Der Einmarsch der Russen in die Ukraine hat Europa wirtschaftlich hart getroffen. Seither gibt es für Wirtschaft und Bevölkerung eine grosse Konstante: Unsicherheit. Wie geht es mit den Energiepreisen weiter? Drohen Gas oder Strom Europa im nächsten Winter doch noch auszugehen? Stürzt die Weltwirtschaft in eine Rezession?
Diesen Fragen muss sich auch die robuste Schweizer Wirtschaft stellen. Blick fasst die wichtigsten Punkte zusammen.
Tiefer Einschnitt für Exportwirtschaft
Der Ukraine-Krieg hat zu immensen Produktionsausfällen geführt. Die Leistung der Weltwirtschaft sei dadurch um 1,6 Billionen Dollar tiefer ausgefallen, so das Ergebnis einer Studie des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft. Eine schwächelnde Weltwirtschaft trifft auch das Exportland Schweiz. Und im Einklang mit den Weltbörsen hat der Schweizer Leitindex SMI deutlich an Wert verloren.
Firmen leiden unter Lieferengpässen
Für Unternehmen hat sich die Verfügbarkeit von Rohstoffen, Materialien und Vorprodukten verschlechtert. Ein Problem, das der Wirtschaft seit der zweiten Hälfte der Corona-Pandemie zusetzt. «Der Krieg hat es aber noch mal verschärft», sagt Rudolf Minsch (56), Chefökonom des Wirtschaftsdachverbandes Economiesuisse. Trotz der Aufhebung der Null-Covid-Strategie in China funktionieren die Lieferketten weiterhin nicht reibungslos.
Hohe Energiepreise belasten Unternehmen
Die Preisexplosion bei Strom und Gas hat gerade Firmen mit einer energieintensiven Produktion durchgeschüttelt. In der Schweiz waren vor allem Industriebetriebe betroffen. Die Strompreise setzten Sägereien zu, aber auch Bäckereien, Hotels oder Bergbahnen litten darunter. Einige Bergbahnen mussten überteuerte neue Stromverträge abschliessen und deshalb ihre Preise erhöhen. Diese haben sich inzwischen wieder beruhigt, sind in Europa aber immer noch höher als in den USA oder China. Für Firmen verliert der Wirtschaftsstandort Europa an Attraktivität. Die Preise könnten im nächsten Winter erneut stark anziehen. Europa droht eine Strom- und Gasmangellage, da die Länder nun praktisch ohne russische Energie über die Runden kommen müssen.
Eine Branche scheffelt Rekordgewinne
Die Schweiz ist die Drehscheibe des internationalen Rohstoffhandels. Der verschwiegenen Branche weht seit Monaten ein rauer Wind entgegen. Denn bei Kriegsausbruch handelten Schweizer Firmen mit 80 Prozent der russischen Rohstoffexporte. Linke Politikerinnen und Politiker wollten dem einen Riegel schieben. Als Folge nahm das Handelsvolumen trotz steigenden Preisen kurzzeitig sogar ab. Die Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich rechnete im schlimmsten Fall gar mit einem schrumpfenden Schweizer Bruttoinlandproudukt (BIP), sollten grosse Handelsvolumen ins Ausland abwandern. Ende 2022 wiesen die Schweizer Rohstoffkonzerne wie Vitol oder Trafigura dann aber Rekordgewinne aus. Allein Glencore mit Sitz in Zug scheffelte 17 Milliarden Dollar. Die Branche erwirtschaftete 8,5 Prozent des BIP.
Das Loch im Portemonnaie der Bevölkerung
Bei der Bevölkerung hat sich der Krieg anfänglich vor allem an der Tankstelle bemerkbar gemacht: Ein Liter Bleifrei kostete im Januar 2022 noch 1,76 Franken und im Juni 50 Rappen mehr. Zurzeit steht der Preis wieder bei 1,77 Franken. In den letzten Monaten hat sich die Inflation auch bei den Lebensmittelpreisen merklich niedergeschlagen. Sie kosten im Schnitt 5,6 Prozent mehr als vor zwölf Monaten. In diesem Jahr schlagen die Energiepreise voll bei den Wohnnebenkosten ein. Für eine 4,5-Zimmer-Wohnung fallen diese im Schnitt etwa um 100 Franken pro Monat höher aus.