Preisüberwacher hält sich an Ratschlag seiner Mutter
«Entweder du machst dein Maul auf oder dein Portemonnaie»

Preisüberwacher Stefan Meierhans gibt trotz abnehmender Teuerung im vergangenen Jahr keine Entwarnung. Die Sorgenlast in der Schweizer Bevölkerung sei weiterhin hoch. Im Interview äussert er sich auch zu einer möglichen Bundesratskandidatur.
Publiziert: 18.02.2025 um 00:01 Uhr
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Aktualisiert: 20.02.2025 um 14:51 Uhr
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Preisüberwacher Stefan Meierhans bekommt immer noch sehr viele Zuschriften von Konsumentinnen und Konsumenten.
Foto: KARL-HEINZ HUG

Auf einen Blick

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Jean-Claude RaemyRedaktor Wirtschaft

Gegen Abzocke und für faire Preise geht Stefan Meierhans (56) für gewöhnlich durchs Feuer. Beim Besuch von Blick in Bern muss er aber bremsen. Das Interview könne wegen «latenter Brandgefahr» im Gebäude nicht in seinem Büro stattfinden, so der Preisüberwacher. Schliesslich liess sich doch noch ein Raum finden, und Meierhans gab kräftig Zunder. Denn die Beschwerdeflut aus der Bevölkerung ist immer noch rekordhoch.

Blick: Herr Meierhans, wurde die Rekordzahl von 2768 Beschwerden, die 2023 im Büro des Preisüberwachers eingehen, letztes Jahr übertroffen?
Stefan Meierhans: Die genaue Zahl gebe ich erst in ein paar Wochen bekannt. Die Bevölkerung hat sich im letzten Jahr aber wieder sehr häufig bei mir gemeldet. Die Zahlen sind ungefähr stabil geblieben. Man kann folglich erneut von einer Beschwerdeflut sprechen. Das hohe Niveau zeigt: Der Leidensdruck im Volk hat noch nicht nachgelassen.

Dabei setzt die Teuerung den Menschen in der Schweiz statistisch gesehen weniger zu als im Jahr 2023.
Beim Kaufkraftgipfel im letzten Oktober sagten mir zahlreiche Vertreter der Schweizer Wirtschaft, dass es gar kein Problem mehr gebe. Deren Argument: Die Inflation geht zurück, der Franken ist stark, Dollar und Euro haben sich abgewertet, viele Importgüter sind billiger geworden. Das stimmt alles. Aber das beseitigt die finanziellen Sorgen und Nöte vieler Konsumenten im Land nicht. Für viele Menschen ist das Thema schwindende Kaufkraft Realität und damit nicht vom Tisch.

Wo drückt Konsumentinnen und Konsumenten der Schuh am meisten?
Hauptsächlich sind es die überhöhten Preise, wie steigende Krankenkassenprämien, Energiepreise und Mieten. Aber noch viel mehr. Fehlende Kulanz, schlechter Kundenservice und dergleichen.

Geben Sie allen, die eine Beschwerde eingereicht haben, auch Antwort?
Wir bemühen uns, alle Zuschriften zu beantworten, und versuchen, wenn möglich, hilfreiche Infos und Tipps zu geben.

Persönlich: Stefan Meierhans

Stefan Meierhans (56) stammt aus dem St. Galler Rheintal. Er hat in Basel, Oslo (Norwegen) und Uppsala (Schweden) Recht studiert und spricht deshalb nebst den Landessprachen und Englisch auch fliessend Norwegisch. Studienbegleitend arbeitete er als Journalist. Seine berufliche Laufbahn lancierte er in Bern im Bundesamt für Justiz und später beim EJPD. Nach einer Station in der Geschäftsleitung von Microsoft Schweiz wurde er im Oktober 2008 als Preisüberwacher zurück in die Bundesverwaltung berufen. Meierhans ist verheiratet mit Béatrice Wertli (48). Beide sind Mitglied der Partei Die Mitte. Sie leben mit ihren zwei Töchtern in Bern.

