Man hätte die Credit Suisse abwickeln sollen, sagt Wirtschaftsprofessor Aymo Brunetti (61) ein Jahr nach der Notübernahme durch die UBS in einem Interview mit der «Finanz und Wirtschaft». Dass der Bund stattdessen Steuergelder aufs Spiel setzte, um den Kauf der Krisenbank durch die UBS zu ermöglichen, sei ein «Sündenfall erster Klasse» gewesen.
Mit der CS-Übernahme habe man die Glaubwürdigkeit der Too-big-to-fail-Regulierung, die nach der Finanzkrise unter Brunettis Leitung verankert wurde, massiv untergraben. Die Notaktion vom 19. März 2023 habe gezeigt, dass Probleme bei Grossbanken leicht zur Anwendung von Notrecht führten.
«Müssen davon ausgehen, dass auch die UBS ins Schlittern kommt»
Die neue UBS sei jetzt im Verhältnis zur gesamten wirtschaftlichen Leistung der Schweizer Volkswirtschaft extrem gross. «Kein anderes Land auf der Welt ist hier einem so grossen Risiko ausgesetzt wie die Schweiz.»
Dass es bei der Bank gerade gut läuft, sei keine Garantie für die Zukunft, so Brunetti. «Vom Management von der CS hat man nach der globalen Finanzkrise auch gesagt, es sei kompetent.» In Zukunft könne jederzeit wieder so etwas passieren, das zeige der Blick in die Vergangenheit. «Ja, wir müssen bei den Regulierungsanpassungen davon ausgehen, dass auch die UBS irgendwann wieder ins Schlittern kommt.»
Die Wachstumsambitionen der UBS machten ihn nervös, sagt Brunetti. «Das Risiko, das wir alle tragen, wird so immer grösser.»
Staatsgarantie sei unangemessene Subvention
Dass der Staat mit der Rettung der CS Gewinn gemacht hat, ändert für Brunetti nichts am Problem. «Das ist wie im Casino – auch wenn man gewinnt, ist das Risiko enorm. Wir hatten jetzt zweimal grosses Glück, dass die staatliche Rettung funktioniert hat.»
Sowohl bei der Rettung der UBS während der globalen Finanzkrise als auch beim Notverkauf der CS war in dem Moment, als die Staatsgarantien gesprochen wurden, niemand sonst am Markt bereit, das Risiko einzugehen, sagt Brunetti. «Das zeigt, dass es sich beide Male um eine unangemessene Subvention handelte.»
Strengere Kapitalvorschriften und ein Abwicklungsplan
Bei den nun fälligen Anpassungen der Too-big-to-fail-Regulierung fordert Brunetti strengere Kapitalvorschriften für die UBS, auch wenn dies das Wachstum der Bank hemmen könnte. Zudem sei ein überzeugender Abwicklungsplan unabdingbar. Wenn eine Abwicklung wieder als nicht machbar beurteilt werde, dann könne die Schweiz nicht Sitzstaat für eine global tätige Grossbank sein. «Der UBS-Sitz sollte dann ins Ausland verlegt werden.»
Eine mögliche Verstaatlichung der UBS im Krisenfall sei ein «No-Go». «Käme die UBS in Staatsbesitz, bestünde ein Risiko von Hunderten von Milliarden Franken für die Steuerzahler.» Die Marktwirtschaft sei so organisiert, dass ein Unternehmen scheitern können muss. (gku)