Oberster Vermögensverwalter über die zweite Säule
«Der Fokus auf die Kosten ist falsch»

Die Ausgaben für die Verwaltung beruflicher Vorsorgevermögen sind stark gestiegen. Iwan Deplazes, Präsident der Asset Management Association Switzerland, erklärt im Interview die Gründe dafür – und weshalb er lieber bei einer etwas teureren Pensionskasse versichert ist.
Publiziert: 08.09.2024 um 19:34 Uhr
|
Aktualisiert: 08.09.2024 um 19:43 Uhr
1/5
So titelte der SonntagsBlick vor einigen Wochen: «Finanzindustrie verdiente mit PK-Geldern 67,7 Mrd. Franken»
Foto: Zvg

Auf einen Blick

Die Zusammenfassung von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast.
Blick_Portrait_1606.JPG
Thomas SchlittlerWirtschaftsredaktor

Blick: Herr Deplazes, gemäss Berechnungen des Gewerkschaftsbundes hat die Finanzindustrie an den Vorsorgevermögen der zweiten Säule innert zehn Jahren 67,6 Milliarden Franken verdient. Was sagen Sie zu dieser Summe?
Iwan Deplazes: Die Zahl scheint auf den ersten Blick sehr hoch. Zieht man aber in Betracht, dass in der zweiten Säule mittlerweile 1200 Milliarden Franken an Vermögen bewirtschaftet werden, relativiert sich dieser Eindruck stark. Zumal sich die Summe auf zehn Jahre bezieht und darin auch Beratungen, Anwaltshonorare und weitere Dienstleistungen enthalten sind.

2012 beliefen sich die Verwaltungskosten auf 5,7 Milliarden Franken, 2022 auf 8,2 Milliarden. Wie erklären Sie diese Zunahme?
Ich kann die Berechnungen der Gewerkschaften nicht im Detail beurteilen. Da wurden etwa Risikokosten hinzugerechnet, was für mich nicht nachvollziehbar ist. Es ist aber unbestritten, dass die Kosten in absoluten Zahlen gestiegen sind. Der Hauptgrund dafür ist, dass auch das Volumen der verwalteten Vermögen stark zugenommen hat. Zudem sind die Pensionskassenvermögen heute breiter diversifiziert als früher, was einen Mehraufwand mit sich bringt. Prozentual gesehen sind die Vermögensverwaltungskosten relativ stabil und liegen seit Jahren bei rund 0,5 Prozent der verwalteten Vermögen. Das ist ein guter Wert, gerade auch im Vergleich mit Privatanlegern.

0,5 Prozent klingt nach wenig. Aber wieso gehen die prozentualen Kosten trotz steigender Volumen nicht zurück? 2012 wurden in der zweiten Säule erst 673 Milliarden Franken verwaltet, 2022 waren es 1066 Milliarden …
2012 war die Welt eine andere. Die Voraussetzungen haben sich wegen des anhaltend tiefen Zinsniveaus grundlegend verändert. Mit Obligationen zum Beispiel ist es unmöglich geworden, eine Rendite zu erzielen, durch die sich die Rentenzahlungen garantieren lassen. Alternative Anlageklassen wie Immobilien, Privat- oder Infrastrukturanlagen wurden deshalb wichtiger. Sie verfügen über bessere Renditeperspektiven, sind jedoch deutlich aufwendiger zu bewirtschaften – mit der Folge höherer Kosten.

Sie verschweigen die technologische Entwicklung, durch die eine automatisierte, deutlich günstigere Vermögensverwaltung möglich wird. Wieso schlägt sich das nicht in tieferen Kosten nieder?
Bei konventionellen Investments wie etwa Indexanlagen gibt es einen kostendämpfenden Effekt. Bei alternativen Anlagen und Immobilien ist diese Automatisierung jedoch nicht möglich, da es sich nicht um standardisierte Produkte handelt. Will sich eine Pensionskasse zum Beispiel an einem Familienunternehmen beteiligen, das nicht an der Börse kotiert ist, braucht es das Know-how von Beratern und gut ausgebildeten Asset-Managern.

