Paracetamol und Co.: Der Konsum boomt
Das geben wir im Alltag für Schmerzmittel aus

Wenn Schweizerinnen und Schweizer zu Medikamenten greifen, sind es am häufigsten Schmerzmittel. Seien es Cremen, Salben oder Tabletten: Der Konsum von schmerzlindernden Wirkstoffen ist beliebt. Blick beantwortet die wichtigsten Fragen zum Handel mit Dafalgan und Co.
Publiziert: 19.06.2023 um 16:00 Uhr
|
Aktualisiert: 20.06.2023 um 14:48 Uhr
1/6
In der Schweiz sind zahlreiche Wirkstoffe zur Linderung von Schmerzen rezeptfrei erhältlich: Ibuprofen, Paracetamol, Acetylsalicylsäure (z.B. Aspirin), Diclofenac, Naproxen und sogenannte Triptane.
Foto: Keystone
RMS_Portrait_AUTOR_817.JPG
Joschka SchaffnerRedaktor Politik

Welche Schmerzmittel sind in der Schweiz verfügbar?

In der Schweiz sind zahlreiche Wirkstoffe rezeptfrei erhältlich: Ibuprofen, Paracetamol, Acetylsalicylsäure (z.B. Aspirin), Diclofenac, Naproxen und sogenannte Triptane. Letztere werden vor allem bei Migräne eingesetzt. Darüber hinaus gibt es zahlreiche verschreibungspflichtige Schmerzmittel. Sehr stark reguliert ist die Abgabe von Opioiden, wie etwa Morphin, Codein oder Fentanyl. Sie können zu starker Abhängigkeit führen.

Welches Schmerzmittel ist am beliebtesten?

Der absolute Spitzenreiter aller Arzneimittel in der Schweiz ist der Wirkstoff Paracetamol. Laut dem Helsana Arzneimittelreport wurde er 2021 von einem Viertel aller Schweizerinnen und Schweizer mindestens einmal über die obligatorische Krankenversicherung bezogen. Der Marken-Bestseller ist das Medikament Dafalgan des französischen Pharmakonzerns UPSA.

Bis zu einer Dosis von 500 Milligramm ist es auch rezeptfrei erhältlich, seit 2003 dürfen die Tabletten aber auch mit bis zu einem Gramm Paracetamol abgegeben werden. Das birgt Tücken: Gemäss einer Studie der ETH Zürich nehmen seither die Paracetamol-Vergiftungen in der Schweiz zu. Denn der Wirkstoff kann bei falscher Dosierung zu starken Lebererkrankungen führen.

Wie viel Geld geben wir für Schmerzmittel aus?

Gemäss dem pharmazeutischen Analyseunternehmen IQVIA, das Daten des Schweizer Gesundheitssystems auswertet, erwirtschaftete die Pharmabranche 2021 9,2 Milliarden Franken mit Medikamenten. Bloss 15 Prozent des Umsatzes stammen aus dem Verkauf von nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln.

Mengenmässig sind die Schmerzmittel zwar spitze, punkto Umsatz spielen sie in der Schweiz dennoch eine untergeordnete Rolle: Laut Schätzungen des Apothekerverbandes Pharmasuisse anhand der Daten von IQVIA gaben Schweizerinnen und Schweizer letztes Jahr 286 Millionen Franken für nicht verschreibungspflichtige Schmerzmedikamente aus. Pro Einwohner entspricht dies knapp 33 Franken. Das sind 18 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Anstieg hinge jedoch mit dem grundsätzlichen Wachstum des Medikamentenmarktes zusammen, teilt Pharmasuisse mit. Und dieses Wachstum sei wiederum vor allem eine Konsequenz der zunehmenden Bevölkerung.

Bei den über die obligatorischen Krankenversicherungen abgerechneten Medikamenten seien die Kosten in den letzten fünf Jahren bloss um ungefähr sieben Prozent gestiegen, teilt der Krankenkassenverband Santésuisse auf Anfrage von Blick mit. 2021 rechneten die Krankenversicherer gemäss der Helsana rund 230 Millionen Franken für Schmerzmittel-Bezüge ab.

Ein noch eher unbekannter Faktor ist der Online-Einkauf im Ausland: Swissmedic, die Zulassungsbehörde des Bundes, warnt vor einer Zunahme illegaler Arzneimittelimporte. Wie viele Schweizer aber tatsächlich auf ausländischen Webseiten ihre Medikamente bestellen, ist nicht bekannt.

Wie viel verdient die Pharmabranche daran?

Die Margen variieren von Wirkstoff zu Wirkstoff. Wie viel die Hersteller am Verkauf von Schmerzmitteln verdienen, ist also schwierig auszuwerten. Klar ist jedoch, dass Markenprodukte eine weitaus höhere Marge als Generika aufweisen. Gemäss Santésuisse könnten beispielsweise bei konsequentem Ersatz von Dafalgan mit einem gleichwertigen Generikum jährlich über sieben Millionen Franken Gesundheitskosten eingespart werden.

Dennoch macht die Pharmabranche mit Schmerzmedikamenten nicht das grosse Geld. Neue Wirkstoffe oder Innovationen fehlen – und damit auch die Patente. Dazu steigt der Preisdruck immer weiter. Hohe Einnahmen und auch grosse Margen finden sich daher vor allem bei patentierten Spezialmedikamenten, wie etwa in der Krebstherapie.

Sind Schmerzmittel vom Medikamentenengpass betroffen?

Durch den Preisdruck kommt die Knappheit: Die Verlagerung der Herstellung in einige wenige Fabriken in Indien oder China wurde der Pharmabranche spätestens in der Pandemie zum Verhängnis. Lockdowns führten zu Produktionsstopps, die hohen Energiepreise wegen des Ukraine-Krieges verschärften die Situation weiter.

Seit letztem Herbst bekommen dies auch die Kundinnen und Kunden in der Schweiz zu spüren: Arzneimittel wie beispielsweise Antibiotika, Psychopharmaka oder eben Schmerzmittel sind nur noch schwer lieferbar. Der Bund warnte Anfang dieses Jahres insbesondere vor Lieferengpässen bei den Wirkstoffen Ibuprofen und Paracetamol. Vor allem Präparate für Kinder, wie etwa Brausetabletten und Sirups, sind momentan nur schwer erhältlich.

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.