Niedrigzinsen ohne Not – Ökonomen kritisieren Geldpolitik
Wie die SNB die Zuwanderung anheizt

SNB-Chef Martin Schlegel will den Franken schwächen und spricht schon von Negativzinsen. Doch damit droht die Wirtschaft zu überhitzen. Die Nachfrage nach Arbeitskräften übertrifft das Angebot im Inland. Ökonomen kritisieren die Geldpolitik.
Publiziert: 06.01.2025 um 12:04 Uhr
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Aktualisiert: 12:07 Uhr
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Der neue SNB-Chef Martin Schlegel hat den Leitzins im Dezember auf 0,5 Prozent gesenkt.
Foto: keystone-sda.ch

Auf einen Blick

  • SNB senkt Zinsen wegen des starken Frankens, was aber negative Auswirkungen hat
  • Ökonomen kritisieren einseitige Fokussierung der SNB auf Wechselkurskontrolle
  • Boomt die Wirtschaft, dann suchen Firmen vermehrt Arbeitskräfte im Ausland
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Gabriel KnupferRedaktor Wirtschaft

Die Nationalbank (SNB) steckt in der Zwickmühle: Weil der Franken ständig stärker wird, senkt sie die Zinsen immer weiter. Doch eine derartige Geldpolitik hat schwere Nebenwirkungen für die Menschen in der Schweiz.

Selbst Negativzinsen sind für den neuen SNB-Chef Martin Schlegel (48) kein Tabu. Die SNB habe sich mit ihrer einseitig auf den Wechselkurs ausgerichteten Geldpolitik in den letzten zehn Jahren in eine Sackgasse manövriert, schreiben die Ökonomen Johannes von Mandach (30) und Klaus Wellershoff (60) in einem Bericht zur Zinspolitik.

Wirtschaftliche Entwicklung steuern

Der Auftrag der SNB ist klar: Sie muss in der Schweiz für Preisstabilität sorgen. Das bedeutet die Inflation im Bereich von 0 bis 2 Prozent zu halten. Die Inflation ist vom Konsum abhängig. Die Nationalbank kann den Konsum ankurbeln, in dem sie den Leitzins senkt, wenn die Arbeitslosigkeit zu steigen droht.

Wenn die Wirtschaft aber stark wächst, sodass eine hohe Teuerung droht, dann muss sie den Leitzins erhöhen. So war es zum Beispiel nach der Pandemie: 2022 verabschiedete sich die SNB vom Negativzins, um der Inflation entgegenzuwirken.

SNB kümmert sich einseitig um den Franken

Doch seit 2015 konzentriere sich die SNB mehr um die Kontrolle des Frankens anstatt um die gesamtwirtschaftliche Entwicklung der Schweiz, kritisieren von Mandach und Wellershoff in ihrer Analyse. Obwohl es dafür gute Gründe gebe – die Exportwirtschaft leidet unter einem starken Franken –, hätte sich die SNB auf ihr Kernziel konzentrieren müssen.

2015 hatte die SNB den Mindestkurs zum Euro aufgehoben. Um den Franken zu schwächen, setzte sie auf Negativzinsen. Dabei habe sie teilweise ein zu starkes Stellenwachstum zugelassen, so die Ökonomen der Beratungsfirma Wellershoff & Partners.

Wenn die Wirtschaft boomt, finden die Firmen nicht mehr genug Arbeitskräfte im Inland. Die Folge sind Fachkräftemangel und eine starke Zuwanderung. Zudem gehen Aktienkurse und Immobilienpreise durch die Decke. Gefährliche Blasen können entstehen.

Kein Signal für starke Zinssenkung

«Auch die aktuelle Geldpolitik erscheint mit der jüngsten deutlichen Senkung des Leitzinses ungewöhnlich expansiv», schreiben die Ökonomen. Im Dezember hat die SNB den Leitzins überraschend um 0,5 Prozentpunkte auf 0,5 Prozent gesenkt.

Die Schweizer Wirtschaft habe sich 2024 im Jahresverlauf stabilisiert und wachse solide. Und auch die Inflation von 1,7 Prozent sei kein Signal für eine starke Zinssenkung gewesen.

700 Milliarden Franken Auslandsvermögen

Diese Zusammenhänge kennen auch Schlegel und die Ökonomen der SNB. Warum die starke Leitzinssenkung im Dezember? Durch Devisenmarktinterventionen zur Schwächung des Frankens hat die SNB über 700 Milliarden Franken an Auslandsvermögen angehäuft.

Steigt der Franken, so sinkt der Wert der Anlagen im Ausland. Und das will die SNB um jeden Preis verhindern. «Da die SNB ihre Geldpolitik in den letzten Jahren auf die Steuerung des Wechselkurses ausgerichtet hat, hat sie nun einen starken Anreiz, dies auch weiterhin zu tun», schreiben von Mandach und Wellershoff.

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