«Das ist wie der Wechsel von der Pferdekutsche zu einem Tesla», schwärmt Sabrina Schenardi (44). Die Absolventin der Universität St. Gallen ist beim Zürcher Start-up BLP Digital Mitgründerin und für die Weiterentwicklung des Geschäfts verantwortlich. Und das ist gerade dabei, abzuheben.
Denn hinter dem nichtssagenden Firmennamen steckt nicht weniger als eine Revolution im Dokumentenmanagement – eine zentrale Funktion für jede grosse oder kleine Firma. Jeden Tag treffen in Unternehmen unzählige Lieferscheine, Auftragsbestätigungen, Rechnungen, Produktanfragen oder Bestellungen ein.
Das Problem: Jedes dieser Dokumente sieht etwas anders aus, jeder Kunde oder Lieferant hat seine eigene Darstellung, wie er Rechnungen schreibt oder Bestelllisten verfasst.
Maschine braucht Lehrerin
Für einen routinierten Sachbearbeiter kein Problem, für eine Maschine bislang eine schier unlösbare Aufgabe. «Wir haben so etwas wie ein menschliches Auge geschrieben», versucht Schenardi die Vorzüge der Software des Start-ups zu umschreiben. Eine Software, die dank künstlicher Intelligenz zum Beispiel eine Rechnung nicht nur richtig erfasst, sondern diese auch versteht und automatisch weiterverarbeitet. Das heisst, die Rechnung kontrolliert und auf dem richtigen Firmen- oder Kundenkonto verbucht.
Das funktioniert aber nur, wenn die Maschine ständig dazulernt. Dazu braucht es Menschen wie Jessica Prisciandaro (36), die sie das Lernen lehrt. Die Italienerin hat auch schon am renommierten Forschungsinstitut Cern bei Genf gearbeitet. «Unsere Mitarbeiter schätzen es sehr, dass sie bei uns sehr tief in die Welt der künstlichen Intelligenz vordringen können», erklärt Schenardi die Aufbruchstimmung in den Programmierstuben von BLP Digital.
Grosser Schritt für kleine Firma
Die Altbauwohnung im Zürcher Seefeld platzt aus allen Nähten, beim Besuch von Blick ist oft von einem «Quantensprung» die Rede. Tatsächlich ist BLP Digital der Konkurrenz so weit voraus, dass diese sich sogar gezwungen sieht, mit dem kleinen Start-up eine Partnerschaft einzugehen.
Die Rede ist von Canon Schweiz, das zum ersten Mal in seiner Geschichte eine firmenfremde Software als Vertriebspartner anbietet. Der IT-Gigant hat nicht nur Kameras oder Drucker im Angebot, sondern gehört auch zu den Weltmarktführern im Bereich Informationsmanagement. «Mit der Lösung von BLP Digital können wir unser Portfolio erweitern und unseren Anwendern eine neue, attraktive und zeitgemässe Technologie anbieten», begründet Michael Maunz (50) von Canon Schweiz den aussergewöhnlichen Schritt.
Aussergewöhnlich auch deshalb, weil IT-Gigant Canon ohne die Hilfe des kleinen Start-ups mit seiner Lösung für das Dokumentenmanagement ins Hintertreffen geraten wäre. «Als wir Canon ein paar Kunden abgeluchst haben, sind sie auf uns aufmerksam geworden», erzählt Schenardi.
So ausgeklügelt die Software, so simpel das Geschäftsmodell: BLP Digital verdient ein paar Rappen an jedem Dokument, das mit seiner Software verarbeitet wird. Die Firma sieht sich auch aus Vorreiterin im Kampf gegen den Fachkräftemangel: «Wir befreien die Angestellten von nicht wertschöpfender Arbeit, schaffen so Raum für andere Tätigkeiten», ist Thore Harmuth (34) überzeugt. Er gehört zusammen mit Schenardi und den Gebrüdern Tim (30) und Sven (29) Beck zu den Gründern der Softwarefirma, die erst seit rund anderthalb Jahren am Markt ist. Und jetzt den grössten Erfolg in der noch jungen Firmengeschichte feiern kann.