösung. Meilis Spargelder landeten in der Auffangeinrichtung der zweiten Säule. Die Konditionen hier: eher bescheiden. Es kann von daher nicht verwundern, wenn Meili heute sagt: «Ich habe damals jedes Vertrauen in die zweite Säule verloren.»
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Er kaufte sich eine Leibrente – «ein Fehler»
In seiner Enttäuschung entschied Meili, sein gesamtes Alterskapital von rund 400’000 Franken zu beziehen. «Ein Fehler», meint er heute. Denn er kaufte sich für einen Teil des Geldes eine Leibrente. Seither erhält er 800 Franken pro Monat, allerdings nur bis zu seinem 85. Geburtstag. Dann ist Schluss.
Mit einer Rente der Auffangeinrichtung wäre er deutlich besser gefahren. Sie hätte in seinem Fall etwa 1850 Franken betragen und wäre bis ans Lebensende ausgezahlt worden.
Männer erhalten im Schnitt 2900 Franken pro Monat
Die grosse Mehrheit der Rentenbeziehenden steht besser da als Meili. Gemäss aktueller Sozialversicherungsstatistik erhalten Männer im Schnitt pro Monat rund 2900 Franken. Wobei 2022 nur noch 44 Prozent der Neurentner ihr ganzes Alterskapital als Rente bezogen. 36 Prozent liessen sich nach der Pensionierung das ganze Kapital auszahlen. 20 Prozent wählten einen Mix aus Rente und Kapitalbezug.
Diese 2900 Franken sind nur eine Durchschnittszahl. Vor allem über die Renten von schlecht aufgestellten Pensionskassen sagen sie wenig aus. Viele Pensionierte sind eher früher als später auf Ergänzungsleistungen angewiesen. Und das, obwohl sie wie Johann Meili ihr Leben lang Vollzeit gearbeitet und während mehr als 40 Jahren ihre PK-Beiträge gezahlt haben.
Der PK-Experte Stephan Wyss vom Beratungsunternehmen Prevanto sagt dazu: «Es kann Pensionskassen geben, bei denen man trotz hohen Beiträgen keine Chance auf eine gute Rente hat.» Wenn die PK in Unterdeckung ist und sehr viele Rentnerinnen und Rentner aufweist, haben die Versicherten schlechte Karten.
Wie aber merkt man, dass die Situation ausser Kontrolle gerät und die Rente magerer als erwartet ausfallen wird? Zum Beispiel wenn eine Firma Personal im grossen Stil abbaut, sagt Wyss. Dann steige automatisch die Zahl der Rentenbezüger und verschlechtere sich die Ausgangslage für die PK.
Wenn die Pensionskasse dann noch lange zuwarte, bis sie sich an die schlechteren Rahmenbedingungen anpasst, den Umwandlungssatz nicht senkt und keine zusätzlichen Rückstellungen bildet, drohe früher oder später eine Sanierung der Kasse. Für die Versicherten bedeute das: noch weniger Zins auf dem Altersguthaben und Lohnabzüge für die Sanierung der Pensionskasse. «Die Renten können dann um bis zu 20 Prozent tiefer ausfallen als bei einer angemessenen Verzinsung der Altersguthaben», warnt Wyss.
Bei der Migros sind Pensionierte gut versorgt
Das Schicksal Johann Meilis steht im krassen Gegensatz zur Situation der rund 85'000 Versicherten in der Pensionskasse des Grossverteilers Migros. Sie können relativ entspannt ihrer Pensionierung entgegensehen. Das illustriert eine Beispielrechnung: Wer sein Leben lang Vollzeit beim Grossverteiler angestellt war und im Schnitt 75‘000 Franken verdiente, kann mit gut 3100 Franken Rente im Monat rechnen. Und das schon mit 64, weil die Migros aktuell noch ein tieferes Rentenalter kennt. Und das alles, obwohl der Umwandlungssatz der Migros-PK mit 4,77 Prozent eher tief angesetzt ist.
Dass die PK so hohe Renten zahlen kann, hat Gründe. Die Migros übernimmt 17 Prozent der PK-Beiträge, die Arbeitnehmenden müssen nur 8,5 Prozent ihres versicherten Lohns abliefern. Beruhigend für die Versicherten ist der hohe Deckungsgrad von aktuell 124 Prozent. Die PK steht auf finanziell derart soliden Beinen, dass sie die Altersguthaben letztes Jahr mit drei Prozent verzinsen konnte. Das gesetzliche Minimum lag 2023 bei einem Prozent. Und wer bei der Migros-PK vor dem 1. Januar 2023 pensioniert wurde, kann sich über eine fünfprozentige Rentenerhöhung freuen.
Bei der ehemaligen Swissair regnet es Geld
Noch besser ergeht es den verbliebenen 2800 Rentnerinnen und Rentnern der ehemaligen Swissair, die der Allgemeine Pensionskasse der SAirGroup APK angehören. Sie ist der Krösus unter den Schweizer Pensionskassen. Die reine Rentnerkasse verfügt über deutlich mehr Kapital, als sie für die Ausrichtung der versprochenen Renten benötigt. Deshalb zahlt sie regelmässig Zusatzrenten aus.
2022 war für die Versicherten wie 365 Tage Weihnachten. Sie erhielten nicht zwölf, sondern 23 Monatsrenten ausgezahlt. Pro Kopf belief sich eine Rente auf durchschnittlich 4814 Franken im Monat. Viele, die bis zur Pensionierung gearbeitet haben, dürften mit AHV und PK auf mehr Einnahmen kommen als damals bei der Swissair.