So schnell ändern sich die Zeiten. Noch vor kurzem standen die Zinsen auf einem Rekordhoch. Wer sich heute überlegt, Wohneigentum zu kaufen, kann Thomas Jordan Danke sagen. Der scheidende SNB-Präsident hat den Leitzinssatz von 1,75 zweimal in Folge gesenkt, zuletzt auf 1,25.
Solch ein Entscheid wirkt sich natürlich auf den Immobilienmarkt aus. Gleich im Anschluss wurden Saron-Hypotheken, welche direkt an den Leitzinssatz gelinkt sind, wieder attraktiver. Damit ist Wohneigentum für Neuerwerber wieder näher gerückt. Noch vor nicht allzu langer Zeit war Mieten tendenziell günstiger als der Kauf einer Immobilie.
Immobilienbesitzer sind wieder im Vorteil
«Aufgrund der Zinssenkungen steigt die Nachfrage nach Eigentum wieder an», sagt Claudio Saputelli, Chief Investment Officer Global Real Estate bei der UBS. Dabei sei nicht entscheidend, dass die Zinsen in kurzer Zeit zweimal hintereinander gesenkt worden seien, sondern eher das Signal, dass die Zinsen wieder abwärtsgehen.
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Damit geht eine Phase von zwei Jahren zu Ende, während deren Mieten vorteilhafter war. Dies zeigen Berechnungen des Immobilienspezialisten Iazi für über 2000 Schweizer Gemeinden. Dafür wurden die monatlichen Kosten für einen Eigentümer und einen Mieter für die kommenden zehn Jahre berechnet. Verglichen wurde die Miete für eine 4,5-Zimmer-Wohnung mit den Kosten für eine Neubau-Eigentumswohnung. Ein roter Wert bedeutet (siehe Grafik), dass Mieten günstiger ist, blau bis grün bedeutet, dass sich ein Kauf lohnt.
Eigenheimkäufer: Ab aufs Land
Die Grafik zeigt deutlich: In der Schweiz existieren zwei Immobilien-Welten. Auf dem Land ist Wohneigentum bis auf wenige Ausnahmen günstiger als das Mieten – und die Preise sind deutlich tiefer. In Bottighofen etwa, am Südwestufer des Bodensees im Kanton Thurgau, spart man bei einem Kauf 25 Prozent, das sind zwischen 12’000 und 6000 Franken jährlich. Ähnlich in Arisdorf, im Kanton Basel-Landschaft, oder in Villmergen im Kanton Aargau. Auch in diesen Kantonen kommt man bei einem Kauf 25 Prozent günstiger.
In den Städten hingegen ist der Kauf teurer. In Zürich und Genf bezahlt man einen Eigentumsaufschlag von 20 Prozent, in Basel 10 und Luzern 5 Prozent. Oder in Franken ausgedrückt: In Zürich und Genf können Mietende zwischen 12’000 und 6000 Franken im Jahr sparen. In Basel sind es zwischen 6000 und 3600 Franken. Am grössten ist der Unterschied in der Stadt Zug: Dort ist Mieten um 30 Prozent günstiger. Man spart zwischen 60’000 bis 12’000 Franken.
In Städten ist Mieten günstiger
Kommt hinzu, dass in den Städten die Preise weiter steigen. Wer zentral leben will, muss tief in die Tasche greifen. «Das Angebot an Kaufobjekten in den Städten ist sehr knapp», sagt Donato Scognamiglio, Mitgründer und Verwaltungsrat Iazi. Generell gelte: «Es gibt praktisch keine Eigentümer, die aufgrund des Zinsanstiegs in den vergangenen Jahren in den Privatkonkurs gingen.
Niemand muss heute verkaufen, wenn er nicht gerade seinen Job verliert oder aufgrund einer Erbschaft die Geschwister ausbezahlen muss. Alle anderen, die verkaufen wollen, können warten, bis sich ein Käufer findet, der den gewünschten Preis bezahlt.»
Seit 2000 haben sich die Preise fast verdoppelt
Diese Situation hat ihre Tücken. Immer häufiger kommt es vor, dass Kaufwillige die Preise für Immobilien einfach ausblenden. «Vielfach zählt nur, wie hoch die Differenz zwischen der monatlichen Hypothekenbelastung und der Miete ist», sagt Claudio Saputelli. Es herrsche allgemein die Ansicht, Immobilien seien ein sicheres Investment, daher müsse man sich nicht mit dem Preis auseinandersetzen.