Der oberste Vermögensverwalter

Iwan Deplazes (52) ist Präsident der Asset Management Association Switzerland (Amas) und leitet seit 2007 die Vermögensverwaltung der Zürcher Kantonalbank. Deplazes ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt mit seiner Familie im Kanton Uri.

Iwan Deplazes (52) ist Präsident der Asset Management Association Switzerland (Amas) und leitet seit 2007 die Vermögensverwaltung der Zürcher Kantonalbank. Deplazes ist verheiratet, hat vier Kinder und lebt mit seiner Familie im Kanton Uri.

Hand aufs Herz: Ihre Branche hat überhaupt kein Interesse an einer voll automatisierten Vermögensverwaltung, weil sie sich damit selbst abschaffen würde.
Wie gesagt: Bei komplexen Anlagekonstrukten wird es wohl nie voll automatisierte Lösungen geben. Gleichzeitig ist es im ureigenen Interesse jedes Vermögensverwalters, technologische Innovationen zu nutzen, um die Kosten so tief wie möglich zu halten. Der Fokus auf die Kosten ist aber ohnehin falsch. Viel wichtiger ist die Rendite – insbesondere, wenn es um die Vorsorge geht. Das müsste auch den Gewerkschaften einleuchten. Persönlich bin ich lieber bei einer professionell geführten, teuren Kasse versichert, die eine hohe Rendite erzielt – als bei einer Kasse mit tiefen Kosten, aber unterdurchschnittlicher Performance.

Es ist unbestritten, dass die Rendite – beziehungsweise der «dritte Beitragszahler» – für die zweite Säule sehr wichtig ist. Eine Studie der staatlichen Aufsichtsbehörde konnte allerdings nicht feststellen, dass teure Kassen auch besser performen.
Viele Untersuchungen gehen zu wenig in die Tiefe. Unsere Analysen zeigen, dass professionell geführte Kassen in der Regel durchaus eine höhere Rendite erwirtschaften, teilweise ist sie sogar deutlich höher. In vielen Fällen zahlen sich höhere Kosten für die Versicherten aus. Zudem möchte ich festhalten: Insgesamt war die Vermögensverwaltung der Pensionskassengelder in den vergangenen Jahrzehnten sehr erfolgreich. Seit 2004 hat der dritte Beitragszahler über 500 Milliarden Franken zum Ertrag der Pensionskassen beigesteuert. Das sind im Schnitt rund 100'000 Franken pro versicherte Person.

Das können Sie aber nur bedingt für Ihre Branche in Anspruch nehmen. Es ist kein Meisterstück, in einem guten Börsenjahr eine hohe Rendite zu erwirtschaften. Das schafft jeder, der sein Geld in einen einfachen Indexfonds investiert.
Selbstverständlich spielt es eine wichtige Rolle, wie sich die Finanzmärkte entwickeln. Darauf hat ein Vermögensverwalter keinen Einfluss. Aber er sorgt für angemessene Gewichtung und Diversifikation. Nur mit der richtigen Anlagestrategie kann eine Pensionskasse langfristig erfolgreich sein. Dafür braucht es das Know-how gut ausgebildeter Vermögensverwalter – und die kosten halt auch etwas.

Ihr Verband unterstützte die Allianz «Ja zur BVG-Reform» finanziell. Was haben die Vermögensverwalter davon, wenn diese umstrittene Vorlage angenommen wird?
Unsere Branche würde von einem Ja nicht profitieren. Wir unterstützen die Vorlage nicht aus Eigeninteresse, sondern aus der Überzeugung heraus, dass die BVG-Reform die zweite Säule verbessern und stabilisieren würde. Wir brauchen in der Schweiz nicht nur die AHV, sondern auch die berufliche und die private Vorsorge. Die Gewerkschaften wollen offenbar, wie die ständigen Angriffe auf die Pensionskassen zeigen, unser bewährtes Drei-Säulen-System kaputtmachen. Das gilt es zu verhindern.

Fehler gefunden? Jetzt melden

Was sagst du dazu?

Liebe Leserin, Lieber Leser
Der Kommentarbereich von Blick+-Artikeln ist unseren Nutzern mit Abo vorbehalten. Melde dich bitte an, falls du ein Abo hast. Noch kein Blick+-Abo? Finde unsere Angebote hier:
Hast du bereits ein Abo?
Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.