Eigentlich hat Roberto Cirillo (49) allen Grund zur Freude. Schweizer Haushalte bestellen so viel im Internet wie noch nie, seine Paketzentren sind ausgelastet wie noch nie. Gleichzeitig sind die Post-Angestellten an der Front am Anschlag. Man könne die pünktliche Zustellung nicht mehr garantieren, sagen Paketpöstler in Frauenfeld. Dem Post-Chef steht alles andere als eine besinnliche Adventszeit bevor.
BLICK: Herr Cirillo, Ihre Angestellten im Frauenfelder Paketzentrum drehen im roten Bereich. Hatten Sie den Personalengpass nicht auf dem Schirm?
Roberto Cirillo: Eins vorweg, ich habe grössten Respekt vor der Arbeit, die unsere Leute aktuell leisten. Sehen Sie, wir haben eine Einstellungskampagne für Frauenfeld am Laufen. Zudem hat der Standort keine Rekrutierungsobergrenze. Es dürfen folglich so viele Leute eingestellt werden, wie man braucht.
Warum droht dann die Lage zu eskalieren?
Wir haben einen riesigen Berg an Paketen zu bewältigen. Niemand konnte die Entwicklungen, die Corona mit sich brachte, vorhersagen. Momentan finden wir einfach nicht genügend Personal für eine Festeinstellung auf dem Markt.
Warum das denn, es sind doch so viele jetzt arbeitslos?
Man darf nicht vergessen, dass die Zustellung der Pakete nicht eine banale Angelegenheit ist.
Unsere Leute kennen die Regionen, sprechen unsere Sprache und sind auch körperlich belastbar. Zudem suchen wir Leute, die nachhaltig bei uns bleiben wollen.
Zusteller berichten von massivem Leistungsdruck. Sie lassen Pausen aus, verdrücken ihr Sandwich während der Fahrt zu den Haushalten. Birgt das nicht ein Sicherheitsrisiko?
Wir können uns keine Sicherheitsrisiken leisten und müssen uns an alle Massnahmen halten, um die Gesundheit unserer Mitarbeitenden zu schützen. Gleichzeitig steigen aber die Paketvolumen in einem Ausmass, das für uns einfach nicht vorhersehbar war.
Das ist keine Entschuldigung!
Das soll auch keine sein. Unsere Leute sollen ihre Pausen nehmen. Wir tun einiges, um die Arbeit planbar zu machen. Die Paketmengen sind nicht überall in der Schweiz gleich auf die Paketzentren verteilt. Darum stellen wir kurzfristig Temporärkräfte ein, um regionale Spitzen zu brechen.
Temporäre sind nur eine kurzfristige Lösung. Die Paketmengen werden nicht mehr zurückgehen, sondern weiter steigen. Sollte die Post nicht massiv mehr Feststellen schaffen?
Das tun wir doch. Wir haben seit Anfang Jahr über 400 feste Mitarbeitende schweizweit angestellt. Davon 30 neue Festangestellte allein in Frauenfeld. Wir haben 300 neue Fahrzeuge gemietet. Für die kommenden sechs Wochen haben wir 800 zusätzliche Mitarbeiter auf temporärer Basis eingestellt, damit wir die bevorstehende Paketflut bewältigen können.
Roberto Cirillo (49) ist seit April 2019 Chef der Post. Er kam in Zürich als Sohn italienischer Einwanderer zur Welt, verbrachte seine Jugend im Tessin und arbeitete unter anderem in den Niederlanden, China, Australien, Russland und der Türkei. Der Postchef besitzt die schweizerische und italienische Staatsbürgerschaft und ist verheiratet.
Roberto Cirillo (49) ist seit April 2019 Chef der Post. Er kam in Zürich als Sohn italienischer Einwanderer zur Welt, verbrachte seine Jugend im Tessin und arbeitete unter anderem in den Niederlanden, China, Australien, Russland und der Türkei. Der Postchef besitzt die schweizerische und italienische Staatsbürgerschaft und ist verheiratet.
Das wird aber kaum reichen.
Auch im kommenden Jahr werden wir die Zahl der Festangestellten weiter erhöhen – auch in Frauenfeld. Denn 2021 rechnen wir mit einem um ein Fünftel höheren Paketvolumen als während der Corona-Zeit.
