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Immosky-Kunden kämpfen monatelang um ihr Geld

Reservationsgebühren werden mit langer Verzögerung zurückgezahlt, Ex-Mitarbeitende fordern Boni ein. Zahlen zeigen: Die Firma ist mit hohen Betreibungen konfrontiert.
Publiziert: 06.08.2024 um 20:27 Uhr
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Aktualisiert: 06.08.2024 um 21:23 Uhr
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Der Traum vom Eigenheim war für gewisse Immosky-Kunden zum Greifen nah. (Symbolbild)
Foto: Sven Thomann
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Thomas Angeli
Beobachter

Das Haus hatte alles, was sich Helene und Marc Preisig wünschten – allein bei den Verhandlungen über den Preis kam man sich nicht näher. Schliesslich zog der Hausbesitzer sein Angebot zurück. Helene und Marc Preisig, die in Wirklichkeit anders heissen, mussten bei der Suche nach einem Eigenheim wieder von vorn anfangen – und um ihr Geld bangen.

Warten auf 25’000 Franken

Das Ehepaar hatte der Maklerfirma Immosky bereits eine Reservationsgebühr von 25’000 Franken überwiesen. Solche Gebühren werden im Normalfall auf ein Sperrkonto eingezahlt. Wenn der Hauskauf zustande kommt, werden sie an den Preis angerechnet. Bei einem Verzicht muss die Immobilienfirma das Geld den verhinderten Käufern umgehend zurückzahlen.

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Bei den Preisigs verzögerte sich diese Rückzahlung jedoch massiv. Immosky reagierte zuerst weder auf Mails noch auf eingeschriebene Briefe und liess auch Schreiben der Anwältin unbeantwortet, die das Ehepaar engagiert hatte. Als diese die Betreibung einleitete, erhob Immosky Rechtsvorschlag – und verzögerte die Rückzahlung damit weiter.

Geld erst nach neun Monaten retour

Bei einer Schlichtungsverhandlung im letzten Frühling einigte man sich schliesslich auf die Rückzahlung des vollen Betrags innerhalb eines Monats. Auch diese Frist hielt die Immobilienfirma nicht ein.

Erst nach zwei weiteren Wochen traf der Betrag endlich auf dem Konto ein – neun Monate nachdem der Hauskauf gescheitert war.

Betreibungen von zwei Dutzend Personen

Betreibungsregisterauszüge der vergangenen zwei Jahre, die dem Beobachter vorliegen, zeigen: Wie dem Ehepaar Preisig geht es zahlreichen Kundinnen und Kunden von Immosky. In den Auszügen sind rund zwei Dutzend Privatpersonen aufgeführt, die die Firma auf jeweils mehrere Zehntausend Franken betrieben haben.

Der Beobachter hat einige von ihnen kontaktiert. Ihre Geschichten gleichen sich: Statt die Reservationsgebühr sofort zurückzuzahlen, wenn ein Kauf nicht zustande kommt, lässt Immosky oft mehrere Monate verstreichen.

«Vorsicht vor Immosky!», schreibt denn auch eine Kundin in einer Google-Bewertung: «Wir warten seit Monaten auf die schriftlich bestätigte Rückzahlung unserer Reservationszahlung, und unser Ansprechpartner ist seit Monaten nicht erreichbar.» Eine weitere Kundin schreibt: «Ich […] musste die Firma Immosky AG sehr lang mahnen inkl. Betreibungsandrohung, um mein Geld zurückzubekommen.»

Löcher mit Kundengeldern gestopft?

Dies bestätigen ehemalige Mitarbeitende der Firma. Gemäss ihren Aussagen wird den Kundinnen und Kunden regelmässig mitgeteilt, dass ihre Reservationsgebühren auf einem Sperrkonto parkiert werden. In der Realität jedoch stopft man laut den Befragten damit bei Immosky auch mal Löcher in der Kasse.

Ein ehemaliger Kadermitarbeiter erzählt, er habe einmal eine Mail zu Gesicht bekommen, wonach die Löhne nur gezahlt werden könnten, wenn genügend Reservationsgebühren eintreffen. Ein anderer ehemaliger Angestellter von Immosky bestätigt diese Praxis.

Beim Branchenverband SVIT, dem Immosky nicht angehört, will CEO Marcel Hug zum konkreten Fall nicht Stellung nehmen, da er ihn nicht kennt. Gemäss Standesregeln müssten jedoch Kundengelder getrennt vom Vermögen der Immobilienfirma verwaltet werden. Wie dies genau geschehe, sei Sache der Firma. Der geschilderte Fall scheine aber «diesen Raum zur Umsetzung deutlich zu sprengen».

