Migrolino gleich Migros? Nicht zwingend. Das Tochterunternehmen der Migros arbeitet mit Socar, der staatlichen Ölgesellschaft Aserbaidschans, zusammen. In der Schweiz gibt es 200 Socar-Tankstellen. 60 davon mit Migrolino-Tankstellenshop. Nur: Migrolino betreibt diese Shops gar nicht. Sie werden zwar mit Migrolino-Produkten beliefert, an den Läden prangt das Migrolino-Logo. Die Angestellten aber stehen im Sold von Socar. Ein sogenannter Franchising-Vertrag. Der Gewinn aus dem Gipfeli-Verkauf an der Tankstelle wandert zu Socar. Will heissen: nach Aserbaidschan.
Die Partnerschaft zwischen Migros und Socar besteht seit zehn Jahren – und sorgt immer wieder für Kritik. Ende 2022 erreichte sie einen neuen Höhepunkt: Die Gesellschaft Schweiz-Armenien (GSA) lancierte eine Petition mit der Forderung: Die Migros soll die Partnerschaft mit Socar beenden.
Am vergangenen Montag ist es nun zu einem Gipfeltreffen gekommen. Die Delegation der Gesellschaft, unter anderem mit Ständerat Carlo Sommaruga (63, SP) und Nationalrat Stefan Müller-Altermatt (46, Mitte), traf die Generaldirektion des Migros-Genossenschafts-Bundes in Zürich.
Unterstützt Migros einen Kriegstreiber?
Die Migros spricht von einem «konstruktiven» und «freundlichen» Austausch. Davon will die GSA nichts wissen. Sie verschickt am Dienstag – am Tag nach dem Treffen – eine Medienmitteilung. Titel: «Laut Migros sei Genoziddrohung kein genügender Grund, um die Verträge mit Socar zu kündigen.»
Hauptkritikpunkt: Durch die Partnerschaft finanziere Migros den autoritären Machthaber Aserbaidschans, Ilham Alijew (60). Er gilt als Kriegstreiber in der Region Bergkarabach an der Grenze zu Armenien. Die Kämpfe flammten zuletzt im September wieder auf. Socar ist nicht nur vollständig in aserbaidschanischem Staatsbesitz, sondern betreibt mitunter auch massive Propaganda, etwa über seine Facebook-Seite.
Migros: Verfügen über keine Kontakte nach Aserbaidschan
Angesprochen auf die Medienmitteilung der GSA nach dem Gipfeltreffen, lässt Migros-Sprecher Marcel Schlatter auf Blick-Anfrage verlauten: «Die Vorwürfe sind nicht neu – und sie überraschen nicht. So vertreten diese Schweizer Parlamentarier die Interessen der Konfliktpartei Armenien in der Schweiz und wollen diesen mit politischem Lobbying und Medienarbeit eine starke Stimme verleihen.» Die Migros verfüge über keine Kontakte nach Aserbaidschan. «In Bezug auf den Konflikt zwischen Armenien und Aserbaidschan orientieren wir uns – wie immer in solchen Situationen – an der geltenden Rechtsordnung.»
Die GSA will das «Verwischen der Geschäftsinteressen auf Kosten von Menschenrechtsverletzungen» nicht akzeptieren. Die Gesellschaft unterstreicht ihre Forderung deshalb nochmals: Die Verträge mit Socar müssten gekündigt werden. Die Online-Petition haben in den letzten zweieinhalb Monaten indes gerade einmal knapp 10'000 Menschen unterschrieben.
Migros-Sprecher Schlatter: «Das Festlegen von Sanktionen wird auf dem politischen Weg im Parlament erreicht. Hier haben die Parlamentarier unter den Petitionären einen viel grösseren Einfluss als die Migros, deren Rolle in diesem mehr als hundert Jahre alten Konflikt völlig überschätzt wird.»