Öffentliche Hand baute einheimische Produzenten erst auf, jetzt lässt sie sie fallen
Billig-Importe verdrängen Schweizer Masken

Seit Beginn der Corona-Krise rufen alle nach Qualitätsmasken. Einige Schweizer Hersteller sind dem Ruf gefolgt. Doch jetzt reklamieren sie: Die Billigkonkurrenz aus China und die eigenen Behörden drängen sie aus dem Markt.
Publiziert: 26.03.2021 um 06:56 Uhr
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Aktualisiert: 29.03.2021 um 09:42 Uhr
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Heissbegehrte Ware: Die medizinischen Schutzmasken sind weltweit gefragt. Dementsprechend gross ist die Konkurrenz.
Foto: keystone-sda.ch
Franziska Scheven

Mit der Corona-Krise wurden sie von einem Tag auf den anderen zur heissbegehrten Ware: die Hygienemasken. China produziert die Masken wie verrückt und verschifft sie in die ganze Welt. Das Problem: Millionen der Masken sind unbrauchbar und weisen Mängel auf.

Der Ruf nach Qualitätsmasken wurde immer lauter. Schweizer Unternehmer reagierten. «Im Herbst 2020 haben wir unsere Kapazitäten hochgefahren», sagt Felix Schönle (60), Chef des Verbandstoffherstellers Wernli. «Wir führen regelmässig Qualitätskontrollen durch, um den Anforderungen zu entsprechen.»

Schweizer Unternehmen durch China ausgebremst

Doch dann kam der grosse Schock: Kantone, Gemeinden sowie Alters- und Pflegeheime kauften weiterhin lieber die Billigmasken aus China, statt auf Schweizer Qualität zu setzen. Der Preis war entscheidend. Tatsächlich kostet die Maske bei Schönle im Shop 35 bis 44 Rappen pro Stück. Chinesische Anbieter verkaufen Masken derzeit für jeweils unter fünf Rappen.

«Im Dezember musste ich die Produktion wegen mangelnder Nachfrage schon wieder runterfahren», sagt Schönle. 200 extra temporär eingestellte Mitarbeiter musste er wieder entlassen. Seine Produktion hat er seither um mehr als 50 Prozent runtergefahren.

Chinesische Ware unkontrolliert

Pikant: Alle ausländischen Hersteller geben zwar an, den Anforderungen (CE-Zertifizierung) zu entsprechen. Aber kontrollieren tut das niemand. «Die medizinischen Gesichtsmasken können von Firmen in Europa eigenverantwortlich auf den Markt gebracht werden», sagt Sprecher Lukas Jaggi von der Aufsichtsbehörde Swissmedic.

Eine Prüfungsstelle gibt es nicht. «Erst wenn jemand Unregelmässigkeiten meldet, prüft Swissmedic den Fall.» Das hat Konsequenzen: Viele der nun bestellten Masken aus China erfüllten die Anforderungen nämlich nicht.

Nachfrage nach Billigmasken hoch

Schönle ist nicht der Einzige, der seine Produktion runtergefahren hat. Die weiteren elf Schweizer Hersteller, die diese Art von Masken fertigen, könnten eigentlich noch mehr produzieren. Sie seien nicht ausgelastet, sagt die Gründerin der Schweizer Gesellschaft für nicht-gewebte Masken (SANMP), Zalfa El-Harake (44). «Der Bund setzt weiter auf billige Masken aus China, statt die hiesigen Hersteller zu unterstützen», so El-Harake.

Wernli und andere grosse Hersteller wie Flawa, die FFP2-Masken herstellen, sind Mitglieder der SANMP. El-Harake startete in der Krise ihre eigene Maskenproduktion, musste diese aber wegen mangelnder Nachfrage wieder einstellen.

Armee drängt Schweizer aus dem Markt

Auch die Jungunternehmer und Brüder Gabriel (21) und Rafael Sonderegger (23) stellten ihre Maskenproduktion vor zwei Wochen ein. «Wir haben innerhalb eines Jahres den Aufstieg und den Niedergang einer ganzen Industrie miterlebt», sagen die beiden. Die Maschinenbau-Studenten sind mit ihrer Firma Sondia aus Schaffhausen erst wegen Corona in das Geschäft eingestiegen.

Der Grund für das Sondia-Ende: Die Armee verramscht derzeit Millionen von China-Masken für einen Rappen, weil sie bald ablaufen. «Ich hätte nie gedacht, dass mich ausgerechnet die Armeeapotheke aus dem Markt drängt», sagt Gabriel Sonderegger.

Deal mit Bund und Kanton

Um die Abhängigkeit vom Ausland zu minimieren, kauften Bund und Kanton Zürich für die Maskenherstellerin Flawa in Flawil SG zwei Produktionsmaschinen. Die Zürcher Gesundheitsdirektorin Natalie Rickli (44) musste wegen der Verspätung der Lieferung einige Kritik einstecken.

