Notwohnung in Luzern – ist das noch zumutbar?
«Sozialdienst hat mir geraten, eigene Bettdecke mitzunehmen»

Valeria S.* und ihr Sohn im Primarschulalter müssen wegen Schimmelbefalls in eine Notwohnung der Stadt Luzern ziehen. Doch der Zustand der Wohnung erschüttert die Mutter. Notfall hin oder her – es stellt sich die Frage, ob das noch zumutbar ist.
Publiziert: 04.08.2024 um 23:54 Uhr
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Aktualisiert: 05.08.2024 um 09:52 Uhr
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Notfallunterkunft in Luzern: das Schlafzimmer von Valeria S. und ihres Sohnes.
Foto: Leserreporterin
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Milena KälinRedaktorin Wirtschaft

Valeria S.* (36) braucht für sich und ihren 12-jährigen Sohn schnellstens eine neue Wohnung. Denn ihre bisherige Bleibe ist von Schimmel befallen. Sowohl Mutter als auch Sohn hatten deshalb mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen.

Verzweifelt ruft die Mutter aus Luzern beim Sozialdienst an. «Sie haben mich ernst genommen und sofort reagiert», so S. Bereits am folgenden Tag erhält sie den Schlüssel für eine möblierte Notfallwohnung. Darin lebt noch eine weitere Mutter mit einem Kleinkind. «Man sagte mir, diese Wohnung sei speziell für Frauen und Kinder – bevor sie auf der Strasse landen.»

Insgesamt bieten die Sozialen Dienste der Stadt Luzern fünf Notwohnungen an – zwei davon sind möbliert. Die Wohnungen sind für Familien und Kinder oder auch Einzelpersonen aus der Stadt Luzern gedacht, die akut von Obdachlosigkeit bedroht sind. Kostenpunkt: 45 bis 55 Franken pro Nacht, je nach Belegung. S. ist extrem dankbar für die rasche Lösung. «Ich hatte keinerlei Erwartungen. Hauptsache, wir können irgendwo schlafen», so die Mutter.

Urinflecken und Blutspritzer

Als sie dann die Wohnung betritt, trifft sie fast der Schlag. Dunkel verfärbte Teppiche und Vorhänge, verschmierte Wände, Dreck und Ungeziefer überall, Matratzen und Bettdecken voller Urin. An einer kaputten Glastür zur Küche waren sogar Blutspritzer.

«Ich fand es mega schlimm! Der Sozialdienst hat mir gar geraten, unsere eigenen Bettdecken und Kissen mitzunehmen. Ich habe dieses Privileg – andere nicht», so S. Der Gedanke, dass hier Frauen und Kinder in Not Zuflucht finden, erschüttert sie.

Aber S. will nicht motzen, nimmt die Wohnung und probiert, das Beste daraus zu machen. Sie putzt und wäscht in ihrer alten Wohnung, wo sie theoretisch noch wohnte, gar die Vorhänge. «Die Waschmaschine in der Notwohnung war kaputt. Meine Mitbewohnerin mit einem kleinen Baby hat alle Kleider ein halbes Jahr von Hand gewaschen», so S.

Die private Vermieterin, die in derselben Liegenschaft wohnt und die Wohnung der Stadt Luzern vermietet, findet immer wieder neue Ausreden für die defekte Waschmaschine. Erst als S. beim Sozialdienst reklamiert, kommt Bewegung in die Sache.

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«Hygiene und Sicherheit müssen gewährleistet sein. Das war definitiv nicht der Fall.»
Valeria S.*
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Als sich S. und ihr Kind am ersten Abend ins Bett legen wollten, fällt dieses auseinander. «Ich habe dann am folgenden Tag eine Bohrmaschine organisiert und das Bett geflickt.» Auch sonst ist die Ausstattung spärlich. Einen Staubsauger gibt es nicht. Auch kein Kinderbett oder Wickeltisch. Und das in einer Wohnung explizit für Mütter mit Kindern. «Hygiene und Sicherheit müssen gewährleistet sein. Das war definitiv nicht der Fall», so S.

Auch die Lage der Wohnung wirft Fragen auf. Diese befindet sich an der Baselstrasse 62 über einem Bestattungsunternehmen. Die Baselstrasse in Luzern hat nicht gerade einen guten Ruf. In unmittelbarer Nachbarschaft der Wohnung liegt ein Bordell. «Wenn ich aus dem Fenster schaute, konnte ich sehen, wie Leute Drogen nehmen.» Für ein Kind findet S. die Lage deshalb nicht geeignet. Zudem ist es auch in der Nacht sehr laut – besonders im Sommer.

Stadt übernimmt Kosten

Immerhin: Bezahlen musste die alleinerziehende Mutter nichts. Zuerst hiess es, es koste 50 Franken pro Nacht. Bei der Abgabe der Wohnung sagte man S. jedoch, sie müsse nichts für den Aufenthalt bezahlen. In der Zwischenzeit hatte die Stadt etliche Dokumente der Mutter eingesehen. Die Stadt Luzern bestätigt gegenüber Blick, dass nach einer Prüfung der finanziellen Verhältnisse ein Kostenerlass möglich sei.

Bei der Abgabe der Wohnung wurde S. gefragt, warum sie die Wohnung nicht besser geputzt habe. «Ich habe die Wohnung sauberer hinterlassen, als ich sie übernommen hatte», so S. Die Person, der sie den Schlüssel abgeben musste, war offenbar über den Zustand der Wohnung nicht im Bilde.

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«Die Stadt wollte nichts an der Wohnung ändern – das habe ich nicht verstanden.»
Valeria S.*
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Sie habe sogar angeboten, über Facebook gratis einen Wickeltisch zu organisieren. «Aber die Stadt wollte nichts an der Wohnung ändern – das habe ich nicht verstanden.» Die Begründung: Man brauche keine bessere Ausstattung. Die Personen blieben im Schnitt nur vier Monate, wie die Sozialen Dienste Luzern erklären. S. weiss jedoch von zwei Frauen, die ein beziehungsweise eineinhalb Jahre dort gelebt haben. «Das finde ich nicht zumutbar», so S. Deshalb will sie unbedingt, dass sich etwas ändert.

Nach Konfrontation von Blick nimmt die Stadt Luzern die Rückmeldung ernst und will die aktuell leerstehende Wohnung an der Baselstrasse überprüfen. «Die Notwohnungen sind nicht als Dauerlösung gedacht, sondern zur Überbrückung einer Notsituation, insbesondere für verletzliche Personen wie Familien mit Kindern», heisst es auf Anfrage. Zudem seien die Wohnungen alle «gesundheitlich unbedenklich» und es werde ein möglichst sicheres Umfeld geboten. Der Einzug erfolge erst nach Besichtigung und in gegenseitiger Absprache.

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