Jahrelang war der Trend klar: Fliegen wird günstiger, und immer mehr Menschen können es sich leisten, mit dem Flugzeug in die Ferne zu fliegen. Doch seit der Pandemie hat sich das Blatt gewendet. Erst stürzten die Airlines in eine existenzielle Krise, mussten ihre Flieger grounden und sich oftmals mit Staatshilfe retten lassen. Dann fehlten plötzlich Crews und Kabinenpersonal, um die vielen Kundinnen und Kunden in die Luft zu bringen, die endlich wieder reisen wollten. Die Folge: Flugtickets wurden massiv teurer, bis heute liegt das Preisniveau spürbar höher als vor der Pandemie.
Doch das scheint noch lange nicht das Ende der Preissteigerungen zu sein. Denn die Megarechnung für Passagiere wird gerade erst gemacht. Die Luftfahrtindustrie steht vor einem grundlegenden Wandel – und dafür werden primär die Reisenden zahlen müssen.
Dieser Artikel wurde erstmals in der «Handelszeitung» publiziert. Weitere spannende Artikel findest du auf www.handelszeitung.ch.
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Jährlich reisen 4 Milliarden Passagiere
Airlines und Flugzeughersteller müssen ihren CO2-Fussabdruck reduzieren und haben sich deshalb das Ziel gesetzt, bis 2050 klimaneutral zu fliegen. Das ist eine Herkulesaufgabe. Weltweit sind etwa 25’000 kommerzielle Passagiermaschinen unterwegs, die jedes Jahr etwa 4 Milliarden Reisende befördern. Entsprechend gigantisch ist der Ausstoss an Klimagasen. Doch die Luftfahrtbranche kann sich in Sachen Dekarbonisierung nicht länger wegducken. Dafür sorgen unter anderem neue Klimavorgaben in der Europäischen Union (EU) und den USA.
Das Problem ist: Schnelle Lösungen gibt es nicht. Und günstig wird es schon mal gar nicht werden.
Heutige Flugzeuge werden noch in dreissig Jahren fliegen
Die Gesamtkosten, um die Luftfahrt bis 2050 klimaneutral zu machen, betragen für die Airlines nach Angaben der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) zwischen 1,1 und 4 Billionen Dollar. Diese Zahlen sind nicht in Stein gemeisselt, da bisher unklar ist, wie sehr die Kosten für grünes Kerosin durch Skaleneffekte gedrückt werden können. Was sicher ist: Der Wandel wird enorm viel Geld kosten, die Flugtickets werden zwangsläufig teurer werden.
So rechnet die Internationale Zivilluftfahrtorganisation ICAO, eine Sonderorganisation der Vereinten Nationen, laut der Wirtschaftsagentur Bloomberg künftig mit Zusatzkosten von rund 65 Franken pro Sitzplatz auf einem One-Way-Langstreckenflug zwischen New York und Paris.
Die Ausgangslage ist klar: Passagierflugzeuge sind in der Regel jahrzehntelang in der Luft, sie lassen sich nicht mal eben grün umbauen. Zwar trompetet jede Airline bei einer Neulancierung eines Flugzeuges, wie viel leiser und umweltfreundlicher der Typ im Vergleich zum Vorgängermodell sei. Doch selbst ein heute brandneu ausgeliefertes Flugzeuge wird auch noch in zwanzig oder dreissig Jahren mit grundsätzlich derselben Antriebstechnik abheben.
Nachhaltige Treibstoffe als Teil der Lösung
Daher setzen viele Airlines auf den Umstieg auf nachhaltige Flugtreibstoffe, sogenannte Sustainable Aviation Fuels (SAF). Diese lassen sich ohne technische Änderungen am Flugzeug verwenden. Statt wie bisher hundert Prozent Kerosin zu tanken, soll in Zukunft immer mehr SAF beigemischt werden. Das Problem: Nur etwa ein Prozent des globalen Kerosinbedarfs wird bisher durch SAF gedeckt.
Grünes Kerosin sei derzeit die einzige wirtschaftlich sinnvolle Technologie, um klimafreundlicheres Fliegen zu ermöglichen, sagt PwC-Experte Simon Treis. «Allerdings hinkt die Branche beim Ausbau der notwendigen Infrastruktur und beim Hochfahren der Produktionskapazitäten aus den unterschiedlichsten Gründen hinter den eigenen Ansprüchen und regulatorischen Vorschriften her.»