Tatsache ist, dass sich die Quadratmeterpreise für Häuser und Wohnungen seit Beginn des Jahrhunderts, in weniger als 25 Jahren also, fast verdoppelt haben (um plus 85 Prozent in der gesamten Schweiz).
«Kauft man allerdings heute auf dem aktuellen hohen Preisniveau ein Eigenheim und sollten dann die Preise sinken», so Claudio Saputelli, «wirkt sich dies direkt auf das eingeschossene Eigenkapital aus.» Es kann dazu führen, dass man Eigenkapital nachschiessen muss. Immerhin dürfte es zu einer Abflachung der Wachstumsraten kommen. Vergangenes Jahr stiegen die Preise für Wohneigentum um 3 Prozent. Die meisten Spezialisten gehen davon aus, dass es im laufenden Jahr etwa nur mehr die Hälfte sein wird.
Über ein Jahrzehnt: Kaufen war günstiger als Mieten
Die Mieten ziehen ebenfalls stark an. Neumieten haben sich innerhalb eines Jahres um über 6 Prozent verteuert. Das ist die höchste Jahreswachstumsrate seit 1996. Auch bei bestehenden Mieten gab es Anpassungen aufgrund des hypothekarischen Referenzzinssatzes, der Anfang Juni 2023 erstmals und Anfang Dezember 2023 gleich nochmals gestiegen war.
Gemäss Berechnungen der Raiffeisen Bank haben Ende letzten Jahres rund die Hälfte der Mieterhaushalte eine Anpassung ihres Mietzinses an den gültigen Referenzzinssatz kommuniziert bekommen. «Immerhin dürften Mieter mit bestehenden Verträgen auf absehbare Zeit von weiteren grösseren Mietzinserhöhungen verschont bleiben, denn die beiden jüngsten Referenzzinssatzanstiege dürften die letzten gewesen sein», sagt Fredy Hasenmaile, Chefökonom von Raiffeisen Schweiz.
Lange Zeit war die Situation unverändert. Die Welt war einfach. Über ein Jahrzehnt, zwischen 2009 und 2022, war es eindeutig vorteilhafter, ein Haus zu kaufen als es zu mieten. Geld kostete so gut wie nichts. Am Tiefpunkt im März 2020 war eine Zehn-Jahres-Hypothek für unter 1 Prozent zu haben: für 0,99 Prozent. Für einen Kredit von 1 Million bezahlte man 8.000 Franken Zinsen pro Jahr, während die Miete für ein ähnliches Objekt locker 25.000 Franken pro Jahr kostete. Die Situation änderte sich diametral mit dem Ende der Tiefzinsphase. Im Jahr 2022 verdreifachten sich die Hypothekarzinsen. Zahlte man zuvor noch für eine Zehn-Jahres-Hypothek 1 Prozent, kostete diese plötzlich 3 Prozent.
Der Zugang zum Eigenheim ist schwer
Schuld am starken Zinsanstieg war die Inflation. Oder besser gesagt die Massnahmen, die die Schweizerische Nationalbank (SNB) ergriffen hatte, um der Teuerung entgegenzuwirken. Sie erhöhte den Leitzins in fünf Schritten von minus 0,75 auf plus 1,75 Prozent. Damit war Geld nicht mehr gratis. Die unmittelbare Folge war: Der Anstieg der Hypothekarzinsen verringerte die Chancen darauf, Eigenheimbesitzer oder -besitzerin zu werden, stark. Und die Nachfrage war deutlich zurückgegangen.
Und künftig? Die Zinsen sinken, dennoch bleibt der Zugang zu einem Eigenheim in der Schweiz schwer. Selbst wenn sich viele seinen Besitz wünschen. Rund 40 Prozent der Bevölkerung der Schweiz lebt in einem eigenen Haus oder im Stockwerkeigentum. Die restlichen 60 Prozent wohnen zur Miete. Das ist jedoch kein Wunschzustand, wie eine Studie von Finanzscout 24 aus dem Jahr 2021 zeigt: Eine überwältigende Mehrheit von 86 Prozent träumt davon, Eigenheimbesitzer oder -besitzerin zu werden.
Selbst wer über das erforderliche Eigenkapital und Einkommen verfügt, muss zuerst das Objekt seiner Träume finden, was schwierig ist, da in der Schweiz nicht genug gebaut wird. Schuld daran sind der Mangel an Bauland, die schwierige Verdichtung von Wohnraum, immer komplexere und heiklere Vorschriften. Und die Liste ist noch lange nicht abgeschlossen. Folge: Der Wohnungsmangel wird gravierender. Und Wohnen auch künftig nicht einfacher.