Philipp Plein (44) hat seinen Ferrari SF 90 (Wert ca. 1 Million Franken) keinen Meter vor dem Eingang parkiert. Aus Bequemlichkeit? Der «King of Bling» der Fashion-Industrie will wohl vielmehr allen, die am Hauptsitz seines Mode-Imperiums in Lugano TI ankommen, zeigen, dass er es geschafft hat.
Pleins Mode wurde lange belächelt: zu protzig, zu glitzerig, zu plump. Sein Erfolg hat den Spott nach und nach verstummen lassen. Cristiano Ronaldo (37) trägt seine Mode ebenso wie Paris Hilton (41), Beyoncé (41) und Nicki Minaj (39).
«Besiege deine Gegner mit Erfolg», steht in silbernen Lettern in einem Konferenzraum im vierten Stock. Auf Englisch natürlich. Pleins Unternehmen steuert in diesem Jahr auf 210 Millionen Franken Umsatz zu. Nächstes Jahr sollen es bereits 250 Millionen Franken werden. Er ist aktuell der mit Abstand erfolgreichste deutsche Modeschöpfer.
Designer im Thurgau
«Mein Unternehmen ist mehr schweizerisch als deutsch», korrigiert Plein – schlichter schwarzer Anzug (aus der eigenen Kollektion, versteht sich), ergrauendes Haar, Dreitagebart. Als Jugendlicher besuchte der gebürtige Münchner die Schule Schloss Salem, ein Internat in Überlingen auf der deutschen Bodenseeseite. Der Vater eines Schulfreundes hatte eine Firma in Kreuzlingen TG. «Er hat mir gesagt, wenn ich jemals eine Firma habe, solle ich in die Schweiz ziehen, weil es das unternehmerfreundlichste Land ist.»
Plein folgte dem Rat und zog vor 18 Jahren samt Firmensitz nach Amriswil TG. Damals war Philipp Plein ein winziges Start-up mit vier Angestellten. Doch als das Modebusiness wuchs und Plein neue kreative Köpfe brauchte, wurde das ländliche Umfeld zum Problem. «Designer studieren in Paris oder London – die wollen nicht in den Thurgau ziehen», erzählt er. Vor 10 Jahren daher der Umzug ins Tessin. «Hier sind wir näher an der Modeindustrie in Mailand.»
Kampfansage an Nike und Co.
Für eine Plein-Lederjacke mit aufgesticktem Totenkopf – sein Markenzeichen – werden 5000 Franken fällig. Bei ausgefalleneren Stücken, etwa aus Schlangenleder, wird der Preis gerne einmal fünfstellig. Plein, der Bad Boy des Modegeschäfts, ist im Luxussegment zu Hause. Seine Millionen macht er längst nicht mehr nur mit Klamotten: Er designt Möbel, Uhren, Brillen, Parfums.
Und selbst das reicht dem umtriebigen Wahltessiner nicht mehr. Mit Plein Sport lanciert er gerade eine neue Marke, die für die breite Masse erschwinglich sein soll. «Sportbekleidung ist ein Multi-Milliarden-Geschäft, das bisher von wenigen Brands bestimmt wird», rechnet Plein vor. 300 Läden will er innerhalb der nächsten drei Jahre eröffnen. Eine Kampfansage an Nike und Co. Sie vom Thron zu stossen, ist aber gar nicht das Ziel. «In diesem Kampf sind wir David, nicht Goliath.»
Pelz und Krokodilleder
Pleins Mode polarisiert. Während andere auf Nachhaltigkeit und vegane Materialien setzen, verkauft er Pelzmäntel und Krokodillederjacken. Er bestickt seine Klamotten mit Swarowski-Steinen und seine Damen-Handtaschen mit Schlagworten wie «Cash», «Bitch» oder seinem eigenen Namen: «Plein».
«Die Leute lieben oder hassen meine Mode», gibt Plein zu, es stört ihn nicht im Geringsten. Seine neue Marke für Sportbekleidung soll nun aber massentauglich werden. «Die Kleidung ist vegan, dazu hat mich meine Freundin inspiriert, sie ernährt sich vegan», erzählt Plein stolz. Er spricht auffällig oft über seine Familie. Er und Lucia Bartoli (29), Model und Influencerin, haben im Frühling einen Sohn bekommen, sein Name ist mindestens so ausgefallen wie der Stil des Vaters: Rocket Halo Ocean.
Das Glamour-Paar zeigt sich auf Instagram gerne im Privatjet zwischen Lugano, New York und Los Angeles. Und wo ist Philipp Plein zu Hause? «In der Firma», antwortet er lachend. Und die steht in Lugano. «Es ist das Paradies hier: der See, die Berge – und die Steuern», gibt er unumwunden zu.
Covid kostete ihn 110 Millionen Franken
Die «Bilanz» schätzt Pleins Vermögen auf 200 bis 250 Millionen Franken und zählt ihn damit zu den 300 Reichsten in der Schweiz.
Dass die Geschäfte derart rund laufen, ist nicht selbstverständlich: Die Pandemie traf Plein hart, der Umsatz sackte innert eines Jahres von 240 auf 130 Millionen Franken ab. «Im ersten Moment dachte ich: Jetzt habe ich die Firma verloren.»
Kommt noch der Ukraine-Krieg obendrauf: Russland machte vor Kriegsausbruch bis zu 7 Prozent des Umsatzes aus. Das fällt jetzt weg. Immerhin muss Plein die Inflation wenig kümmern: Wer 5000 Franken für eine Lederjacke bezahlt, kann auch noch 10 Prozent obendrauf legen, die Kundschaft ist kaum preissensibel.
1 Teletubby für 1 Million
Während des Fotoshootings ertönt ein Gong. «Habt ihr das gehört? Den Gong läuten wir immer dann, wenn wir eine halbe Million Umsatz im Online-Shop erreichen», erklärt er. Der Gong läutet mehrmals pro Woche. «Wenn die Million voll ist, kommen die Angestellten in Teletubby-Kostümen raus!»
In seinem Onlineshop akzeptiert Plein neben Franken, Euro und Co. auch 24 unterschiedliche Kryptowährungen. «Zuerst war das nur ein PR-Gag», gibt er zu. «Aber heute bezahlen tatsächlich schon mehrere Hundert Menschen bei uns mit Kryptos.» Den jüngsten Einbruch am Krypto-Markt nimmt er gelassen. Die Kurse im Onlineshop werden in Echtzeit berechnet – ist der Bitcoin weniger wert, müssen seine Kunden eben mehr hinblättern.
Pleins Krypto-Begeisterung – er war einer der ersten in der Modewelt, die auf den Zug aufsprangen – ist sinnbildlich: Der Unternehmer sprudelt nur so vor Ideen. Passend, dass er spricht wie ein Wasserfall.
Dass er wenig darauf gibt, was andere von ihm halten, stellt er ganz am Ende des Besuchs von Blick unter Beweis: «Hol dir unten ruhig ein Paar Sportschuhe aus unserer neuen Kollektion ab!», fordert er den Fotografen auf. Es ist ein wenig subtiler Hinweis auf dessen abgewetzte Nikes. Man lehnt höflich, aber dankend ab.