Stefan Meierhans (56) stammt aus dem St. Galler Rheintal. Er hat in Basel, Oslo (Norwegen) und Uppsala (Schweden) Recht studiert und spricht deshalb nebst den Landessprachen und Englisch auch fliessend Norwegisch. Studienbegleitend arbeitete er als Journalist. Seine berufliche Laufbahn lancierte er in Bern im Bundesamt für Justiz und später beim EJPD. Nach einer Station in der Geschäftsleitung von Microsoft Schweiz wurde er im Oktober 2008 als Preisüberwacher zurück in die Bundesverwaltung berufen. Meierhans ist verheiratet mit Béatrice Wertli (48). Beide sind Mitglied der Partei Die Mitte. Sie leben mit ihren zwei Töchtern in Bern.

Was sind denn Ihre wichtigsten Ratschläge in diesen Zeiten?
Immer und so detailliert wie möglich Preise vergleichen. Hat man das Gefühl, dass ein Preis nicht gerechtfertigt ist, das Gespräch suchen. Meine Mutter sagte immer: Entweder du machst dein Maul auf oder dein Portemonnaie.

Wo haben Sie im letzten Jahr das Maul aufgemacht, damit die Konsumenten die Portemonnaies nicht weiter öffnen mussten?
Das Gesundheitswesen beschäftigt uns weiterhin sehr. Eigentlich gibt es seit acht Jahren eine Liste mit 38 empfohlenen Massnahmen, erstellt von der «Expertengruppe Diener zur Dämpfung des Kostenwachstums im Gesundheitswesen». Diese Massnahmen könnten zu Einsparungen in Höhe von rund einer Milliarde Franken führen. Das betrifft Spitalkosten, Medikamentenpreise und mehr.

Die Labortarife wurden immerhin bereits linear um 10 Prozent gesenkt.
Weil alles so lange dauert, habe ich eine weitere lineare Senkung um nochmals 20 Prozent gefordert. Darüber hinaus sitze ich am runden Tisch von Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider. Wir diskutieren Möglichkeiten, bis 2026 rund 300 Millionen Franken im Gesundheitswesen einzusparen. Ich hoffe, das kriegen wir auch durch. Das Tempo der Reformen ist einfach zu langsam im Verhältnis zur Teuerung.

Woran liegt das?
In Bern schlagen die Lobby-Interessen durch. Das Vorgehen der Lobbys ist wie früher das italienische «Catenaccio» im Fussball: mauern, was das Zeug hält.

Die liberale Denkfabrik Avenir Suisse hat jüngst argumentiert, dass es im Gesundheitswesen gar keine Kostenexplosion gibt, sondern die Preise seit zehn Jahren sinken ...
Gemäss BAG haben sich die Kosten, die jährlich zulasten der obligatorischen Versicherung abgerechnet werden, seit 1996 mehr als verdreifacht. Die Schlussfolgerung der Studie lautet: Der Patient ist schuld an der Gesamtkostenerhöhung, er geht zu oft zum Arzt. Wir liegen im europäischen Vergleich bezüglich Arztbesuchen im hinteren Mittelfeld. Viele wählen aus Spargründen bei der Krankenkasse die höchste Franchise und gehen deshalb kaum noch zum Arzt. Das Problem liegt mehr in der Intransparenz der Preisgestaltung im Gesundheitswesen.

Sie hatten vor zehn Jahren eine Senkung der Preise für Stromnetznutzung verlangt. Kürzlich hat der Bundesrat auf Ihre Empfehlung hin die Parameter der Berechnung angepasst – aber erst ab 2026. Zufrieden?
Besser spät als nie. Eigentlich hätte man das schon vor drei Jahren machen können und hätte damit nebst Haushalten auch viele KMU entlastet. Ich rechne mit einer Senkung der Netzentgelte um rund 125 Millionen Franken pro Jahr.

Was bringt das dem einzelnen Haushalt?
Vielleicht 10 bis 15 Franken Einsparung. Klingt nicht nach viel. Aber wenn ich in diversen Bereichen kleine Einsparungen erzielen kann, gibt das in der Summe einen Ausgleich zur Teuerung.

