Am Weltwirtschaftsforum (WEF) in den Bündner Bergen sind sie mindestens so berühmt wie die illustren Gäste: die exzessiven Hotelpreise während der Konferenz.
Wer heute nach einer Unterkunft in Davos für die WEF-Tage vom 17. bis 21. Januar 2022 sucht – geht leer aus. Die Online-Buchungsplattform Booking.com findet für diesen Zeitraum kein einziges Zimmer mehr in Davos. Als Alternative gibt es via Airbnb & Co. private Ferienwohnungen zu mieten. Manche Vermieter verlangen dort aber horrende 8000 Franken pro Nacht.
Ausweichen nach Klosters
Eine mögliche Alternative: Das Nachbardorf Klosters, eine Viertelstunde Autofahrt entfernt. Auch dort sind die Schnäppchen aber längst weg. Das günstigste Zimmer gibt es für 2300 Franken die Nacht. Nicht etwa im Luxus-Resort. Sondern im 3-Sterne-Hotel.
Die Preisexzesse verwundern. WEF-Gründer Klaus Schwab (83) hat in der Vergangenheit mit einem Wegzug aus Davos gedroht, wenn die Preistreiberei anhält. Für die Austragung 2021 standen neben Davos auch Singapur oder der Bürgenstock in der Zentralschweiz bereit. Wegen Corona gingen alle leer aus, das WEF 2021 fand nirgends statt. Der Entscheid über den Ausstragungsort 2022 – also für die Bündner Berge und gegen den Indischen Ozean - fiel erst vor einem Monat.
WEF hat fast alle Zimmer vorreserviert
Nutzen die pandemiegeplagten Davoser Hoteliers das WEF allen Warnungen zum Trotz dazu aus, um sich eine goldene Nase zu verdienen? Der Davoser Tourismusverantwortliche Reto Branschi (62) widerspricht vehement. «95 Prozent der Davoser Hoteliers und grosse Ferienwohnungsanbieter wie Christoffel verhalten sich fair!» Wie also kommen die Fantasiepreise auf den Buchungsplattformen zustande?
«Das WEF reserviert sich im Vorhinein Kontingente bei den Davoser Hotels. Andere Gäste können diese Zimmer deshalb gar nicht erst buchen», erklärt Branschi. Jeder akkreditierte WEF-Teilnehmer erhält sein Zimmer direkt über die Organisatoren, muss sich über die Engpässe bei Booking.com und anderen Plattformen also keine Gedanken machen.
Und wie viel bezahlt das WEF für die Zimmer? «Vernünftige Preise», sagt WEF-Sprecher Yann Zopf kryptisch. Branschi ist auskunftsfreudiger. «Man nimmt den Höchstpreis. Meist verrechnen die Hotels den Preis für Zeit um Weihnachten und Neujahr. Und da kommen noch einmal rund 10 bis 20 Prozent obendrauf.»
Ferienwohnungsbesitzer überschiessen mit Fantasiepreisen
Dass private Ferienwohnungsbesitzer und einzelne Hotels ihre Unterkünfte zu Fantasiepreisen anbieten, ärgert den Davoser Tourismuschef. «Sie nutzen die Situation schamlos aus», schimpft er. «Die Schlagzeilen über Wucherpreise in Davos schaden unserem Ansehen.» Wer nämlich Jahr für Jahr von den teuren Übernachtungspreisen am WEF liest, glaube wohl, dass Davos das ganze Jahr über teuer sei, warnt Branschi.
Durch die Pandemie und den angedachten Umzug nach Singapur hofft er nun auf ein Umdenken. «Die Leute sind sensibler geworden. Wer weiterhin Wucherpreise verlangt, riskiert, dass wir das WEF verlieren.»
Yann Zopf pflichtet ihm bei – und spricht damit eine indirekte Warnung aus. «Eine übertriebene Preistreiberei ist für Davos als Standort nicht förderlich. Es gibt natürlich Preisschwellen, welche potenzielle Teilnehmer fernhalten können. Aus diesem Grund denken wir, dass Wucherpreise nicht wünschenswert sind.» Zopf betont allerdings auch die «konstruktive Zusammenarbeit» mit den Hoteliers. Ein Wegzug sei daher aktuell «kein Thema».
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«Es geht um Inhalte, nicht um Partys»
Die Trittbrettfahrer mischen während des WEF aber nicht nur auf dem Davoser Wohnungsmarkt mit. Sondern auch bei den Apéros, Partys und Networking-Treffen. Diese Nebenanlässe sind in den letzten Jahren immer zahlreicher geworden. Sie werden nicht vom WEF selber organisiert, sondern von privaten Unternehmen, die im Windschatten des Forums ihre Marke platzieren wollen.
Das WEF hat davon allerdings die Schnauze voll. «Es geht um Inhalte, nicht um Partys», sagte WEF-Geschäftsführer Alois Zwinggi (59) kürzlich zu Blick. Dies auch, um die Sicherheit der WEF-Teilnehmer in Pandemie-Zeiten zu gewährleisten.
Gemeinde schaut genauer hin
Das WEF erhält dabei Schützenhilfe von der Gemeinde. «Wir haben generell die Auflagen für temporäre Bauten verschärft. So wurden etwa die Energievorschriften restriktiver», verrät der Davoser Landammann Philipp Wilhelm (32). Weniger Pavillonzelte und temporäre Holzbauten heisst eben auch: weniger Partys.
Ob die Unternehmen sich davon abschrecken lassen, ist aber fraglich. «Gesuche sind bisher ähnlich viele eingegangen wie in anderen Jahren», so Wilhelm. Wie viele dann auch tatsächlich bewilligt und umgesetzt werden, steht hingegen noch in den Sternen.
Tourismuschef Reto Branschi hingegen weiss jetzt schon, dass das WEF dieses Jahr tatsächlich kleiner ausfällt. «Wir sehen das an den Limousinenreservationen.» Ob die Trittbrettfahrer nicht doch noch mit dem Zug nach Davos reisen, weiss hingegen keiner.