Clever Fit ist Discount-Power. Der Aldi der Fitnessszene. Mehr als 400 Studios sind über ganz Europa verteilt. Seit 2017 ist die Kette auch in der Schweiz, 15 Ableger gibt es hierzulande. Sie sind von weitem sichtbar, das Logo und die Scheinwerfer strahlen in knalligem Rot.
Aber auch die Bücher sind tiefrot. Das zeigen Recherchen von BLICK. Die Firma hinter Clever Fit hat noch nie Gewinn geschrieben. Schlimmer noch: Hinter der strahlenden Fassade, kam es in den letzten Jahren wiederholt zu Machtkämpfen im Aktionariat, zu Betreibungen, Pfändungen und Konkursandrohungen.
Die Recherchen stützen sich auf Gespräche mit ehemaligen und aktuellen Aktionären und drei Auszügen aus dem Betreibungsregister. BLICK sprach ausserdem mit einem halben Dutzend Handwerkern, die beim Ausbau der Schweizer Studios dabei waren. Sie warten zum Teil immer noch auf ihr Geld.
Steuerschulden bei Clever Fit
Für das Chaos verantwortlich ist die am Bodensee beheimatete Clever Sports AG. Ursprünglich zählte die Gesellschaft drei Aktionäre, mittlerweile gehören über 99 Prozent der Aktien zum Universum des Ostschweizer Unternehmers Patrick Manser (48). Der Appenzeller fuhr Anfang Jahr seine Baufirma an die Wand. Knapp 40 Personen verloren ihre Stelle, er selbst kassierte eine Strafanzeige.
Manser startete 2017 mit einem Aktienpaket von 50 Prozent. Kurz nach der Eröffnung des ersten Studios stockte er auf 75 Prozent auf. Anfang Jahr weitete er schliesslich die Kontrolle aus. Er ist Exklusivpartner. Nur seine Clever Sports AG darf in der Schweiz Studios unter der Marke Clever Fit betreiben. Sie hat innert drei Jahren knapp 200 Jobs geschaffen.
Doch auch Betreibungen gehören zum Geschäftsalltag: Zu den Gläubigern zählen Immobilienfirmen, Bodenleger, Elektriker, Schreiner und Reinigungsunternehmen. Selbst die öffentliche Hand sah sich gezwungen, einen Zahlungsbefehl zu schicken. Die Eidgenössische Steuerverwaltung hat eine Betreibung über 90’000 Franken eingeleitet. Die Ausgleichskasse des Kantons Berns, die Sozialversicherungsanstalt des Kantons Zürich und das Steueramt in Arbon mussten ihre Forderung ebenfalls eintreiben lassen.
«Unordnung» in der Buchhaltung
BLICK hat Manser mit der Situation konfrontiert. Der Unternehmer gibt zu, dass es «etwas Unordnung» in der Buchhaltung gegeben habe, «was dazu führte, dass gewisse Rechnungen verloren gingen». Diese Unordnung sei behoben. Alle Ausstände gegenüber der öffentlichen Hand seien beglichen.
Offen seien aber nach wie vor diverse Forderungen einiger Handwerker. Manser habe die Auszahlungen «bewusst» zurückgehalten. Der Unternehmer spricht davon, dass versucht worden sei, ihn «über den Tisch» zu ziehen.
Ganz anders ist die Darstellung der Handwerker. Sie berichten übereinstimmend, dass Rechnungen, wenn überhaupt, erst nach mehrfachem Anmahnen beglichen wurden – und auch dann oft nur mangelhaft. In mindestens zwei Fällen soll Manser vermeintliche Belege für eine Überweisung verschickt haben. Das Geld kam aber nie an.
Studio-Eröffnung ohne Licht
Wieder und wieder eskalierte die Situation, sagen die Handwerker. Die Expansion der Clever-Fit-Kette sei so zum Juristenfutter verkommen. Das eindrücklichste Beispiel: Der Generalunternehmer für den Ausbau der Studios in Opfikon ZH und in Muri bei Bern musste sein Pfandrecht gleich doppelt ausüben. Das heisst, das Grundstück des Fitnessstudios wurde gepfändet, um der offenen Schuld im sechsstelligen Bereich gerecht zu werden.
Der geprellte Generalunternehmer sollte eigentlich auch für den Ausbau eines Clever-Fit-Studios in Basel berücksichtigt werden. Manser hat den Auftrag aber kurzerhand wieder storniert, was nun erneut die Gerichte beschäftigen wird. Der Generalunternehmer droht mit einer Klage. Er macht einen Schaden von über 100’000 Franken geltend.
Das Chaos erreichte nach Aussagen diverser Handwerker einen kuriosen Höhepunkt, als Clever Fit in Regensdorf ZH einen Ableger eröffnete. Die Party am ersten Tag fand im Dunklen statt. Es gab kein Licht. Der Elektriker hatte den Saft abgedreht, weil er auf offenen Rechnungen sass. Manser weilte derweil auf der spanischen Partyinsel Mallorca.
«Überforderte» Organisation
«Das Problem mit dem Licht hatte in erster Linie mit von Dritten verursachten Bauproblemen zu tun», sagt Manser. Er bezeichnet die Darstellungen als «boshaft». Die Geschäftsleitung habe damals allgemein «nicht geglänzt». Manser habe schliesslich «alles Erforderliche» unternommen, um die Mängel zu beheben. «Längst läuft Regensdorf bestens.»
Die anderen Vorwürfe bestätigt er zum Teil. Es sei tatsächlich «vereinzelt» vorgekommen, dass eine Zahlung angekündigt, aber nie vorgenommen wurde. Und im Streit mit dem Generalunternehmer spielt er den Ball zurück. Dieser habe «sehr schlechte» Arbeit geleistet.
Manser gibt auch zu: «Uns sind leider Fehler passiert.» Das Wachstum habe die Organisation «überfordert». Nun soll es aber besser werden. «Den Lockdown und die Sommerferien haben wir genutzt, um uns organisatorisch gezielt zu verstärken.» Ein Kundendienst sei aufgesetzt, die Businessplanung für die nächsten Jahre gemacht. Der Appenzeller will mit Clever Fit weiterwachsen.