Entsteht daraus bald günstiger Wohnraum?
Bürokomplexe stehen leer, mehr Geistersiedlungen in der Agglo

Seit dem Lockdown Anfang Jahr hat sich das Arbeitsleben für viele ins Homeoffice verlagert. Darum nehmen jetzt die Leerstände bei den Büroflächen massiv zu, wie eine neue Auswertung zeigt. Entsteht daraus bald günstiger Wohnraum?
Publiziert: 10.12.2020 um 16:22 Uhr
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Aktualisiert: 10.03.2021 um 21:12 Uhr
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Im ehemaligen Swisscom-Hochhaus in Bern entstehen Wohnungen zu bezahlbaren Mietpreisen.
Foto: Peter Gerber
Dorothea Vollenweider

Die Corona-Pandemie hat Homeoffice salonfähig gemacht. Das bleibt nicht ohne Folgen für den Schweizer Büroflächenmarkt. Die Credit Suisse rechnet in einer neuen Studie mit einer Abnahme der Nachfrage und damit mit steigenden Leerständen.

Die Studienautoren gehen davon aus, dass das Arbeiten von zu Hause aus auch in Zukunft ein fixer Bestandteil unseres Arbeitslebens bleibt. Die Nachfrage nach Büroflächen dürfte deshalb in den nächsten zehn Jahren um rund 15 Prozent sinken. Für das aktuelle und das kommende Jahr erwarten sie eine Abnahme der Nachfrage um rund 700'000 Quadratmeter.

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In Bern stiegen die Leerstände massiv

«Insbesondere in den Gemeinden rund um die grossen Schweizer Städte stehen viele Büroräumlichkeiten leer», sagt Fredy Hasenmaile (51), Immobilienexperte der Credit Suisse zu BLICK. Die Corona-Pandemie dürfte die Präferenz nach zentralen Innenstadtlagen noch verstärken und damit das Gefälle zwischen Innenstädten und den Rändern der Grosszentren weiter erhöhen. Es drohen Geistersiedlungen aus lauter leerstehenden Bürokomplexen.

In der Stadt Bern stiegen die Büroleerstände mit einem Plus von 78 Prozent massiv an. «Wobei diese hohen Leerstände vor allem den äusseren Büromarktraum betreffen», weiss Hasenmaile. Der starke Anstieg der Leerstände hat in Bern verschiedene Ursachen. Der Wegzug von verschiedenen Bundesämtern aus der Stadt in die Agglomeration dürfte dabei eine Rolle gespielt haben.

Diese werden derzeit in der Peripherie zentralisiert und hinterlassen grosse leere Flächen in der Innenstadt. «Diese auf die Schnelle wieder zu besetzen ist nicht einfach», sagt Ruedi Tanner (56), Präsident der Schweizerischen Maklerkammer SMK zu BLICK. «Im Vergleich zu Zürich ist Bern gerade für internationale Firmen als Niederlassung weniger interessant», fügt er an.

Auch Zürich bleibt nicht verschont

Grosse Büroflächen seien deshalb in Bern schwieriger zu besetzen, als in Zürich. Tatsächlich kann aber auch in Zürich ein Überangebot an Büroflächen festgestellt werden – zwar nicht in der Innenstadt, sehr wohl aber in der Agglomeration.

Das zeigt die Angebotsquote der Büroflächen in der Stadt. Die Angebotsquote beziffert die Anzahl Büros, die innerhalb eines Quartals ausgeschrieben werden. In Zürich ist die Angebotsquote mit 7 Prozent über dem Schweizer Durchschnitt von 5,5 Prozent. Im äusseren Umkreis, zu dem unter anderem Kloten ZH, Urdorf ZH, Schlieren ZH, Wallisellen ZH und Dübendorf ZH gehören, liegt die Angebotsquote gar bei 11,6 Prozent.

Bürokomplexe werden zu Wohnraum

Auch Genf sticht mit einer Angebotsquote von 11,5 Prozent hervor. Schwierig ist die Situation laut dem Immobilienexperten auch in Lugano. Dort beträgt die Angebotsquote der Büroflächen zwar überschaubare 5,9 Prozent. «Luganos Wirtschaft läuft gegenwärtig aber nicht rund, was mit den engen Verflechtungen mit den wirtschaftlichen Aktivitäten in Norditalien zu tun hat», so der Immo-Experte Hasenmaile von der CS.

Was passiert nun mit den vielen leeren Büroräumlichkeiten? In Bern gibt es bereits einige Beispiele dafür, wie Bürokomplexe zu günstigem Wohnraum umgenutzt werden können. So entstehen im ehemaligen Swisscom-Tower in Bern beispielsweise 90 bezahlbare Wohnungen. Und im ehemaligen Hauptsitz von Ernst & Young (EY) in Bern sind 170 Mikro-Apartments geplant.

Firmen warten ab

Es ist laut dem Immobilienexperten Tanner ein Phänomen, das schweizweit zu beobachten sei: «Investoren wenden sich vermehrt an uns mit Fragen bezüglich solcher Umnutzungen von Bürokomplexen», sagt Tanner zu BLICK. Es sei einer der Trends, der die Zukunft der Immobiliendienstleister prägen werde.

«Die Büroleerstände werden im nächsten Jahr noch weiter steigen», sagt Hasenmaile. Das liege weniger am Beschäftigungsrückgang aufgrund der Coronakrise, sondern vielmehr daran, dass Firmen sich mit Anmietungen zurückhalten. «Die Unternehmer warten jetzt erst einmal ab und beobachten, wie sich die Homeoffice-Bewegung entwickelt, bevor sie anstehende Entscheide bezüglich ihrer Büroräumlichkeiten treffen.»

Mieten werden sinken

Die Vergangenheit zeige, dass der Büromarkt stärker auf Schwankungen reagiert als der Mietwohnungsmarkt. Und das wird laut der Studie auch Folgen für die Mietpreise im Büromarkt haben: «Die Mieten werden sinken», sagt Hasenmaile. Denn bei der aktuell schwachen Nachfrage führe eine Bautätigkeit ungefähr auf dem Niveau des langfristigen Durchschnitts unweigerlich zu noch grösseren Überkapazitäten, steigenden Leerständen und Druck auf die Mieten.

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