Raiffeisen-Firmenchef erklärt
«Das Verschwinden der CS ist nicht gut für den Finanzplatz»

Mit dem Verschwinden der Credit Suisse fehlt plötzlich die wichtigste Bank für Unternehmer in der Schweiz. Roger Reist erklärt, wie seine Bank die Lücke füllen will.
Publiziert: 21.07.2024 um 17:48 Uhr
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Aktualisiert: 22.07.2024 um 18:19 Uhr
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Roger Reist leitet das Firmenkundengeschäft von Raiffeisen.
Foto: Thomas Meier
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Beat SchmidFester Mitarbeiter Blick

Die Credit Suisse war die wichtigste Bank für Schweizer Unternehmen, jahrzehntelang dominierte sie das Firmenkundengeschäft. Die CS ist Geschichte, die UBS hat sie vollständig integriert. Das sorgt für Verunsicherung. Blick berichtete über Unternehmer und Firmenchefs, die sich über schlechtere Konditionen beklagten. Der Vorwurf: Die Grossbank habe die Margen plötzlich stark erhöht. 

UBS-Chef Sergio Ermotti (64) und seine Schweiz-Chefin Sabine Keller-Busse (58) bestätigten, dass die Bank gewisse Kredite «neu bewertet». Das überrascht nicht: Die CS war nicht nur die härteste Konkurrentin auf dem Heimmarkt, sondern auch diejenige, die den Markt und damit die Margen bestimmte. 

Jetzt kommt nach der UBS lange niemand mehr. Mit grossem Abstand folgen die Zürcher Kantonalbank und Raiffeisen. Roger Reist (48) leitet bei der Genossenschaftsbank das Firmenkundengeschäft. Im Gespräch erzählt er, wie seine Bank auf das Verschwinden der CS reagiert hat. Er spricht aus, was viele Unternehmerinnen und Unternehmer denken: «Es gibt einen Aufwärtsdruck bei den Margen, der sich nicht leugnen lässt.» Und er sagt: «Das Verschwinden der CS ist nicht gut für den Finanzplatz.»

Doch für Raiffeisen bietet das Ende der CS «Chancen, die wir nutzen können»: «Letztes Jahr haben wir uns relativ schnell entschieden, dem Firmenkundengeschäft mehr Kapital zur Verfügung zu stellen, weil wir in diesem Segment Möglichkeiten sehen. Heute wachsen wir im Firmenkundengeschäft deutlich schneller als in den Vorjahren», sagt Reist. 

Das zeigt sich auch beim Personal: 2023 habe man im Firmenkundengeschäft 50 neue Kundenberaterinnen und -berater eingestellt. «Im Grosskundengeschäft, das wir zentral bei Raiffeisen Schweiz führen, haben wir die Zahl der Beraterinnen und Berater von 50 auf 60 erhöht.» Insgesamt beschäftigt Raiffeisen im Firmenkundengeschäft über 500 Beraterinnen und Berater. «Wir haben die Ambition, weiterzuwachsen.»

Laut Reist beläuft sich das Kreditportfolio im Firmenkundengeschäft auf 50 Milliarden Franken. 2023 sei es gegenüber dem Vorjahr um einen einstelligen Milliardenbetrag gewachsen. Der grösste Teil des Kreditportfolios ist mit Hypotheken besichert. 

«Am schnellsten wächst das Geschäft aber mit unbesicherten Krediten, weil hier das grösste Wachstumspotenzial liegt», sagt Reist. «Das Volumen von ungedeckten Krediten liegt inzwischen im niedrigen einstelligen Milliardenbereich.» Trotz des stärkeren Fokus auf das Geschäft mit Grosskunden verfolge die Bank nach wie vor eine vorsichtige Risikopolitik. 

«Aufschläge zum Teil gerechtfertigt»

Zum Aufwärtsdruck auf die Margen sagt Reist, dass «die Aufschläge zum Teil gerechtfertigt» seien. Die Margen seien in Bezug auf die Liquiditätskosten und das Eigenkapital in der Vergangenheit zu tief berechnet worden. Zusätzlich gelte für systemrelevante Banken seit Anfang 2024 eine verschärfte Liquiditätsverordnung, was einen Kosteneffekt habe. Davon sei auch Raiffeisen betroffen. 

Als die Credit Suisse noch im Markt war, konnte Raiffeisen oftmals nicht mithalten. «Wir haben uns in der Vergangenheit an verschiedenen Krediten nicht beteiligt, weil es sich für uns nicht gelohnt hat», sagt Reist. Bei durchgängiger Berechnung der Liquiditäts- und Eigenkapitalkosten wären die Kredite «defizitär gewesen». 

Doch für die CS ging die Rechnung auf. Das zeigt die hohe Profitabilität, welche die Bank in den vergangenen Jahren im Schweizer Markt erzielte. Die CS Schweiz war effizienter und profitabler als die UBS im Heimmarkt.

Das Problem mit Syndikatskrediten

Jetzt wandern einige CS-Kunden zu Raiffeisen ab. «Es sind Firmen zu unseren Kunden geworden, die früher nicht zu uns gekommen wären», sagt Reist. «Sie gehen vielleicht davon aus, dass die UBS das aggregierte Volumen nicht übernehmen wird.» Reist spricht damit ein Problem an, von dem viele Unternehmen betroffen sind, die gleichzeitig einen Kredit bei der CS und der UBS hatten. Da die Kredite jetzt kombiniert auf der Bilanz der UBS liegen, steigen die Risiken für die Bank. Reist glaubt daher, dass die «UBS bei einigen Kunden möglicherweise über die Bücher gehen und nicht das gesamte Volumen übernehmen wird, sondern weniger». 

Ein weiteres Problem sieht Reist bei den sogenannten Syndikatskrediten – das sind grosse Kredite, die mehrere Banken gemeinsam stemmen. Bei Kreditvolumen zwischen 200 und 300 Millionen Franken mache sich der Wegfall der CS «deutlich bemerkbar». «In diesem Segment verbleiben noch die UBS und die ZKB, die in den Lead gehen.»

«Wir als Raiffeisen gehen bei syndizierten Krediten nicht in den Lead. Das wird auch bis auf weiteres so bleiben», sagt Reist. In den Lead gehen bedeutet unter anderem, dass eine Bank sich bereit erklärt, das gesamte Kreditvolumen zu garantieren, falls die anderen Banken abspringen sollten. Raiffeisen will aber auch hier die Angebotspalette erweitern: «Wir haben begonnen, syndizierte Kredite zu koordinieren. Wir fragen vorher an, ob andere Banken mitmachen wollen. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von Club Deals.»

Trotz des Verschwindens der Nummer eins im Firmenkundengeschäft glaubt Reist weiterhin, dass der Wettbewerb in der Schweiz spielt – «und zwar von den ganz kleinen Unternehmen bis zu den ganz grossen».

Das kann sein. Gleichzeitig ist aber auch klar, dass die Credit Suisse nicht von heute auf morgen ersetzt werden kann. Es wird Jahre oder vielmehr Jahrzehnte dauern, bis eine andere Bank so weit ist.

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