Wie im ÖV, wo Sie letztes Jahr die Preiserhöhungen abfedern konnten.
Dafür erhalte ich spontane Dankesbekundungen in Zügen und auf Skipisten!

Gibt es bald noch mehr Fanpost von ÖV-Nutzern?
Wir lassen nicht locker. Wir haben eine neue Regulierungspraxis entwickelt. Mit dieser können die zulässigen Maximalpreise auch für den subventionierten Regionalverkehr berechnet werden. Sie kommt bei künftigen Preiserhöhungsbegehren zur Anwendung.

Sind Preiserhöhungen im ÖV schon wieder ein Thema?
Das ist immer ein Thema. Im April wird der ÖV dazu informieren. Ich sehe bislang keinen Anlass für Preiserhöhungen.

Wo schauen Sie dieses Jahr sonst noch genau hin?
Wir werden die UBS im Auge behalten, insbesondere was Kreditvergaben und den Umgang mit KMU angeht. Wir haben bereits Kontakt mit Hochschulen aufgenommen, die uns insbesondere beim Studiendesign unterstützen werden. Die Post behalten wir ebenfalls im Fokus. Auch bei dieser sehe ich keinen Anlass für weitere Preiserhöhungen.

Sie fordern möglichst viel Wettbewerb für faire Preise. Was ist mit dem Detailhandel, hat sich die Situation dort entspannt?
Es gibt mehr Marktteilnehmer, und der Gesamtmarkt, also die Bevölkerung wächst. Migros/Denner und Coop haben weiterhin einen sehr hohen Marktanteil. Trotzdem scheint hier der Schuh nicht am schlimmsten zu drücken. Der Einkaufstourismus im angrenzenden Ausland ist nicht mehr auf früherem Niveau. Das wäre auch ohne Herabsetzung der Freigrenze so gewesen.

Apropos Detailhandel: Haben Sie selber schon mal bei Temu bestellt, um zu sparen?
Ich nicht. Aber ich habe Töchter im Teenager-Alter, die jetzt lernen, mit Geld umzugehen. Und die haben schon bei Billig-Anbietern aus Fernost bestellt. Was man sich halt leisten kann. Da gerät Nachhaltigkeit ins Hintertreffen.

Damit sind wir beim Thema Bioprodukte.
Eine Preissenkung bei Bioprodukten wäre möglich, denn die Bruttomargen sind bei einem Grossteil der Biolebensmittel deutlich höher als bei ihren konventionellen Pendants. Wir haben mit einigen Akteuren Kontakt aufgenommen und Vorschläge gemacht. Die wurden bislang ausgeschlagen.

Sie können einvernehmliche Regelungen umsetzen oder gar Preise per Verfügung festlegen. Wie oft kommt das vor?
Im letzten Jahr konnten wir neun einvernehmliche Regelungen treffen, unter anderem mit der Swisscom. Weitere sind zurzeit in Verhandlung. Nur in einem Fall, mit einem Zürcher Kehrrichtunternehmen, gab es eine Verfügung. Der Fall liegt jetzt beim Bundesgericht.

Schauen wir noch in die Zukunft: Kann Technologie auch Ihren Job vereinfachen?
Es wird für Konsumenten immer schwieriger, vernünftige Preisvergleiche zu machen. Ich hoffe, dass wir dank Einsatz von KI bald viel bessere Preisvergleichstools erhalten, die die Preistransparenz deutlich verbessern.

Zum Schluss gestatten Sie die Frage: Sie machen diesen Job seit 15 Jahren. Sind Sie noch nicht amtsmüde?
Keinesfalls. Ich habe den besten Job, den es gibt.

Sie sind Mitglied bei der Mitte, und zwei frühere Preisüberwacher – Leon Schlumpf und Joseph Deiss – avancierten zum Bundesrat. Dort könnten Sie auch Preise beeinflussen, etwa bei der Flugzeugbeschaffung. Haben Sie Ambitionen auf einen Bundesratsposten?
(Lacht.) Nein, das ist kein Thema.

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