Vor vier Wochen herrschte am Hauptsitz von On Aufregung. Vor der Tür waren Fussabdrücke auf den Boden gemalt worden. Farbe: Blutrot. Täterin: die Bürgerbewegung Campax.
Campax und On hätten sich an diesem Tag zu einer Petitionsübergabe treffen wollen. In dieser forderte Campax Lohngerechtigkeit und -transparenz in der Produktionskette der Schweizer Schuhfirma in Vietnam. Diese sieht sich seit Januar mit Kritik konfrontiert.
Das Konsumentenmagazin «K-Tipp» hatte die Margen auf Turnschuhmodellen verglichen und war zum Schluss gekommen, dass On am meisten Gewinn pro verkauftem Paar erzielt. Der Verkaufspreis liegt bei einzelnen Modellen bei über 200 Franken, der Produktionspreis bei rund 20 Franken. Der tiefe Produktionspreis resultiert aus dem tiefen Lohnniveau in Vietnam.
Gesprächsverweigerung führt in die Sackgasse
Und genau das störte Campax, deshalb startete die Bürgerbewegung die Petition, bei einem Gespräch wollte man sich finden. Doch wegen der blutroten Füsse verzichtete On auf das Gespräch. Eine Entscheidung, die nicht gut ankommt. «Dieses Beispiel zeigt, dass Gesprächsverweigerung in die Sackgasse führt», sagt Markus Baumgartner, Präsident des Schweizer Verbands für Krisenkommunikation (VKK). Wichtig sei, als Unternehmen in jeder Krise hinzustehen und zu kommunizieren. Baumgartner betont, dass man sich zudem der Verantwortung gegenüber der Umwelt, der Gesellschaft und der künftigen Generation bewusst sein müsse.
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Die Aktion zeige zwar, dass sich Aktivistinnen und Aktivisten nicht immer an die Spielregeln halten. Anderseits: «Der Schuhproduzent On mit Roger Federer als Botschafter musste sich bewusst sein, dass der Prominentenstatus die Öffentlichkeit rasch erreicht», so Baumgartner. «Umso mehr hätten sie sich um den Dialog und um Transparenz kümmern sollen.»
Es ist tatsächlich nicht das erste Mal, dass ein Unternehmen ins Visier von Aktivistinnen gerät, bei der Roger Federer Botschafter ist. «Die Credit Suisse zerstört das Klima. Roger, bist du damit einverstanden?», hiess es 2018 auf einem Plakat von zwölf jungen Aktivistinnen und Aktivisten. Sie hatten sich als Tennisspieler verkleidet und nutzten eine Credit-Suisse-Filiale in Lausanne als Tennisplatz.
Die Credit Suisse klagte gegen sie. Das Bezirksgericht sprach sie frei, die CS zog die Sache ans Kantonsgericht, wo die Aktivisten wegen Hausfriedensbruch verurteilt wurden. Diese gingen weiter ans Bundesgericht und wurden erneut verurteilt. Nun versuchen sie ihr Glück zum letzten Mal am Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Strassburg.
Aktionen in der ganzen Schweiz
Doch nicht nur dort, wo Roger Federer als Markenbotschafter tätig ist, verschaffen sich Aktivistinnen lautstark Gehör. Im vergangenen November versprühten Klimaaktivisten von «Renovate Switzerland» eine UBS-Filiale. Dasselbe wiederholten sie einen Monat später bei der Versicherung Swiss Life in Zürich. Beide Male wurden die Täterinnen und Täter von der Polizei abgeführt, die von den Unternehmen verständigt worden war.
Auch Nestlé stellt für Aktivistinnen eine beliebte Angriffsfläche dar. Im Oktober 2023 drangen Angehörige der Gruppe «Grondements des terres» in Nestlés Garten in Vevey ein. Mit Masken, Bannern und gebastelten Fischen prangerten sie die Privatisierung von Wasser an. Die Versammlung löste sich friedlich auf, nachdem die Umweltaktivisten mit dem Sicherheitsdienst und der Polizei diplomatische Gespräche geführt hatten.
Doch nicht immer verlaufen aktivistische Aktionen friedlich, wie Beispiele aus Deutschland zeigen. Dort schlichen sich Klimakleberinnen der «Aktion autofrei» in mehrere Autowerkstätten, um die Produktion zu unterbrechen, darunter bei VW. Sie entfernten sich aus einer Besuchergruppe, doch bevor sie sich festkleben konnten, griffen die Produktionsmitarbeitenden ein und verhinderten mit Gewalt die Aktion. Die Videos dazu gingen viral.
Der richtige Umgang
Aktivistische Aktionen sind für Firmen unangenehm. Sie bringen sie in Bedrängnis, und sie fragen sich, wie sie reagieren können. Auf Anfrage schreibt die Swiss Life: «Grundsätzlich muss jede Situation im Umgang mit Aktivismus individuell betrachtet werden. Wenn möglich, suchen wir in einem ersten Schritt das Gespräch mit den Verantwortlichen.» Sie würden hingegen keinen Aktivismus tolerieren, der Gewalt oder Sachbeschädigung beinhaltet.
Nestlé antwortet: «Wir begrüssen den regen Austausch mit verschiedenen Interessengruppen, wobei die Sicherheit der Teilnehmenden immer gewährleistet sein muss.» Die UBS und On äusserten sich gegenüber der «Handelszeitung» nicht dazu.
Bettina Zimmermann, Expertin für Krisenmanagement und Krisenkommunikation, ist mit solchen Situationen vertraut und sieht es gleich wie Nestlé: «Im Umgang mit Aktivisten und Aktivistinnen empfiehlt es sich, als Firma rechtlich korrekt und mit der nötigen Sensibilität, Geduld und einer respektvollen Herangehensweise in Kontakt zu treten.»
Dabei sei eine transparente Kommunikation das A und O. Die Kommunikation stellt jedoch nur einen Schritt im möglichen Vorgehen dar, wenn sich Menschen vor der Firma festkleben. Die Expertin arbeitet mit einem siebenstufigen Plan, der auf alle Aktivismusfälle angewendet werden kann:
Die Kommunikation ist in diesen Fällen nicht immer einfach, doch es gibt Beispiele, in denen die Situation mit Humor gelöst werden konnte. Eines ist das Dreikönigstreffen der deutschen FDP, als Klimaaktivisten die Rede von Parteichef Lindner störten, indem sie das Lied «We Shall Overcome» sangen und Transparente ausrollten. Lindner reagierte mit Humor: «In die Hitparade kommt ihr damit nicht», sagte er zur Gruppe. Und mit den Sätzen «Klebt euch doch fest. Nehmt viel Kleber. Denn wenn ihr hier klebt, könnt ihr niemanden sonst behindern» rang er dem Saal ein kollektives Schmunzeln ab.