Pandemie und Inflation als Begründung

Immosky-Chef Francesco Nucera nimmt über eine renommierte PR-Firma zu den Vorwürfen Stellung. «Corona-Pandemie, Inflation und Zinswende» hätten der gesamten Immobilienbranche arg zugesetzt, lässt er ausrichten. Man habe deshalb «mit Blick aufs Überleben der Firma und den Erhalt der Arbeitsplätze überall genauer hinschauen» müssen. Er entschuldige sich «bei allen Kundinnen und Kunden, die länger als zugesagt auf ihr Geld warten mussten».

Die Vorwürfe, dass Reservationsgebühren für die Zahlung von Löhnen verwendet worden seien, weise man «in aller Form zurück». Eine entsprechende Strafanzeige eines ehemaligen Mitarbeiters sei von der Zürcher Staatsanwaltschaft «nicht weiterverfolgt» worden. Es handelt sich um eine Nichtanhandnahmeverfügung, so Nucera.

Mit der Einschätzung, dass es der Branche während der Pandemie schlecht ging, steht Nucera ziemlich einsam da. Die Finanzmarktaufsicht (Finma) etwa schrieb im Jahresbericht 2021 von einer «regen Nachfrage» und machte auch 2023 eine «immer noch wachsende Nachfrage» nach Eigenheimen aus. Anders ausgedrückt: Der Immobilienbranche geht es nach wie vor bestens.

Betreibungen für Steuern und AHV-Beiträge

Umso erstaunlicher präsentiert sich der Blick in eine aktuelle Betreibungsregisterauskunft der Immosky AG von Ende Mai. Sie weist Betreibungen von über 2,1 Millionen Franken auf. Dabei fällt auf, dass Steuern in der Höhe von 431’000 Franken via das Betreibungsamt eingetrieben werden mussten.

Auch mit der Bezahlung von Sozialabgaben ist Immosky in Verzug. Die Sozialversicherungsanstalt (SVA) des Kantons Zürich, an die die Arbeitgeberbeiträge für AHV, IV und EO gezahlt werden müssen, ist im Betreibungsregisterauszug als Gläubigerin mit einem Betrag von rund 400’000 Franken aufgeführt.

In Betreibungsregisterauszügen der vergangenen zwei Jahre finden sich zudem Forderungen von mehreren Hunderttausend Franken von ehemaligen Angestellten. Nach Informationen, die dem Beobachter vorliegen, handelt es sich dabei primär um Boni. Ob die Forderungen gerechtfertigt sind, wird letztlich wohl ein Gericht entscheiden müssen. Immosky hat Rechtsvorschlag erhoben.

Zweifelhafte Schnellfusion

Seltsam mutet eine Fusion des in Dübendorf beheimateten Unternehmens im Jahr 2022 an. Neben der Immosky AG wurde damals die Immosky International AG gegründet. Danach fusionierten die beiden Unternehmen und fungieren heute wieder unter dem ursprünglichen Namen Immosky AG.

«Die Immosky International AG sollte der Expansion ins Ausland dienen», lässt Verwaltungsratspräsident Francesco Nucera über die PR-Agentur ausrichten. «Die durch Corona ausgelöste Immobilienkrise hat diese Pläne vereitelt.»

Die rasche Abfolge von Firmengründung und Fusion lässt an dieser Erklärung jedoch Zweifel aufkommen: Die Immosky International AG wurde am 8. Juni 2022 gegründet. Exakt drei Wochen später fusionierte sie mit der ursprünglichen Immosky AG.

Millionendarlehen deuten auf finanzielle Probleme hin

In der beim Handelsregisteramt hinterlegten Fusionsbilanz tauchen zudem weitere Posten auf, die auf eine angespannte Finanzlage hindeuten. So hat die Firma langfristige Darlehen über knapp 6,4 Millionen Franken an Drittpersonen und «Nahestehende» in den Büchern. Davon mussten allerdings rund 4,5 Millionen abgeschrieben werden – wegen «Wertminderungen der Tochtergesellschaften in Deutschland und Österreich», wie Nucera erklärt.

Auf die Frage, warum die Firma, die nach eigener Aussage mit Liquiditätsengpässen zu kämpfen hatte, in der Fusionsbilanz «nicht fakturierte Dienstleistungen / Arbeiten in Arbeit» in der Höhe von stolzen 6,8 Millionen Franken ausweist, geht Firmenchef Nucera nicht ein. «Wir bezahlen bei Immosky alle unsere Rechnungen und legen sehr grossen Wert darauf, uns jederzeit gesetzeskonform zu verhalten», lässt er ausrichten.

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