Radikal neu oder kopiert?
Das hat es mit der neuen Zürcher Digitalbank Radicant auf sich

Die Digitalbank beendet ihre lange Testphase. Verkauft die BLKB nun Anteile an Partner? Am Markt gilt Swiss Life als interessiert.
Publiziert: 23.08.2023 um 00:15 Uhr
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App aus Zürich, Eigentümerin aus Liestal: Radicant ist eine Tochter der Basellandschaftlichen Kantonalbank.
Foto: Montage HZ / Midjourney
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Michael Heim
Handelszeitung

Auf diesen Moment haben viele lange gewartet. Zumindest bei Radicant in Zürich und am Firmensitz der Eigentümerin BLKB in Liestal. Am Dienstagmorgen teilte die Digitalbank mit, dass ihre – seit rund einem Jahr dauernde – Testphase nun beendet sei. Radicant öffnet sich der normalen Kundschaft.

Was unterscheidet die neue Bank von anderen Digitalbanken am Markt? App, Konto und Zahlungsprodukte sind mit anderen Banken vergleichbar, auch wenn vereinzelte Services fürs Alltagsbanking wie E-Bill noch fehlen (die «Handelszeitung» konnte die Dienstleistungen bereits testen). Doch damit will und kann sich Radicant auch nicht von der Konkurrenz abgrenzen.

Guthaben werden nicht als Kredite weitervergeben

Schon eher speziell ist der Nachhaltigkeitsansatz, der von Radicant auch stark beworben wird und hinter dem unter anderem Leute stehen, die schon vor zwanzig Jahren bei der damaligen Bank Sarasin nachhaltige Anlagefonds gebaut haben: In der Vermögensverwaltung, die wie die ganze Kontobeziehung rein digital abläuft, steht alles unter dem Gesichtspunkt der UNO-Nachhaltigkeitsziele. Jeder Fonds, jede Einzelanlage wird dahingehend bewertet, welche dieser Ziele unterstützt werden. Und in welchem Ausmass.

Gleichzeitig werden einzelne Transaktionen wie Einkäufe mit der Visakarte auf den indirekten CO2-Ausstoss hin analysiert. Technisch funktioniert das bereits heute. 5,89 Kilogramm CO2 standen demnach hinter einer Portion Thai-Curry vom Take-away, wie uns im Kontoauszug angezeigt wird. Alternativ hätten wir auch 16,8 Kilometer mit dem Auto fahren können, rechnet Radicant vor.

Besonders ist auch die Bewirtschaftung der Bilanz: Die Kundenguthaben auf den Konten sollen nicht als Kredit weitergegeben werden, erklärten die Co-Leiter Roland Kläy und Rouven Leuener vergangenen Juni in einem Gespräch mit der «Handelszeitung». Das Geld werde entweder bei der Nationalbank gehalten oder in nachhaltige Projekte oder Green Bonds investiert. So schaffe man das erste nachhaltige Lohnkonto der Schweiz. 

Das Konto ist gratis, die Vermögensverwaltung kostet

Mit dem offiziellen Marktstart von heute stehen auch die Gebühren fest, mit denen sich Radicant am Markt positionieren will. Kontoführung und Visakarte sind kostenlos, für Kontoguthaben verspricht die Bank derzeit 1 Prozent Zins. Mit digitalen Neobanken wie Yuh, Neon oder Zak lässt sich das durchaus vergleichen. Auslandzahlungen mit der Karte sollen 0,8 Prozent kosten.

Interessant ist ein Detail, das noch so manche Bank kopieren dürfte: Plastikkarten werden von Radicant nicht mehr automatisch ausgestellt. Zunächst erhalten Kundinnen und Kunden offenbar nur eine direkt nutzbare virtuelle Karte, die in den gängigen Bezahl-Wallets (Apple Pay, Google Pay) hinterlegt werden kann. Wer dennoch eine physische Karte wünscht, bezahlt dafür eine einmalige Gebühr von 10 Franken.

Artikel aus der «Handelszeitung»

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Handelszeitung» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.handelszeitung.ch.

Dieser Artikel wurde erstmals in der «Handelszeitung» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.handelszeitung.ch.

