Raiffeisen-CEO Heinz Huber (59) kann am Mittwoch das zweitbeste Halbjahresergebnis in der Geschichte der Genossenschaftsbank präsentieren. Der Gewinn beträgt 641,6 Millionen Franken. Das Hypothekengeschäft wächst, die Bank gewinnt 14’000 neue Kundinnen und Kunden dazu. Trotzdem sinkt der Gewinn gegenüber dem Vorjahr um 60 Millionen Franken. Der Grund: Das so wichtige Zinsgeschäft sprudelt nicht mehr ganz so üppig.
Blick: Herr Huber, das Zinsgeschäft trägt über 70 Prozent zum Gewinn bei. Ist dieses Klumpenrisiko nicht problematisch für Raiffeisen?
Heinz Huber: Unser Ziel ist es, die Abhängigkeit vom Zinsgeschäft bis 2025 zu reduzieren. Bis dahin sollen die übrigen Geschäftsbereiche 30 Prozent zum Gewinn beitragen. Derzeit sind es rund 27 Prozent. Dabei wollen wir organisch wachsen und nicht durch Zukäufe. Wir sind mit der Entwicklung zufrieden.
Sie haben Ihren regionalen Genossenschaften kürzlich empfohlen, den Zins fürs Mitglieder-Sparkonto bis 100'000 Franken auf 0,7 Prozent zu senken. Zuvor lag die Empfehlung noch bei 1,1 Prozent. Wollen Sie die Sparer loswerden?
Natürlich nicht. Wir haben die Zinsen im letzten Jahr sukzessive erhöht, insbesondere auf den Sparkonten. In diesem Jahr hat die Schweizerische Nationalbank den Leitzins zweimal reduziert und wir haben unsere Zinsen trotzdem bei über einem Prozent belassen. Nun haben wir unsere Empfehlung angepasst. Man muss aber das gesamte Paket aus Zinsen, Gebühren und weiteren Vorteilen anschauen. Raiffeisen bleibt für Sparerinnen und Sparer weiterhin attraktiv und die einzelnen Raiffeisenbanken sind frei in der Entscheidung, wie sie die Sparzinsen setzen.
Die Hypothekarzinsen sind in den letzten drei Monaten nochmals deutlich gesunken. Gehören Sie zu denen, die mit einer weiteren Vergünstigung der Immobilien-Finanzierung rechnen?
Der Markt geht davon aus, dass die SNB den Leitzins im September erneut senkt. Das ist in den heutigen Zinssätzen für Festhypotheken bereits eingepreist. Deshalb dürften die Hypothekarzinsen nicht weiter abnehmen und nach heutigem Stand relativ stabil bleiben. Vorausgesetzt, es geschieht nichts Unerwartetes. Bei den Saron-Hypotheken sieht es anders aus. Dort würden Eigentümerinnen und Eigentümer von einer Zinssenkung profitieren, weil der Saron direkt dem SNB-Leitzins folgt.
Wohneigentum ist wieder günstiger als Mieten. Wie gut stehen die Chancen, dass sich der Mittelstand wieder vermehrt Wohnraum leisten kann?
Ich bin wenig zuversichtlich, dass sich die Chancen auf den Erwerb von Wohneigentum zeitnah verbessern. Die Immobilienpreise steigen weiter. Für potenzielle Käufer wird es zunehmend schwieriger, die Kriterien zu erfüllen, gerade was die notwendigen Eigenmittel anbelangt. Der Mangel an Wohnraum bereitet uns Sorgen. Die Politik müsste sich jetzt dem Problem annehmen.
Was sollte die Politik Ihrer Meinung nach tun?
Damit der Wohntraum wieder realistischer wird, müsste das Angebot wachsen. Das verdichtete Bauen macht nicht die erhofften Fortschritte und die Bewilligungsprozesse dauern zu lange. Einsprachen haben sich in der Schweiz zur fünften Landessprache entwickelt. Dort müsste man den Hebel ansetzen.
Heinz Huber (59) steht seit 2019 an der Spitze der Raiffeisen-Gruppe. Der Thurgauer hat es geschafft, nach den Vincenz-Turbulenzen wieder Ruhe in die Nummer zwei auf dem Finanzplatz zu bringen. Zuvor hatte Huber während fünf Jahren die Thurgauer Kantonalbank geleitet. Seine Banklehre hat er bei der UBS absolviert.
Heinz Huber (59) steht seit 2019 an der Spitze der Raiffeisen-Gruppe. Der Thurgauer hat es geschafft, nach den Vincenz-Turbulenzen wieder Ruhe in die Nummer zwei auf dem Finanzplatz zu bringen. Zuvor hatte Huber während fünf Jahren die Thurgauer Kantonalbank geleitet. Seine Banklehre hat er bei der UBS absolviert.
Gibt es denn Regionen, in denen Eigentum auch heute noch bezahlbar ist?
Gerade in Randregionen ist Wohneigentum noch deutlich erschwinglicher. Mal abgesehen von beliebten Feriendestinationen, in denen Immobilien sehr begehrt sind. Doch die Schweiz ist im internationalen Vergleich kein sehr mobiles Volk. Wir nehmen nicht gerne längere Pendlerzeiten in Kauf. Die günstigeren Wohnungen sind also oft nicht dort, wo die Nachfrage besteht.
Die Banken haben bei den steigenden Zinsen die Schraube bei den Vergaben von Hypotheken angezogen. Wie locker nimmts die Raiffeisen mit der Vergabe?
Wir haben die Vergabekriterien in den letzten Jahren nicht verändert und rechnen nach wie vor mit einem kalkulatorischen Zinssatz von fünf Prozent. Das hat sich in der jüngsten Vergangenheit bewährt. Die Hypothekarzinsen sind gestiegen, doch die Haushalte hatten genügend Spielraum. Wir planen derzeit nicht, die Kriterien zu lockern.
Sie sind seit rund sechs Jahren CEO der Raiffeisen und es wird über Ihren Rücktritt spekuliert. Treten Sie bald zurück?
Ein Rücktritt ist für mich kein Thema. Ich arbeite sehr gern bei Raiffeisen und habe Freude daran, die Entwicklung dieser Bankengruppe gemeinsam mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern voranzutreiben.