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Putzfrau A. R. hat nächsten Monat kein Dach mehr über dem Kopf
Zwangsräumungen von Liegenschaften bringen Arme in Not

Leerkündigungen und Totalsanierungen nehmen in Schweizer Städten seit Jahren zu. Vor allem für sogenannte Working Poor können sie verheerend sein, wie das Beispiel einer Betroffenen zeigt.
Publiziert: 11.03.2021 um 01:21 Uhr
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Aktualisiert: 11.03.2021 um 09:48 Uhr
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Die Überbauung in Zürich Seebach soll totalsaniert werden. Seither sucht die Reinigungskraft mit Status F unermüdlich nach einer neuen Wohnung in der Stadt.
Foto: zVg
Dorothea Vollenweider

Sonst immer lebensfroh, ist sie heute nur noch ein Häufchen Elend.
Seit 14 Jahren lebt Ayana R.* in der Schweiz. Ende 2019 kündigte die Liegenschaftsverwalterin ihr die Wohnung in der Stadt Zürich. Die Überbauung in Zürich Seebach werde totalsaniert, darum die Zwangsräumung, berichtet R. BLICK. Seither sucht die Putzfrau mit Aufenthaltsstatus F nach einer neuen Wohnung. Vergebens. Sie bekommt nur Absagen.

R. ist kein Einzelfall. Immer mehr Menschen, besonders jene an der Armutsgrenze, sogenannte Working Poor, trifft dieses Schicksal.
Denn immer häufiger werden bei Sanierungen von Überbauungen Leerkündigungen ausgesprochen. Heisst: Vor der Sanierung wird allen Mietern gekündigt.

In der Stadt Zürich kam es von 2017 bis 2018 bei fast 38 Prozent der Sanierungen zu einer Leerkündigung. Von 2011 bis 2012 lag der Anteil bei 26 Prozent. Neuere Zahlen liegen nicht vor. Dafür tauchen häufiger Medienberichte zu diesem Thema auf.

Leerkündigungen nehmen schweizweit zu

Zuletzt in der Innerschweiz: In Emmen LU erhielten Anfang März 57 Mietparteien von günstigen Wohnungen die Kündigung. «Wir beobachten seit längerem eine Zunahme von Leerkündigungen und Totalsanierungen», bestätigt Natalie Imboden (50), Generalsekretärin Mieterinnen- und Mieterverband Schweiz. «Hotspots sind dabei die grossen Städte.»

Nach der Sanierung gingen die Mieten dann deutlich hoch, zu hoch für die bisherigen Mieter. «Darunter leiden insbesondere Menschen mit mittleren und tieferen Einkommen. Und gerade auch jene mit prekärem Aufenthaltsstatus», weiss Imboden.

Zu diesen gehört R.: Der Lohn der Putzfrau – sie arbeitet 60 Prozent – reicht nicht zum Leben. Das Sozialamt übernimmt eine Miete von monatlich bis zu 1200 Franken. Dann ist da noch ihr Aufenthaltsstatus. Ayana R. ist 2007 aus Eritrea geflüchtet. Alle zwölf Monate muss sie ihre Aufenthaltsbewilligung verlängern lassen.

Diskriminierung auf Wohnungsmarkt

Ab April droht ihr zudem, kein Dach mehr über dem Kopf zu haben. «Ich habe mich bestimmt schon auf mehr als 100 Wohnungen beworben», sagt R. Hilfe erhält sie dabei von einer Schweizerin, bei der R. putzt. Olivia P.* (39) möchte aus Angst vor Anfeindungen nicht namentlich genannt werden. Sie hilft der Eritreerin bei Bewerbungsschreiben und Besichtigungen und bietet sich als Solidarmieterin an – haftet also für die Miete, sollte sie nicht bezahlt werden. Bisher nützte auch das nichts. «Das Problem scheint der Status F zu sein», mutmasst P.

Dass Personen wegen ihrer ausländischen Herkunft auf dem Wohnungsmarkt ungleich behandelt werden, ist ein Fakt. Das wurde unlängst mit einem landesweiten Feldexperiment durch das Bundesamt für Wohnungswesen (BWO) bewiesen. Die Studie zeigte, dass die Chancen, zu einer Wohnungsbesichtigung eingeladen zu werden, bei Personen mit einem ausländischen Namen kleiner sind als bei Schweizern.

Status F erschwert Suche massiv

«Bewerber werden aufgrund ihrer ausländischen Herkunft auf dem Wohnungsmarkt diskriminiert», sagt auch Mietexpertin Imboden. Noch deutlicher wird Walter Angst (59), Sprecher des Mieterinnen- und Mieterverbands des Kantons Zürich. «Für eine Person mit Status F liegen die Chancen, auf dem freien Markt eine Wohnung zu finden, nahezu bei null», sagt er zu BLICK.

R. ist zu allen Kompromissen bereit. «Ich bin allein und brauche lediglich ein bis eineinhalb Zimmer», sagt sie. Die Wohnung muss für sie auf Stadtgebiet liegen, weil ihre Auftraggeber in Zürich seien. Ein Abo für den öffentlichen Verkehr könne sie sich nicht leisten. Zudem hofft die 43-Jährige, nicht mehr den Flüchtlingsstatus zu haben. Dafür ist es vorteilhaft, möglichst viele Jahre in derselben Gemeinde wohnhaft zu sein. R. nahm zwischenzeitlich auch das Hilfsprogramm Wohnfit der Stiftung Caritas in Anspruch – erfolglos.

Mit Sanierung steigen Mieten

Das Gebäude wird von Admicasa verwaltet und gehört BFW Liegenschaften. Mit der Kernsanierung soll im Mai 2021 begonnen werden. «Während dieser Zeit ist das Haus nicht bewohnbar», sagt Admicasa-Sprecher Hans Klaus. Anwohnern der Überbauung rät er, im Quartier nach einer neuen Mietwohnung zu suchen. «Dort haben die Leute wegen persönlicher Beziehungen oft den grössten Erfolg», so Klaus. Auch der Liegenschaftsbesitzer BFW könne nach Möglichkeit helfen.

Für R. muss dieser Ratschlag wie ein Hohn klingen. Inzwischen kann sie nachts kaum noch schlafen vor Sorge. Sie glaubt nicht mehr daran, noch rechtzeitig eine bezahlbare Wohnung zu finden. Die Mieten werden nach dem Umbau steigen. Wie hoch die neuen sein werden, kann Admicasa noch nicht sagen. Luxus-Wohnungen sollen daraus aber nicht entstehen, heisst es. Für R. ist das kein Trost.

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