«Nachfrage für Mietwohnungen auf dem Land steigt»
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Expertin zu Wohnungsleerstand:«Nachfrage für Mietwohnungen auf dem Land steigt»

Immo-Expertin Ursina Kubli (41) über neue Leerstands-Hotspots
«Nachfrage für Mietwohnungen auf dem Land steigt»

Die Wohnungsleerstände erreichen in diesem Jahr einen neuen Rekordwert. Ursina Kubli (41), Leiterin Immobilien Research der Zürcher Kantonalbank, erklärt im Interview, wo die Schweizer Hotspots sind.
Publiziert: 04.10.2020 um 14:58 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2020 um 07:00 Uhr
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«Es ist die logische Folge des tiefen Zinsumfelds: Investoren sind verzweifelt auf der Suche nach Rendite. Pensionskassen beispielsweise müssen ihr Geld zwingend anlegen. Sie müssen ihre Rendite erreichen», sagt Ursina Kubli (41), Immobilienspezialisten der Zürcher Kantonalbank (ZKB).
Foto: zVg
Interview: Dorothea Vollenweider

Laut einer Schätzung der Zürcher Kantonalbank (ZKB) erreicht der Wohnungsleerstand auch in diesem Jahr wieder einen Rekordwert. Knapp 78'500 Wohnungen sollen heuer leerstehen. Die offizielle Zahl gibt der Bund am kommenden Montag bekannt. BLICK hat im Vorfeld mit Ursina Kubli (41), ZKB-Leiterin Immobilien Research, über mögliche neue Hotspots gesprochen. Und weshalb die Corona-Pandemie dazu führen könnte, dass einige touristische Risikogebiete bald weniger leerstehende Wohnungen haben.

BLICK: Frau Kubli, welchen Einfluss hat Corona auf den Wohnungsleerstand?
Ursina Kubli: Stichtag für die Erhebung der Leerstandsquote ist der 1. Juni 2020. Bis dahin ging die Einwanderung wegen der Corona-Pandemie stark zurück. Dass nicht noch mehr Wohnungen leerstehen, liegt daran, dass sich Bauprojekte im Tessin und in der Westschweiz teilweise verzögerten.

Jährlich steigt der Leerstand auf ein höheres Niveau. Gibt es weitere Gründe dafür?
Das liegt an den tiefen Zinsen. Investoren sind verzweifelt auf der Suche nach Rendite. Pensionskassen beispielsweise müssen ihr Geld zwingend anlegen. Sie müssen ihre Renditeziele erreichen. Und Mietobjekte bieten nach wie vor eine gute Rendite bei überschaubarem Risiko. Die Folge davon: Es wird weiter viel gebaut, vor allem ausserhalb der Städte. In den Städten wird das Angebot neuer Mietwohnungen schnell absorbiert.

Welche Regionen und Ortschaften sind von den Leerständen besonders betroffen?
Dazu gehören Oberaargau, Aargau, Solothurn, Biel BE und St. Gallen. Dann gibt es Regionen, die stark betroffen sind und gleichzeitig noch eine hohe Bautätigkeit haben – das sind dann Risikogebiete, weil die Gefahr von Leerständen steigt. Zu den Hotspots für Leerstände gehörten zuletzt Mendrisio TI, Mutschellen AG, Lenk BE, Olten SO und Solothurn.

Sorgt die Corona-Krise für neue Brennpunkte?
Generell sind Leerstände in ländlichen Gegenden ein grosses Thema. Vielleicht hat der Lockdown daran aber etwas geändert – beispielsweise könnte ich mir vorstellen, dass gerade in Ferienregionen weniger Wohnungen leerstehen, weil mehr Leute eine Ferienwohnung mieten, statt ins Ausland in die Ferien zu gehen. Das heisst, dass die Leerstände in Graubünden – Engadin, Davos, Flims – oder im Berner Oberland abnehmen könnten.

Werden im nächsten Jahr noch mehr Wohnungen leerstehen?
Ja, das denke ich. Der Trend zeigt klar nach oben. Laut unseren Berechnungen werden es nächstes Jahr über 80'000 sein. Fakt ist nun mal, dass in der Schweiz viel Geld vorhanden ist, welches angelegt werden kann oder muss. Die Hoffnung ist natürlich, dass die Baugesuche vor allem in den Städten zunehmen werden. Weil dort Wohnungen Mangelware sind.

Aber?
Es gibt zwar Umnutzungsprojekte in der Stadt, doch es dauert lange, bis sie nur schon bewilligt sind. Obwohl man ja verdichten möchte. Das ist gerade für institutionelle Anleger ein Problem. Deshalb wird dann doch wieder viel im ländlichen Raum investiert. Dort hat es Platz und der Widerstand ist kleiner. Auch in Zürich wird ausserhalb weiter gebaut.

Hat verdichtetes Wohnen weiterhin Zukunft?
In New York liest man von einer regelrechten Stadtflucht. Das zeigt sich anhand von Smartphone-Daten, die ausgewertet wurden. Bei uns sieht die Lage anders aus. Unsere Städte sind nicht ausgestorben, vieles ist bei uns ja wieder offen und funktioniert. Aber wie die Zukunft in den Städten aussieht, hängt stark vom weiteren Verlauf der Pandemie ab.

Was erwarten Sie also?
Ich kann mir schon vorstellen, dass ländliche Gebiete wieder eine grössere Nachfrage erfahren werden. Weil die Leute mehr im Homeoffice sind und weniger oft pro Woche pendeln müssen. Da nehmen sie auch einen längeren Arbeitsweg in Kauf. Gut möglich also, dass in nächster Zeit mehr gezügelt wird. Weil die Wohnbedürfnisse neu definiert wurden.

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