Fallen Zusteller wegen permanentem Leistungsdruck aus, kommen Pakete nicht mehr fristgerecht in den Haushalten an. Warnt die Post deshalb bereits auf ihrer Webseite?
Wir müssen allein in dieser Black-Friday-Woche rund 750'000 zusätzliche Pakete verarbeiten. Insgesamt werden es diese Woche rund 4,75 Millionen Pakete sein. Letzte Woche waren es knapp unter 4 Millionen. Wöchentlich bis zum Jahresende rechnen wir mit 5,5 Millionen Paketen, die wir bewältigen müssen. Das ist eine unerhörte Dynamik. So eine Paketflut hat es noch nie in der Geschichte der Schweiz geben. Das stellt uns vor sehr grosse Herausforderungen, und deshalb kann es punktuell zu Verzögerungen kommen. Wir sind da transparent.
Sie haben kürzlich in Untervaz GR ein neues Brief- und Paketzentrum eröffnet. Braucht es nicht noch viel mehr davon, um die Logistik in den Griff zu bekommen?
Wir brauchen weitere Paketzentren. Das haben wir in unserer Strategie für die nächsten Jahre bis 2030 festgehalten. Wir investieren über eine Milliarde Franken in die Logistik und damit auch in neue Paketzentren, um die wachsenden Paketvolumen bewältigen zu können. Zudem werden mit dem Geld bestehende Zentren, die in die Jahre gekommen sind, modernisiert.
Es heisst, Sie haben bereits Pläne für vier neue Paketzentren in der Schublade?
Das ist richtig. Diese vier Paketzentren planen wir in den nächsten paar Jahren im Nordosten der Schweiz, also zwischen Zürich und St. Gallen und im Luzernischen. Das werden topmoderne Zentren sein. Darüber hinaus entstehen bis 2030 schweizweit weitere Sortierzentren.
Haben Sie dafür genug Geld?
Diese Milliarde finanzieren wir mit selbst erwirtschafteten Mitteln und dem Gewinn der Post.
Der Päcklirekord vom Vorjahr wird 2020 pulverisiert. Um einen Logistik-Kollaps zu vermeiden und damit die Weihnachtsgeschenke rechtzeitig in die Haushalte kommen, investieren die Post und ihre Rivalen wie DPD, UPS oder DHL derzeit in zusätzliche Fahrzeuge und engagieren fleissig Temporärkräfte. Die Corona-Krise erschwert die Arbeitsbedingungen zusätzlich. In den Paketzentren herrscht Maskenpflicht. Auch die Paketboten müssen Mundschutz tragen. Gleichzeitig steigt die Paketflut. Schon während der ersten Welle im Frühling haben sich so viele Menschen in Onlineshops mit Kleidung oder Elektroartikeln eingedeckt wie noch nie. In den kommenden Wochen sind die Logistiker noch mehr gefordert. Bis zum Ende des Jahres rechnet die Post mit 5,5 Millionen Paketen – pro Woche. Erkannt ist: Die Sortierlogistik ist das entscheidende Nadelöhr. Laut Post ist man besser als im Frühjahr auf die Paketflut vorbereitet. Patrik Berger
Der Päcklirekord vom Vorjahr wird 2020 pulverisiert. Um einen Logistik-Kollaps zu vermeiden und damit die Weihnachtsgeschenke rechtzeitig in die Haushalte kommen, investieren die Post und ihre Rivalen wie DPD, UPS oder DHL derzeit in zusätzliche Fahrzeuge und engagieren fleissig Temporärkräfte. Die Corona-Krise erschwert die Arbeitsbedingungen zusätzlich. In den Paketzentren herrscht Maskenpflicht. Auch die Paketboten müssen Mundschutz tragen. Gleichzeitig steigt die Paketflut. Schon während der ersten Welle im Frühling haben sich so viele Menschen in Onlineshops mit Kleidung oder Elektroartikeln eingedeckt wie noch nie. In den kommenden Wochen sind die Logistiker noch mehr gefordert. Bis zum Ende des Jahres rechnet die Post mit 5,5 Millionen Paketen – pro Woche. Erkannt ist: Die Sortierlogistik ist das entscheidende Nadelöhr. Laut Post ist man besser als im Frühjahr auf die Paketflut vorbereitet. Patrik Berger