Phänomen Veiga, Problem Mbappé und wie weiter mit den Saudis?
Die grosse Analyse des Transfer-Sommers

Im Sommer herrscht im Fussball ein immer grösserer Transfer-Rummel. Jetzt ist das Fenster für Spielerwechsel auch in der Schweiz zu. Blick hat den Spielertausch-Dschungel durchkämmt und stellt dir die fünf spannendsten Erkenntnisse vor.
Publiziert: 10.09.2024 um 17:18 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2024 um 15:50 Uhr
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In England sitzt das Geld für neue Spieler besonders locker.
Foto: Manchester United via Getty Images

Auf einen Blick

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Michael HotzRedaktor Wirtschaft

Im globalen Fussballgeschäft regiert schon lange das grosse Geld. Das wird jeweils im Sommer besonders ersichtlich, wenn sich die Klubs mit Spielern für die neue Saison eindecken. Wie irre das Dealen mit Fussballern mittlerweile geworden ist, beweist der neuste Transferbericht des Weltfussballverbandes Fifa zum diesjährigen Sommerfenster.

Die Fussballklubs haben zwischen dem 1. Juni und dem 2. September weltweit fast 11'000 Transfers getätigt – neuer Rekord. Auch die Summe, die damit einhergeht, ist atemberaubend: Umgerechnet 5,504 Milliarden Franken gaben die Klubs für neue Spieler aus. Nur im letzten Sommer war die Summe mit 6,33 Milliarden Franken noch höher. Was hat sich in diesem Transfer-Sommer im Vergleich zu 2023 verändert? Und welche Entwicklungen sind festzustellen? Blick liefert dir fünf Erkenntnisse.

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Beispiel Renato Veiga – es zählt das Potenzial

Ein Transfer ist auch immer eine Wette: Kann der Wunschspieler das einlösen, was sein neuer Arbeitgeber und dessen Fans sich von ihm versprechen? Mittlerweile gehen die Klubs beim Zocken mehr Risiko ein. «Klubs investieren immer mehr in Potenziale und Weiterverkaufswerte und weniger in aktuelle sportliche Leistungen», konstatiert Christian Lang, Leiter Sportmanagement an der Universität St. Gallen.

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Ein Paradebeispiel dieser Entwicklung: Renato Veiga (21). Der portugiesische Mittelfeldakteur wechselte im Sommer vom FC Basel zum FC Chelsea – für 14 Millionen Franken. Beim FCB hatte Veiga eine schwierige Saison hinter sich – neben lustlosen Auftritten liess er sein Talent aber zeitweise auch aufblitzen. Ein herausragender Spieler in der Schweizer Liga war er jedoch nicht. «Vor zehn Jahren hätte das gegeben sein müssen, damit ein Spieler für einen zweistelligen Millionenbetrag von Basel in die Premier League wechselt», sagt Lang. Jetzt reicht bereits das Potenzial.

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Multi-Club-Ownership macht Transfers schwieriger

Es ist wohl der Mega-Trend des modernen Fussballs: das sogenannte Multi-Club-Ownership-Modell – also Investorengebilde, die mehrere Klubs besitzen. Dazu gehört etwa das Red-Bull-Imperium mit Vereinen in Leipzig, Salzburg, New York und im brasilianischen Bragança Paulista. Auch aus der Schweiz gibt es mit Lugano, GC und Lausanne drei Beispiele in der höchsten Liga. «Für viele Vereine ist es schwierig, an gewisse Spieler heranzukommen, da diese bereits im Kreislauf eines Multi-Club-Ownership-Konstrukts sind», konstatiert Lang.

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Im Brausegetränk-Gebilde profitierte RB Leipzig schon mehrfach von Spielern, die von Red Bull Salzburg über die Grenze nach Ostdeutschland zu Leipzig wechselten. Ein weiteres Beispiel ist der FC Girona, die spanische Überraschungsmannschaft der letzten Saison. Der Dritte der abgelaufenen La-Liga-Spielzeit gehört teilweise der City Football Group. Hinter diesem mit Geldern aus den Vereinigten Arabischen Emiraten gefütterten Fussball-Universum steht als Aushängeschild der englische Serienmeister Manchester City.

Zwar fand bei Girona durchaus ein gewisser Ausverkauf statt. Der 24-Tore-Stürmer Artem Dovbyk (27) wechselte zur AS Roma. Und der Mittelfeldmotor Aleix García (27) spielt neu für Bayer Leverkusen. Doch das grösste Juwel, der brasilianische Flügelspieler Savinho (20), fand im Sommer den Weg nach England – zu Manchester City. Hinzu kommt beim jungen Brasilianer, dass er gar nicht Girona gehörte, sondern von Troyes ausgeliehen war – dem französischen Klub der City Football Group, für den Savinho aber nie spielte.

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Die Saudis sind noch da

Vereinzelt wird bereits zum Abgesang auf die Saudi Pro League angestimmt. Die 18 saudischen Klubs haben in diesem Sommer nur noch halb so viel für neue Spieler ausgegeben. Zudem haben einige Topstars, die 2023 in die Wüste gewechselt sind, ihre Zelte dort bereits wieder abgebrochen. Prominente Beispiele sind etwa der frühere englische Internationale Jordan Henderson (34), der aktuell bei Ajax Amsterdam unter Vertrag steht, oder der Schweiz-Kroate und Ex-Barcelona-Star Ivan Rakitić (36), der die Wüste im Juli nach nur einem halben Jahr wieder verliess.

