Auf einen Blick
- Schweizer Wirtschaft wächst trotz globaler Unsicherheiten
- Immobilienmarkt bleibt stabil
- Trump plant Reindustrialisierung der USA mit möglichen Auswirkungen auf Handelspartner
- Prognose: Schweizer Wirtschaftswachstum von 1,2 Prozent im 2025
Der Ausblick aus ihrem Sitzungszimmer auf den Zürichsee ist schöner als der Blick auf die Weltwirtschaft. Europa kriselt, die beiden Zugpferde Deutschland und Frankreich sind primär mit Wahlen und sich selbst beschäftigt. Auf Impulse von der Politik kann die europäische Wirtschaft noch lange warten. Dafür wird Donald Trump (78) ab Ende Januar die Weltwirtschaft auf den Kopf stellen und die Reindustrialisierung der USA mit allen Mitteln erzwingen wollen. Was heisst das für die Schweiz und ihre Wirtschaft, für Arbeitsplätze, Löhne und Konsum? Antworten hat Nannette Hechler-Fayd’herbe, Anlagechefin der Genfer Privatbank Lombard Odier.
Blick: Es stehen unruhige Zeiten bevor. Wie tief sind Ihre Sorgenfalten?
Nannette Hechler Fayd’herbe: Gar nicht mal so tief. Bei mir würden die Alarmglöckchen klingeln, wenn die Unternehmen an den Märkten keine Kredite mehr bekämen oder der Immobilienmarkt zu überhitzen drohte.
Die Preise für Wohnungen und Häuser sind in der Schweiz stark gestiegen. Droht der Immobilienmarkt in der Schweiz tatsächlich zu überhitzen?
Nein, davon sind wir noch ein gutes Stück entfernt. Trotz der schnellen Zinssenkungen der SNB. Das war zu den Zeiten der Negativzinsen ganz anders.
Von Negativzinsen sind wir gar nicht mehr weit entfernt, es fehlen nur ein bis zwei Zinsschritte.
Es spricht einiges gegen eine rasche Wiederkehr der Negativzinsen. Die SNB hat sich bis jetzt auf die Zinspolitik konzentriert und weniger auf die Währungspolitik. Bevor die SNB wieder auf dieses ungeliebte Instrument zurückgreifen wird, dürfte sie versuchen, stärker an den Devisenmärkten zu intervenieren. Und sie wird erst, wenn die Zinsen im Euro- oder Dollar-Raum gegen null tendieren, den Einsatz von Negativzinsen wirklich ins Auge fassen.
Das heisst, eine weitere Zinssenkung im März ist nicht ihr wahrscheinlichstes Szenario?
Die Nationalbank hat jetzt mal präventiv einen grossen Schritt gewagt und wird erst mal abwarten, wie sich dieser auf Teuerung und Franken auswirkt. Für 2025 gehen wir davon aus, dass der Leitzins bei 0,25 Prozent liegen dürfte.
Die Zinsen sind zwar tief, aber die Hauspreise vielerorts exorbitant hoch. Der Traum vom Eigenheim ist für die meisten Menschen in der Schweiz geplatzt?
Das stimmt in Bezug auf Hotspots wie Zürich oder Genf. Aber es gibt Regionen, in denen dank den tiefen Zinsen Eigentum noch leistbar ist.
Welche?
Gemeinden, die weiter entfernt sind von den Ballungszentren. Für einen guten Anschluss an Zürich ist im Zürcher Oberland noch bezahlbares Wohneigentum zu finden oder im angrenzenden Kanton Aargau. Glarus, Uri oder St. Gallen bieten erschwingliche Alternativen – mit dem Nachteil längerer Arbeitswege nach Zürich.
Tiefe Zinsen sind gut für Schuldner, aber schlecht für Sparerinnen. Was gibt es für Alternativen zum Geld auf dem Konto?
Ich denke da an ein Mischportfolio. Das heisst, ein Portfolio, das verschiedene Anlageklassen umfasst. Das ist zwar nicht ganz risikolos, denn Rendite ohne Risiko gibt es nicht. Aber mit der richtigen Mischung lässt sich das Risiko streuen.
Nannette Hechler-Fayd'herbe arbeitet seit Anfang 2024 für Lombard Odier. Bei der Genfer Privatbank ist die Ökonomin für die Anlagestrategie, Nachhaltigkeit und das Research verantwortlich und ist die Anlagechefin für die Marktgebiete Europa, Naher Osten und Afrika. Zuvor war sie über 20 Jahre bei der Credit Suisse tätig. Hechler-Fayd'herbe setzt sich aktiv dafür ein, Frauen zu ermutigen, sich mit Finanzthemen auseinanderzusetzen.
Nannette Hechler-Fayd'herbe arbeitet seit Anfang 2024 für Lombard Odier. Bei der Genfer Privatbank ist die Ökonomin für die Anlagestrategie, Nachhaltigkeit und das Research verantwortlich und ist die Anlagechefin für die Marktgebiete Europa, Naher Osten und Afrika. Zuvor war sie über 20 Jahre bei der Credit Suisse tätig. Hechler-Fayd'herbe setzt sich aktiv dafür ein, Frauen zu ermutigen, sich mit Finanzthemen auseinanderzusetzen.
Was packe ich denn in so ein Mischportfolio?
Das hängt von Ihrer Risikotoleranz und Ihrem Alter ab. Ein Zwanzigjähriger hat einen ganz anderen Anlagehorizont als eine Sechzigjährige. Im höheren Alter geht es vor allem um Werterhaltung, die Jungen können dagegen mehr Aktien in ihre Anlagen reinpacken.