Im August kaufte Flawa Bund und Kanton die zwei Maschinen ab. Der Deal: Sie versprachen im Gegenzug, insgesamt fünf Millionen Masken von Flawa zu kaufen – 3,5 Millionen Masken für den Bund und 1,5 Millionen für den Kanton Zürich. «Die Zusammenarbeit funktioniert gut», sagt Flawa-Sprecher Alfredo Schilirò zu BLICK. Die Lieferungen aus dem Deal stünden teilweise noch aus.

Zu weiteren Bestellungen befragt, sagt er: «Eine Erhöhung der Abnahmemenge wird zurzeit jedoch nicht diskutiert.» Sprich: Neue Abnahmegarantien gibt es offenbar nicht. Das könnte auch für Flawa ein Runterfahren der Produktion bedeuten.

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Politik soll handeln

Deals in ähnlicher Form hätten auch andere Hersteller gerne. Schönle von der Wernli AG fordert in einem neuen «Konzept der Versorgung mit wichtigen Gütern aus Schweizer Produktion für Krisensituationen» mehr Solidarität vom Bund. Dabei sollen Masken und Rohmaterial in der Schweiz an Lager gehalten werden und der Bund eine Abnahme garantieren.

Auch Gabriel Sonderegger sieht die Politik in der Verantwortung. «Wenn wir eine heimische Industrie wollen, muss man nun handeln», sagt er. Die neu gekauften Maschinen lässt die Firma derzeit verschrotten.

Hygienemasken werden nicht auf Qualität kontrolliert

Wer eine Maske in der Schweiz verkaufen will, muss die nötigen Anforderungen (CE-Kennzeichnung) erfüllen. Kontrollieren tut das aber keiner. Erst wenn jemand Unregelmässigkeiten meldet, prüft die Aufsichtsbehörde Swissmedic den Fall. Der Grund: In der Schweiz zählen Hygienemasken zur Medizinproduktklasse 1 – das ist die niedrigste Risikoklasse.

Dies gilt für alle Maskenhersteller und -vertreiber., ob aus der Schweiz oder dem Ausland. Mit der Corona-Krise ist die Anzahl der hier verkauften Hygienemasken explodiert – also chirurgische Maske, OP- und FFP2/3-Maske. Derzeit kommen die meisten aus China.

Einen Gift-Cocktail vor der Nase

Das birgt Risiken: Der deutsche Chef des Hamburger Umweltinstituts, Michael Braungart (63), warnt vor gesundheitlichen Schadstoffen in den Masken. Er und sein Team haben in zertifizierten Masken in Europa Schadstoffe wie Bindemittel, Antioxidantien, UV-Stabilisatoren und künstliche Duftstoffe gefunden.

Sie können beim Einatmen für den Menschen schädlich sein. Abgesehen davon schaden sie der Umwelt. «Nach verschiedenen Schätzungen sind bereits über 1,5 Milliarden Masken in die Weltmeere gelangt», schreibt Braungart in einer Medienmitteilung. Darin unterstreicht er aber auch, wie wichtig das Maskentragen in der derzeitigen Pandemie sei. Es darf aber nicht zulasten von Gesundheit und Umwelt sein. «Es geht vielmehr darum, Masken zu verwenden, die unter Umwelt- und Gesundheitsaspekten gleichermassen geeignet sind.»

Wer eine Maske in der Schweiz verkaufen will, muss die nötigen Anforderungen (CE-Kennzeichnung) erfüllen. Kontrollieren tut das aber keiner. Erst wenn jemand Unregelmässigkeiten meldet, prüft die Aufsichtsbehörde Swissmedic den Fall. Der Grund: In der Schweiz zählen Hygienemasken zur Medizinproduktklasse 1 – das ist die niedrigste Risikoklasse.

Dies gilt für alle Maskenhersteller und -vertreiber., ob aus der Schweiz oder dem Ausland. Mit der Corona-Krise ist die Anzahl der hier verkauften Hygienemasken explodiert – also chirurgische Maske, OP- und FFP2/3-Maske. Derzeit kommen die meisten aus China.

Einen Gift-Cocktail vor der Nase

Das birgt Risiken: Der deutsche Chef des Hamburger Umweltinstituts, Michael Braungart (63), warnt vor gesundheitlichen Schadstoffen in den Masken. Er und sein Team haben in zertifizierten Masken in Europa Schadstoffe wie Bindemittel, Antioxidantien, UV-Stabilisatoren und künstliche Duftstoffe gefunden.

Sie können beim Einatmen für den Menschen schädlich sein. Abgesehen davon schaden sie der Umwelt. «Nach verschiedenen Schätzungen sind bereits über 1,5 Milliarden Masken in die Weltmeere gelangt», schreibt Braungart in einer Medienmitteilung. Darin unterstreicht er aber auch, wie wichtig das Maskentragen in der derzeitigen Pandemie sei. Es darf aber nicht zulasten von Gesundheit und Umwelt sein. «Es geht vielmehr darum, Masken zu verwenden, die unter Umwelt- und Gesundheitsaspekten gleichermassen geeignet sind.»

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