SAF mindestens doppelt so teuer wie Kerosin
So sehr viele Airlines auch gerne ihre Flieger mit SAF füllen würden: Nachhaltige Flugtreibstoffe aus Fetten und anderen Abfällen kosten etwa zwei- bis viermal mehr als herkömmliches Kerosin. Synthetische Treibstoffe oder E-Fuels, die nach dem Power-to-Fuel-Prinzip hergestellt werden, werden wohl sogar sechs- bis achtmal teurer sein als der heutige Flugtreibstoff.
Trotzdem drückt die Politik aufs Gas: Gemäss dem EU-Klimaschutzpaket «Fit for 55» müssen Treibstoffanbieter an europäischen Flughäfen bis 2030 ihrem Kerosin mindestens 6 Prozent SAF beimischen. Bis 2050 soll dieser Anteil sogar auf 70 Prozent steigen. Dabei deutet sich schon jetzt eine enorme Versorgungslücke an. Laut einer Studie der Beratungsfirma PwC könnten bereits 2030 weltweit etwa 22 Millionen Tonnen SAF fehlen – in etwa so viel wie im gleichen Jahr produziert werden kann. Um diese Lücke zu schliessen und ihre Klimaziele noch zu erreichen, müsste die Branche laut der Studie bis 2030 mindestens 100 Milliarden Euro investieren. Bis 2050 liegt der Investitionsbedarf demnach bei mehr als 1000 Milliarden Euro (umgerechnet 950 Milliarden Franken).
Airlines warten auf Vorschriften aus der Politik
Hinzu kommt: In der Luftfahrt-Branche herrscht alles andere als Klarheit, was künftige Klimavorschriften, das Reporting und Accounting, aber auch die Verfügbarkeit der benötigten Ausgangsstoffe sowie die Skalierbarkeit der Produktionstechnologien und das Thema Investitionssicherheit angehen, sagt Treis von PwC.
«Es hat sich eine gewisse Entscheidungsträgheit eingeschlichen, weil alle erst einmal die Schritte der jeweils anderen Akteure sowie die politischen Vorschriften abwarten, bevor sie selbst loslegen.»
Schon heute kann die Kundschaft bei vielen Airlines – meist freiwillig – einen Zuschlag für die CO2-Kompensation durch den Kauf von SAF oder andere Massnahmen bezahlen. Doch das Interesse der Reisenden für solche Kompensationsmöglichkeiten hält sich in Grenzen. Eine Studie der Air Transport Action Group (Atag) aus dem Jahr 2020 fand je nach Airline einen Anteil von 1 bis 3 Prozent der Passagiere, die freiwillig kompensieren.
Zwangskompensation bei der Swiss
Manche Anbieter wie die Swiss gehen deshalb einen Schritt weiter und zwingen Passagiere seit letztem Jahr auf dem Inlandflug zwischen Zürich und Genf zu einem «Green Tarif».
Dabei werden standardmässig die CO2-Emissionen der Fluggäste auf dieser Strecke zu 20 Prozent via SAF reduziert. Im Umfang der restlichen 80 Prozent werden Beiträge an Klimaschutzprojekte geleistet. Das ambitionierte Ziel zu einer Netto-null-CO2-Bilanz bis 2050 lasse sich nur mit einer ganzen Reihe von Massnahmen erreichen, begründete der damalige Swiss-Chef Dieter Vranckx die Einführung der Zwangskompensation.
Mit solchen Massnahmen steht die Swiss nicht allein da. 2023 verdoppelte die Airline-Gruppe Air France-KLM einen seit 2022 bestehenden obligatorischen Aufschlag zur Finanzierung von grünerem Treibstoff auf 2 bis 24 Euro pro Flug ab Paris und Amsterdam.
Tickets werden 5 bis 20 Prozent teurer
Als die Swiss im vergangenen Herbst ihren grünen Inlandtarif präsentierte, sagte Swiss-Chef Vranckx, dass die Flugtickets damit um 5 bis 20 Prozent teurer werden würden. Es sei aber noch unklar, wie viele der zwischen 15’000 und 20’000 betroffenen Passagiere auf den Zug umsteigen würden.
Gerade auf kurzen Flugstrecken in Europa bietet sich der Zug natürlich als Alternative an. Aber auf der Langstrecke? Fernreisen von Europa nach Asien und Australien dürften tendenziell stark teurer werden, wenn die Klimapläne wie geplant zur Umsetzung kommen. Vielleicht würden manche Airlines die eine oder andere Fernroute sogar so teuer machen müssen, dass sie für viele Passagiere nicht mehr zahlbar ist. Das jahrzehntelange günstige Reisen wäre damit zu Ende.