Petition fordert Cassis und Migros zum Handeln auf
Über Socar fliessen Milliarden in Aserbaidschans Kriegskasse

Aserbaidschan ist Armenien im Konflikt um Bergkarabach haushoch überlegen – dank des Verkaufs von Öl und Gas. Auch aus dem Schweizer Detailhandel gibts einen Zustupf für die Kriegskasse. Eine Petition der EDU will dies nun ändern.
Publiziert: 03.10.2023 um 20:02 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2023 um 09:36 Uhr
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Die Migros ist über 75 Tankstellenshop mit dem staatlichen aserbaidschanischen Ölkonzern Socar verbandelt.
Foto: Keystone
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Sarah FrattaroliStv. Wirtschaftschefin

Die Tankfüllung gibts für 100 Franken, den Zvieri im Tankstellen-Shop nebenan für 5 Franken. Das Geld wandert direkt in die Staatskasse Aserbaidschans – und finanziert damit den Konflikt um die Südkaukasusregion Bergkarabach mit. Zumindest dann, wenn man bei Socar tankt und im Migrolino-Tankstellenshop einkauft.

Nach der Rückeroberung von Bergkarabach durch Aserbaidschan und der Flucht von 100'000 armenischen Bewohnern sorgt die Zusammenarbeit zwischen Migros und Socar, dem staatlichen Energiekonzern Aserbaidschans, einmal mehr für Kritik. Die EDU hat am Dienstag eine Online-Petition lanciert: «Bundesrat Cassis und Migros, handeln Sie!»

Rund 200 Tankstellen betreibt Socar in der Schweiz, 75 davon mit Migrolino-Shop. Was den wenigsten bei ihrem Einkauf beim Tanken bewusst ist: Auf den Shops steht zwar Migrolino, in den Regalen gibts Migrolino-Produkte – doch betrieben werden die Geschäfte mittels Franchising-Vertrag direkt von Socar. Auch die Einnahmen wandern damit nicht zur Migros – sondern eben nach Aserbaidschan.

«Migros versteckt sich»

«Mich überrascht, dass man der Migros dabei schon so lange untätig zuschaut», meint der Berner EDU-Nationalrat Andreas Gafner (52). Er fordert die Migros dazu auf, die Zusammenarbeit mit Socar zu beenden, um sich nicht länger zur «Komplizin» zu machen.

Von Blick auf die Petition angesprochen, betont die Migros, sie bedauere die aktuellen Entwicklungen in Bergkarabach. Man orientiere sich an der Haltung des Bundesrats – und dieser habe keine Sanktionen gegen Aserbaidschan erlassen. «Die Migros versteckt sich hinter dem Bundesrat», kritisiert Gafner.

Sanktionen sind keine Option

Tatsächlich sind keine Sanktionen in Kraft. Diese kann die Schweiz in Eigenregie auch gar nicht erlassen, wenn nicht die Uno, die EU oder die OSZE vorlegen. Die neue Petition wendet sich neben der Migros denn auch an Aussenminister Ignazio Cassis (62). «Er muss im Uno-Sicherheitsrat das Wort ergreifen und den Übergriff anprangern», fordert Gafner.

Das Aussendepartement EDA schreibt auf Anfrage, man habe die Petition zur Kenntnis genommen – und setze sich sehr wohl für die armenische Bevölkerung aus Bergkarabach ein. Die Schweiz habe zur Vermittlung zwischen Armenien und Aserbaidschan ihre guten Dienste angeboten und ihre «tiefe Besorgnis» über den Konflikt auch im Uno-Sicherheitsrat kundgetan.

Milliarden aus dem Ölgeschäft

Knapp 1000 Unterschriften hat die Petition in den ersten Stunden seit ihrer Lancierung gesammelt. Gesamthaft sollen es 10'000 werden. So oder so sind die Aussichten auf Erfolg gering: Bereits vergangenen November forderte eine Petition verschiedener Nichtregierungsorganisationen und politischer Parteien die Migros dazu auf, ihre Zusammenarbeit mit Socar zu überdenken. Über 6000 Personen unterschrieben das Anliegen, es kam zu einer Aussprache zwischen Petitionären und Migros – ohne nennenswerten Erfolg.

Und selbst wenn die Migros ihre Zusammenarbeit mit Socar beenden würde: Viel entscheidender als die Einnahmen aus den Migrolino-Standorten ist für das Regime in Aserbaidschan das Rohstoffgeschäft – und auch dieses läuft zum grössten Teil über die Schweiz. Socar betreibt Tochterfirmen in Zürich und Genf. Umgerechnet 42 Milliarden Franken an Einnahmen erzielte Socar im vergangenen Jahr laut Finanzbericht via Schweiz – das entspricht mehr als der Hälfte des Gesamtumsatzes des staatlichen Ölkonzerns. Daneben wirken die Umsätze aus dem Kaffee- und Gipfeli-Verkauf in den Migrolino-Tankstellenshops wie ein Klacks.

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