Ohne Kühlung und Patente
Afrigen arbeitet am fairen Corona-Impfstoff aus Afrika

In Südafrika arbeitet die Firma Afrigen am ersten Impfstoff aus Afrika. Der Clou: Das Vakzin soll gefriergetrocknet sein, also keine Kühllagerung brauchen.
Publiziert: 16.12.2021 um 10:41 Uhr
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Aktualisiert: 16.12.2021 um 12:25 Uhr
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In Afrika sind die wenigsten Menschen gegen Covid-19 geimpft.
Foto: keystone-sda.ch

Im Labor des Biotechnologieunternehmens Afrigen Biologics and Vaccines im südafrikanischen Kapstadt arbeiten Forscher unter Hochdruck. Sie befinden sich in einer entscheidenden Phase bei der Entwicklung von Afrikas erstem eigenem Corona-Impfstoff. Dieser soll das hochwirksame mRNA-Präparat von Moderna nachahmen und damit die Abhängigkeit von der Pharmaindustrie mindern. Anfang 2024 sollen die Mittel marktreif sein.

Unterstützt von der Weltgesundheitsorganisation (WHO), dem UN Medicines Patent Pool (MPP) sowie der Gesundheitsorganisation der Afrikanischen Union (Africa CDC) will Afrigen die Verteilung von Impfstoffen weltweit günstiger, schneller und gerechter machen.

Keine Kühlung und keine Patente

Nicht nur das: Afrigen will die beiden derzeit zugelassenen mRNA-Präparate von Moderna und Biontech/Pfizer verbessern. Ziel ist ein gefriergetrockneter Impfstoff, der keine Kühllagerung erfordert.

Anders als traditionellen Pharma-Unternehmen geht es Afrigen nicht um Profite. Der neue Impfstoff werde nicht patentiert werden, sondern eine Art Open-Source-Technologie sein, erklärt Afrigens Geschäftsführerin Petro Terblanche.

Die WHO werde kostenfreie Lizenzen an Entwicklungs- und Schwellenländer vergeben und damit Produktionskapazitäten überall auf der Welt ermöglichen.

Ein breiter und schneller Technologietransfer habe dabei «absolute Priorität», so Terblanche. Etwa 40 Länder in Afrika, Lateinamerika, Asien und dem Mittleren Osten haben nach Angaben der WHO bereits Interesse bekundet. «Es ist eine Intervention. Wir werden die globale Gesundheitslandschaft ändern», verspricht Terblanche.

Technologietransfer in Entwicklungsländer

Am Technologietransfer hapert es nämlich bislang. Human Rights Watch hat gerade eine Liste mit 120 Firmen in aller Welt veröffentlicht, die schon in Kürze mRNA-Impfstoff herstellen könnten, wenn sie die Technologie bekämen.

Die Menschenrechtsorganisation ruft Deutschland und die USA auf, Druck zu machen, damit die Mainzer Firma Biontech und die US-Hersteller Moderna und Pfizer ihr Wissen für eine breitere Impfstoffproduktion zur Verfügung zu stellen.

Auch für Afrigen gibt es Hürden. Zwar hat Moderna im Juli eine Verzichtserklärung für das geistige Eigentum an ihrem mRNA-Präparat abgegeben. Diese gilt jedoch nur für einen begrenzten Zeitraum. «Weder von Moderna noch von Biontech/Pfizer haben wir einen Technologietransfer bekommen», sagt Terblanche.

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Erste Studien im Jahr 2022

Somit arbeiten Afrigens Forscher mit der öffentlich zugänglichen genetischen Sequenz für den Impfstoff und mit Hilfe von wissenschaftlichen Beratern an der Entwicklung einer ersten vollständigen Laborprobe, die das Präparat von Moderna nachahmt. «Aufgrund der Verzichtserklärung können wir den Impfstoff legal bis zu klinischen Studien bringen, ohne geistiges Eigentum zu verletzen», erklärt Terblanche.

Schon im Januar 2022 sollen erste Studien an Tieren beginnen. Für November sei Phase I der klinischen Studie geplant. Die WHO hat für das ehrgeizige Projekt 92 Millionen Euro bereitgestellt. «Die Covid-19-Pandemie hat gezeigt, dass es nicht ausreicht und gefährlich ist, sich bei der Versorgung der Welt mit globalen öffentlichen Gütern auf ein paar wenige Firmen zu verlassen», sagte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus im Juni über das Projekt.

Es fehlt global an Impfdosen

Seit Monaten warnt er vor moralischem Versagen, weil reiche Länder eigene Verträge mit Pharmafirmen machten und sich Unmengen Impfstoff gesichert hätten. Während in reichen Ländern schon Auffrischimpfungen gemacht würden, warteten Dutzende arme Länder immer noch auf Impfdosen. Länder hätten auf seine Appelle hin zwar Impfdosen gespendet, aber bei weitem nicht genug, so Ghebreyesus.

Bislang vergeblich setzen sich die WHO und mehr als 100 Länder in der Welthandelsorganisation (WTO) dafür ein, dass der Patentschutz für Covid-19-Produkte aufgehoben wird. Die Pharmaindustrie, die Europäische Union und andere Länder wollen das nicht. Ihr Argument: Ohne Patentschutz seien Pharmafirmen nicht zu den hohen Investitionen bereit, die Innovationen hervorbrächten. Pharmafirmen nehmen mit patentgeschützten Impfstoffen und Medikamenten Milliardenbeträge ein.

Moderna will Impfstofffabrik in Afrika bauen

Die Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) erinnert daran, dass in die Entwicklung der Impfstoffe von Moderna und Biontech/Pfizer Milliarden Steuergelder geflossen sind. Deshalb müssten sie ihre Technologie zur Verfügung zu stellen. «Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen (...) dürfen nicht von der Wohltätigkeit und Spenden reicher Länder und der Pharmaindustrie abhängig sein», verlangte Candice Sehoma von MSF Südafrika. «Dafür stehen zu viele Menschenleben auf dem Spiel.» Während Deutschland 69,3 Prozent der Bevölkerung vollständig geimpft hat, haben auf dem afrikanischen Kontinent mit seinen 1,2 Milliarden Menschen bislang nur 7,35 Prozent eine vollständige Impfung erhalten.

Moderna verfolgt derweil eigene Pläne. Das Pharmaunternehmen will bis zu 500 Millionen Dollar (442 Millionen Euro) in eine Impfstofffabrik in Afrika investieren, die jährlich bis zu 500 Millionen Impfdosen herstellen soll. Auch Biontech/Pfizer will in Afrika produzieren.

«Afrikanische Lösungen für globale Probleme»

Während die WHO internationalen Druck aufbaut, schreitet Afrigen auch ohne die Hilfe der beiden grossen Hersteller voran. «Wir hoffen, dass die regulatorischen Probleme gelöst sind, wenn unser Impfstoff in gut zwei Jahren marktreif ist», sagt Terblanche.

Denn das Konsortium um Afrigen hat Grosses vor. Die Entwicklung eines Corona-Impfstoffes soll erst der Anfang sein. Zukünftig sollen weitere mRNA-Impfstoffe entwickelt werden, gegen HIV, Tuberkulose und Malaria – ebenfalls mit kostenfreien Lizenzen. Es sei das Ziel der Afrikanischen Union, bis 2040 rund 60 Prozent der auf dem Kontinent benötigten Impfstoffe selbst zu produzieren, erklärte der leitende wissenschaftliche Berater der Africa CDC, Nicaise Ndembi. «Wir beginnen, afrikanische Lösungen für globale Probleme zu schaffen.» (SDA/koh)

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