«Wir wollen so schnell wie möglich keine Zigaretten mehr produzieren!» Dieser Satz von André Calantzopoulos (67), damals CEO von Philip Morris International (PMI), sorgte 2016 im Neuenburger Industriequartier Serrières für ein kleines Beben. Auf dem früheren Fabrikareal der Schweizer Traditions-Zigarettenmarke Brunette betreibt PMI seit 1964 eine wichtige Produktions- und Entwicklungsstätte für ihre Tabakprodukte.
Wie soll das weitergehen? Kommt es zu Entlassungen? Verliert der Kanton Neuenburg einen seiner wichtigsten Arbeitgeber?
Eine Firma erfindet sich neu
Acht Jahre später: Die Zigarettenfabrik existiert immer noch. Doch prägend für das Industrieareal ist längst das würfelförmige Forschungs- und Entwicklungszentrum, kurz «R&D Cube» genannt. Beim drittgrössten Arbeitgeber des Kantons sind 900 der insgesamt 1500 Mitarbeitenden tätig.
Einer davon: Johannes Pijnenburg (53). Der gebürtige Niederländer ist seit fast drei Jahrzehnten in der Firma, begann in einem Team mit 35 Personen. Er hat als Analytiker und Forscher wesentlich zur Entwicklung des Tabakerhitzers Iqos beigetragen. Das ist das neue Hauptprodukt von Philip Morris. Es soll den Wandel weg von der herkömmlichen Zigi befeuern. Dabei werden Tabaksticks in einem elektrischen Gerät erhitzt und als Aerosol konsumiert. Im Gegensatz zu E-Zigaretten wird keine Flüssigkeit verdampft.
Meist arbeitet Pijnenburg mit weissem Kittel im Labor. Enthusiastisch erklärt er Blick, wie viel Forschung in den Tabaksticks des neuen Systems steckt. Laut dem gelernten Lebensmittelwissenschaftler wird der Tabak für die Sticks hauchdünn aufgerollt, es braucht spezielle Batterien für den elektronischen Erhitzer und, und, und. Pijnenburg ist kaum zu bremsen. Auf sein Konto gehen Dutzende Patente, die er jedes Jahr anmeldet.
Mit Hilfe von lokalen KMU
Als der Firmenwandel vor über 10 Jahren begann, fehlte es an ausreichend Know-how. PMI musste sich im Austausch mit lokalen KMU aus der Region das Wissen aneignen. Uhrmacher, Elektriker, Chemiker aus dem Jurabogen – sie alle halfen also mit in der Entwicklung des neuen Tabakerhitzer-Systems.
Bereits in den 90er-Jahren lancierte PMI die «Heatbar», eine Vorläuferin von Iqos. Mit wenig Erfolg: «Die Zeit war dafür noch nicht reif», analysiert der gelernte Ingenieur Jean-Claude Schneider (57), der seit 1990 bei PMI tätig ist.
Weniger Fabrik, mehr Forschung
Doch während Konkurrenten auf neuartige Filter oder spezielle Designs bei Zigarettenpäckchen setzen, hält PMI an der Vision des rauchfreien Tabaks fest.
Heute sind in Neuenburg primär Elektroniker, Systemarchitekten, Designer, Ingenieure oder Mathematiker beschäftigt. Die herkömmliche Zigarettenproduktion gibt es schon noch. An die 400 Fabrikangestellten produzieren aber darüber hinaus auch noch Tabaksticks.
«Wir haben neue Berufe im selben Unternehmen geschaffen», sagt Schneider. Nur die elektronischen Geräte werden in Asien hergestellt. In den gläsernen Büros direkt am Neuenburgersee wird derweil an weiteren Innovationen Made in Switzerland für neue Formen des Tabakkonsums geforscht.