In der Vermögensverwaltung ist die veranschlagte Gebühr abhängig vom Anlagevolumen. Das Signal ist klar: Die Bank setzt nicht auf Kleinsparer, sondern will sich für den etwas vermögenderen Mittelstand attraktiv machen. Inklusive Produktkosten und Anfangsrabatt kommen Kundinnen und Kunden auf 0,65 bis 0,92 Prozent Verwaltungsgebühr. Damit liegt Radicant im Bereich dessen, was Anlagelösungen auch bei anderen Banken kosten, ist aber deutlich teurer als einfache Digitalanlagen ohne Beratungsleistungen bei anderen Anbietern.

Beteiligt sich die Swiss Life? BLKB will Partner suchen

Kriegt Radicant schon bald neue Aktionäre? Heute wird die Bank von der BLKB kontrolliert. Zuletzt kursierten Gerüchte über Gespräche mit dem Lebensversicherer Swiss Life. «Die BLKB ist in Vertragsverhandlung mit Swiss Life. Wird Radicant verkauft?», schrieb ein Informant vor ein paar Tagen der «Handelszeitung». Der Finanzblog «Inside Paradeplatz» nahm die Frage auf, erhielt von der BLKB jedoch ein vermeintlich klares Dementi: «Es gibt keine Absicht, die radicant bank ag an die Swiss Life zu verkaufen.»

Denkbar ist jedoch nicht nur ein voller Verkauf. Und so tönte es an der Medienkonferenz vom Dienstagmittag bereits etwas anders: «Der Bankrat prüft, ob wir Kooperationen und Beteiligungen und Partnerschaften eingehen werden», so Radicant-Präsident und BLKB-Bankratsmitglied Marco Primavesi. «Im Moment» seien jedoch keine Gespräche im Gange. 

Bisher nur Kosten verursacht

Die BLKB hatte bereits früher signalisiert, dass sie das Kapital von Radicant dereinst öffnen könnte, sobald die neue Bank fertig gebaut und am Markt ist. Es bleibt somit denkbar, dass die Swiss Life, die zuletzt ihre Vermögensverwaltungsambitionen deutlich ausgebaut hat, eine Minderheitsbeteiligung oder Kooperation mit den Baselbietern prüft. Die Swiss Life wollte die Frage nach einer Beteiligung an Radicant auf Anfrage nicht kommentieren.

Erfolgsnachrichten hat Radicant dringend nötig. Das vor gut zwei Jahren gegründete Startup hat bislang vor allem mit Kosten und Managementfehlern von sich reden gemacht. Rund 90 Millionen Franken hat die Konzernmutter gemäss aktuellen Aussagen von Primavesi bislang in das Projekt investiert, die laufenden Kosten beliefen sich 2022 auf netto 12 Millionen Franken. Den Break-even, also die Gewinnschwelle, plane man bis 2026 zu erreichen, sagt der BLKB-Vertreter. 

Im konservativen Baselbiet sorgten das Projekt Radicant für das eine oder andere Stirnrunzeln. «Man hat mich zu überzeugen versucht, aber überzeugt bin ich weiterhin nicht», sagt SVP-Landrat Peter Riebli, der sich bereits mehrfach öffentlich kritisch geäussert hatte.

Der erste Firmenchef wurde bereits abgesetzt

Ungeschickt verhielt sich auch Mitinitiator und Radicant-Chef Anders Bally. Auf die Kritik im Baselbiet reagierte er mit einer wenig höflichen Mitteilung via Chat-App Slack an die Mitarbeitenden, in der er schrieb, dass «einige der Politiker in diesem nicht urbanen Kanton – vor allem die älteren – Schwierigkeiten haben, all die disruptiven Aspekte zu verstehen, die Radicant mit sich bringt». Offenbar wurde die Slack-Mittelung kurz nach der Publikation wieder gelöscht. Doch da waren die Aussagen bereits weiterverbreitet worden. Kurz darauf wurde Bally entlassen und durch die Co-Chefs Kläy und Leuener ersetzt.

Der Eklat zeigt: Nach wie vor ist das Verhältnis zwischen der hippen Zürcher Startup-Tochter und der Staatsbank als Eigentümerin nicht einfach. Nach aussen tritt Radicant eigenständig auf. Gleichzeitig sitzen die obersten Chefs der Digitalbank – faktisch – im Baselbieter Kantonsparlament. Eine kleine Veränderung hat immerhin stattgefunden. Seit kurzem prangt das Logo der BLKB auch auf der Radicant-Website.

Dieser Text wurde nach der Medienkonferenz vom Dienstagmittag überarbeitet und ergänzt.  

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