Die Aviatikbranche befindet sich in der grössten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg. Wegen der Coronavirus-Pandemie hoben im vergangenen Jahr nur noch 1,8 Milliarden Fluggäste ab. Zum Vergleich: 2019 waren es noch 4,5 Milliarden Passagiere – ein Rückgang von 60 Prozent!
Während Corona die Airlineindustrie vom Durchstarten abhält, zeichnen sich heimliche Gewinner ab: die Anbieter von Reisen mit Privatjets. Diese haben sich sehr rasch vom Corona-Schock im letzten Frühling erholt und gewinnen wieder an Flughöhe. Das zeigen exklusive Zahlen der Datenforschungsfirma Wingx, die Blick vorliegen.
Von April bis Mitte Mai 2021 verzeichnete die Privatjetindustrie 190 Prozent mehr Flüge als in der gleichen Zeitperiode des Vorjahrs. Im Vergleich zum Niveau 2019 liegt sie im Frühling nur noch sechs Prozent zurück. «Damit steht der Sektor massiv besser da als die Airlineindustrie», sagt Richard Koe (50), Geschäftsführer von Wingx.
Warum Anbieter von Privatjets so gut dastehen
Zwar war das letzte Jahr auch für viele Privatjetanbieter zum Vergessen. Doch es gibt Ausnahmen. Als die Welt wegen der Pandemie im März 2020 erstmals fast alles herunterfuhr, blühte das Geschäft mit den Privatjets kurzzeitig auf. Menschen rund um den Globus strandeten, weil die Fluggesellschaften zahlreiche Verbindungen einstellten. «Ein Businessjet darf immer fliegen, solange die Grenzen noch offen sind. Wer es sich leisten konnte, flog mit einem Privatjet nach Hause», erklärt Aviatikexperte Koe.
Die ganze Privatjetindustrie hat in der Pandemie von ihrer Einfachheit profitiert, sagt Koe. «Das Segment der Branche ist viel kleiner und somit flexibler als der grosse Airlinesektor.» Businessjet-Firmen hätten so schneller auf veränderte Restriktionen und Auflagen reagieren können. «Weil sie bis auf die Piloten kaum Angestellte haben, ist der administrative und finanzielle Aufwand vergleichsweise gering.»
Auch die Kunden haben die Vorteile eines Privatjets schätzen gelernt, so Koe weiter. Davon profitieren die Anbieter nun. «Der Sicherheitsaspekt ist ins Zentrum gerückt. Da hat der Privatjet wesentliche Vorteile. Denn wer kommerziell reist, kommt mit mehr Menschen in Kontakt und ist somit einem grösseren Ansteckungsrisiko ausgesetzt.»
Ferienreisen mit Privatjet boomen
Dass der kleine Sektor so gut dasteht, ist angesichts seiner Abhängigkeit von Geschäftsreisen erstaunlich. Jenes Flugsegment leidet unter Corona besonders, weil das Zoom-Meeting die Konferenz in Dubai oder London abgelöst hat. Koe beobachtet da zwar eine leichte Erholung: «Mit den Impf-Fortschritten in den Ländern fliegen die Menschen wieder etwas mehr Business», sagt er.
Doch der wahre Grund für die schnelle Erholung ist ein anderer: Immer mehr Menschen benutzen Privatjets für Ferien. In Amerika sind die Reichen in diesem Winter besonders gern nach Colorado geflogen. Nun stehen gerade Kalifornien und Florida hoch im Kurs. In Europa beobachtet Aviatikexperte Koe vermehrt Reisen nach Cannes, Nizza oder Mallorca. Seine Daten zeigen: «Die Flugaktivität von Privatjets ist an den Wochenenden höher als je zuvor. Das ist ein klarer Indikator, dass das Freizeitgeschäft boomt.»
Es wird immer günstiger
Niclas Seitz (34) will daran verdienen, wie er Blick sagt. Der Deutsche hat ausgerechnet im Corona-Sommer 2020 seine Firma Travelcoup Deluxe mit Sitz in Sarnen OW gegründet. Das Unternehmen hat sich auf Pauschalreisen mit Privatjets spezialisiert. Wöchentlich fliegt man Feriendestinationen wie Ibiza, Mallorca oder Nizza an. Eine Reise nach Malle mit dem Privatjet kostet inklusive dreier Übernachtungen im Fünfsternehotel gerade mal 2500 Franken – pro Person.
Damit liegt die junge Schweizer Firma im Trend. Luxuriöses Reisen über den Wolken boomt – und wird immer günstiger! «Es gibt vermehrt innovative und preiswerte Angebote», sagt Richard Koe. «Insgesamt sind die Preise bei den Privatjets um zehn bis 15 Prozent gesunken.»
Die Preise dürften weiter sinken, denn neue Anbieter drängen in den Privatjet-Markt. Der Luxus könnte für den Mittelstand somit so erschwinglich wie noch nie werden.