Aber: Auch im aktuellen Transfer-Sommer haben die Scheichs ordentlich mit ihren Geldbeuteln gewedelt. So weist die Saudi Pro League nach der Premier League die zweithöchsten Nettoausgaben aus. Nach Abzug der Transfereinnahmen bleiben unter dem Strich 350 Millionen Franken an Mehrausgaben.

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Entsprechend glaubt auch Sportökonom Lang nicht an einen baldigen Saudi-Exodus: «Ich würde nicht sagen, dass der Hype vorbei ist. Aber es wirkt ein wenig strukturierter. Noch vor einem Jahr haben die saudischen Teams ziemlich strategielos alles eingekauft, was ging.» Angesichts der Weltmeisterschaft 2034, die mit allergrösster Wahrscheinlichkeit in Saudi-Arabien stattfinden wird, ist also nicht damit zu rechnen, dass die Herrscher des Wüstenstaats ihr Fussball-Engagement abrupt beenden werden, wie das etwa in China passiert ist. Davon zeugt auch, dass der saudische Staatsfonds PIF Mitte Juli einen weiteren Klub aus der eigenen Liga in sein Imperium aufgenommen hat. Damit gehören ihm bereits fünf Vereine – unter anderem Al-Nassr, wo Superstar Cristiano Ronaldo (39) spielt. 

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England ist und bleibt der Geldesel

Die Premier League ist das Mass aller Dinge im internationalen Fussball – insbesondere bei den finanziellen Möglichkeiten. 2,2 Milliarden Franken haben die 20 Klubs der höchsten Liga Englands laut der Plattform Transfermarkt in neue Spieler investiert. Zum Vergleich: Die italienische Serie A, die Liga mit den zweithöchsten Ausgaben, kommt mit 942,3 Millionen Franken nicht einmal auf die Hälfte.

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Wie locker das Geld auf der Insel im Generellen sitzt, zeigt dieser Fakt: Die Gesamtausgaben der League One übersteigen mit 41,4 Millionen Franken jene der Super League (20,6 Millionen Franken) um mehr als das Doppelte. Selbst in der dritthöchsten Spielklasse Englands sind Investoren mit gut gefülltem Portemonnaie und grossen Ambitionen unterwegs. Fast alleine für den Exzess verantwortlich: Birmingham City und dessen Besitzer Thomas Wagner. Der US-amerikanische Hedgefonds-Manager hat 32,4 Millionen Franken für neue Spieler lockergemacht, um den Jugendklub von Real-Star Jude Bellingham (21) zum angestrebten Aufstieg zu führen.

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Im Vergleich zum Vorjahr haben die Premier-League-Klubs in der höchsten englischen Liga zusammengenommen zwar 440 Millionen Franken weniger für Transfers ausgegeben. Die neuen Finanzregeln namens PSR, die die Liga im Frühling eingeführt hat, zwingen einzelne Klubs zur Reduktion ihrer Kosten. Und doch wird die Premier League das Nonplusultra bleiben, wie Lang prognostiziert. «Es ist mit Abstand die athletischste Liga mit den schnellsten und besten Spielern. Und das wird weiterhin so sein, weil sich die Klubs der Premier League auch in Zukunft aufgrund der finanziellen Möglichkeiten aus dem höchsten Regal mit den besten Spielern bedienen können.» 

Sportökonom Lang geht auch davon aus, dass die finanzielle Kluft zwischen der Premier League und dem Rest noch weiter aufgehen wird – unter anderem wegen der TV-Gelder, des grössten Honigtopfs im Fussballgeschäft. Ein im Dezember 2023 finalisierter TV-Vertrag spült den englischen Klubs ab 2025 fast 2 Milliarden Euro in die Kassen – pro Saison! Die französische Ligue 1 hingegen verkaufte Mitte Juli ihre Übertragungsrechte für 500 Millionen Euro, also für viermal weniger. «Das führt dann dazu, dass die besten Spieler der französischen Liga noch schneller nach England transferiert werden, da dort ganz andere finanzielle Mittel vorhanden sind», so Lang.

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Fall Mbappé – das Problem der Handgelder

Es ist eigentlich der Mega-Transfer dieses Sommers: Der Wechsel Kylian Mbappés (25) von Paris Saint-Germain zu Real Madrid. Nur: Der französische Meister kassierte keinen Cent für seinen einstigen Star, denn der Stürmer verliess Paris nach Vertragsablauf.

Mbappé steht damit für eine neuere Entwicklung. Die Topstars ihrer Klubs nutzen ihre Macht immer mehr aus. Bekommen sie nicht, was sie fordern, lassen sie ihren Vertrag auslaufen – und gehen zur Konkurrenz. Der aufnehmende Klub spart dann die Ablösesumme, muss dafür beim Gehalt und dem zusätzlichen Handgeld für Spieler und Berater ordentlich in die Tasche greifen. Im Fall von Mbappé: ein Jahresgehalt von 15 Millionen Euro plus ein Handgeld von 150 Millionen Euro.

Dieser Zustupf für die Unterschrift unter einem neuen Vertrag wird laut Lang immer mehr zum Problem. «Denn die Handgelder gehen an Privatpersonen – sprich: an Spieler und Berater – und nicht an einen Verein. Somit wird das Geld dem Fussballmarkt entzogen.» Und in diesem Markt mischen eben nicht nur steinreiche Mega-Klubs mit, sondern auch solche, die auf die Transfererlöse angewiesen sind – zum Beispiel jene aus der Super League.

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