Wie ist es mit Immobilienfonds?
Die sind in zweierlei Hinsicht interessant. Einerseits bieten sie bessere Renditen als etwa Staatsanleihen, andererseits treibt die Nachfrage nach Wohnraum die Preise weiter nach oben und führt zu Wertsteigerungen bei Immo-Fonds, die auch von fallenden Zinsen profitieren.
Die Aktienmärkte haben 2024 super performt – bis auf die letzten paar Tage. Ist das ein schlechtes Vorzeichen für 2025?
2024 war an den Aktienmärkten wirklich ein überdurchschnittliches Jahr, das werden wir 2025 wohl kaum mehr erreichen. Die gleich hohen Renditen liegen nicht mehr drin, aber sie werden trotzdem immer noch positiv sein.
Wer jetzt noch in den Aktienmarkt einsteigen möchte, der kommt zu spät?
Aktienkurse haben zwei grosse Treiber: die Bewertung und die Profitabilität der Unternehmen. Wenn die Zinsen schneller fallen als erwartet, so wie 2024, dann steigen die Bewertungen. Doch es kommt auch darauf an, wie stark die Gewinne der Firmen wachsen. Wenn die sinkenden Zinsen den Wachstumsmotor ankurbeln und noch andere Massnahmen wie Steuersenkungen dazukommen, dann ist das gut für die Profitabilität der Unternehmen und ihren Aktienkurs. 2025 hat gute Chancen, ein anständiges Börsenjahr zu werden.
Wie wird sich die Schweizer Wirtschaft im kommenden Jahr entwickeln?
Wir rechnen mit einem Wachstum von 1,2 Prozent, was nahe am Potenzialwachstum der Schweizer Wirtschaft liegt …
… Aber tiefer ist als der Wert anderer Prognostiker, die mit bis zu 1,5 Prozent Wirtschaftswachstum rechnen.
Beim Export gibt es viele Fragezeichen. Dabei spielt der starke Franken weniger eine Rolle. Dessen Aufwertung ist vor allem ein gutes Trainingslager und eine permanente Fitnesskur für die Industrie, die gerade in Nischen sehr erfolgreich ist. Viel entscheidender ist die Nachfrage in den wichtigsten Absatzmärkten.
Da sieht es gerade in Europa nicht sehr vielversprechend aus?
Europa ist tatsächlich das Sorgenkind – wirtschaftlich wie politisch. Der Kontinent leidet unter strukturellen Problemen. Dabei geht es nicht nur um Demografie, also die Überalterung, es geht auch die Setzung der richtigen Rahmenbedingungen für Wachstum. Ganz entscheidend ist dabei die Frage, ob und wie Innovation gefördert wird. Da hinkt Europa den USA deutlich hinterher. Wichtig ist, dass Europa genau hinschaut, wo die Probleme liegen, denn sonst findet man auch die Rezepte nicht, um Europa zurück zu alter Stärke zu führen.
Alte Stärke – das ist ja auch der Plan von Donald Trump. Gut oder schlecht für die Weltwirtschaft?
Die Zeichen in den USA stehen auf Wachstum. Unliebsame Überraschungen dürfte es keine geben, er hat bereits angekündigt, was er vorhat: eine aktive, aber auch pragmatische Handelspolitik mit der Anhebung der Zölle. Das heisst, es wird erst mal geschaut, wie die Reaktion der Handelspartner ausfällt, bevor die Zölle weiter angehoben werden.
Was heisst das für die Schweiz? Immerhin sind die USA unser zweitgrösster Handelspartner.
Trump hat sich in den letzten Tagen mit vielen Businessleuten getroffen. Er ist immer auf der Suche nach dem nächsten Deal. Und der heisst: Wenn du in den USA investierst und bei der Reindustrialisierung mithilfst, dann denken wir nochmals über Strafzölle nach.
In die USA fliessen die meisten Direktinvestitionen aus der Schweiz. Droht die Abwanderung von Jobs?
Muss nicht unbedingt sein. Wer in den USA investiert, kommt oft aus einem starken Heimmarkt. Die Jobs, die in den USA aufgebaut werden, können die Tätigkeit in der Schweiz ergänzen.
Was heisst das insgesamt für den Schweizer Arbeitsmarkt?
Der wird robust bleiben. Das hat auch mit dem Generationenwechsel zu tun. Weil viele in Rente gehen, müssen immer wieder neue Jobs besetzt werden. Dazu kommt, dass die Arbeitskräfte in der Schweiz sehr gut ausgebildet sind. Das ist eines der Erfolgsrezepte der Schweiz: Die Arbeitnehmenden verfügen über die Fähigkeiten, die die Wirtschaft braucht.
Gibt es bei den Löhnen noch Nachholbedarf nach der Teuerung in den letzten Jahren?
In der Schweiz hat sich die Inflation schneller als erwartet zurückgebildet. Somit gewinnt die Kaufkraft wieder an Boden. Umfragen deuten auf einen Lohnanstieg von rund 1,4 Prozent im 2025 hin. Wir sehen die Inflation in der Schweiz für 2025 bei etwa 0,7 Prozent.
Ein robuster Arbeitsmarkt ist auch gut für die Konsumentenstimmung im Land?
Richtig. Aber man sollte diese Stimmungsindikatoren auch nicht überbewerten. Entscheidend wird sein, was nach der Amtseinführung von Trump am 20. Januar passiert. Was wird wirklich umgesetzt, und wie wird es umgesetzt? Wenn es hier Klarheit gibt, schafft das Sicherheit und Vertrauen, was positiv für die Wirtschaft und auch für den Konsum ist.