Bei Lindt & Sprüngli, da gilt das Reglement «Bhaltis». Es listet auf zwei Seiten akribisch auf, wer Anspruch auf das üppige Schokoladenpaket hat, das allen Aktionären und Aktionärinnen zusteht. Am 18. April ist es wieder so weit, an der Generalversammlung der Schoggifirma. Dann wird im Kongresshaus in Zürich der blaue Tragkarton voller Süssigkeiten verteilt oder per A-Post verschickt. «Organisieren Sie bitte die Annahme Ihres ‹Bhaltis› im Falle Ihrer Abwesenheit», warnt das Merkblatt jene, die nicht an die GV reisen. Doch es gibt bei der Schokoladenfirma nicht nur Süsses, sondern auch Cash, nicht wenig. Pro Aktie sind es 1400 Franken und pro Partizipationsschein 140 Franken.
So profitieren die Kapitalgeberinnen und -geber vom Geschäftserfolg der Chocoladefabriken Lindt & Sprüngli AG, wie das Unternehmen offiziell heisst. Und sie tun das seit Jahren, genauer: Die Firma hat über 28 Jahre die Dividende permanent gesteigert. Damit gehört Lindt & Sprüngli in die Klasse der «Dividend Aristocrats», jener Firmen also, die über mindestens 25 Jahre die Dividende ohne Unterbruch erhöhten.
Diesem exklusiven Zirkel gehören neben Roche, Chevron, IBM, Novartis, Kimberly-Clark, Coca-Cola, Procter & Gamble oder Nestlé an. Der Nahrungsmittelkonzern wird – falls die GV am 18. April dem Antrag zustimmt – zum 29. Mal die Dividende steigern. CEO Mark Schneider will unter den Aristokraten bleiben, auch wenn er die Dividende nur um 5 Rappen auf 3 Franken erhöht.
Dividendenparadies Schweiz
Auch Ernst Tanner, der Schokoladenfürst aus Kilchberg, lässt es klimpern. Tanner ist der exekutive Verwaltungsratspräsident von Lindt & Sprüngli und seit 1993 das Machtzentrum der Firma. Und er ist Grossaktionär, ergo kassiert er dieses Jahr für seine Aktien und Partizipationsscheine voraussichtlich 5,1 Millionen Franken – neben seinem Honorar als VR-Präsident. Insgesamt schüttet die Firma nach dem Plazet durch die GV 330,4 Millionen Franken aus.
Doch nicht nur bei den Aktionärinnen und Aktionären der Schoggifirma ist Zahltag. Auch bei anderen Firmen wird der Jackpot aus dem meist erfolgreichen Geschäftsjahr 2023 verteilt. Es sind gigantische Summen: Insgesamt sind es fast 53 Milliarden Franken, welche die rund 200 kotierten Unternehmen im Swiss Performance Index (SPI) ans Aktionariat ausschütten wollen, mehr denn je. Auch der Wegfall der Credit Suisse stoppt den schweizweiten Dividendenanstieg nicht: Schon für 2022 wurde der CS die Dividende gestrichen.
Fast jeder zweite Dividendenfranken, der in diesen Tagen bei Anlegern und Anlegerinnen zwischen Näfels, Nanterre und Neftenbach auf dem Konto landet, stammt von Roche, Novartis oder Nestlé. Die drei Weltligisten machen die Schweiz zu einem Dividendenparadies. Einer von sechs Dollar, der in Europa als Gewinnbeteiligung an die Eigner und Eignerinnen fliesst, wird von Schweizer Unternehmen ausgeschüttet, hat der Londoner Vermögensverwalter Janus Henderson berechnet. Dies, obwohl die Wirtschaftsleistung zwanzig Mal kleiner ist als die der Europäischen Union. «Das ist doch beachtlich», sagt Marc Theis, Schweiz-Chef von Janus Henderson.
Doch die Auswertungen von Janus Henderson zeigen: Auch anderswo brechen die Ausschüttungen Rekorde. Global dürften es dieses Jahr 1720 Milliarden Dollar sein, nach 1660 Milliarden im Jahr 2023.
Am meisten gibts bei den Börsengiganten – auch in der Schweiz: Allein die drei SMI-Dominatoren Nestlé, Roche und Novartis lassen je rund 8 Milliarden Franken an Dividenden auf ihre Eigner und Eignerinnen regnen.
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Gleich dahinter folgen die Finanzkonzerne Zurich, UBS und Swiss Re. Ebenfalls mehr als eine Milliarde Franken werden heuer auch noch ABB, Holcim, Richemont, Kühne + Nagel und Partners Group auszahlen sowie die Swisscom mit ihrer seit Jahren steten Dividende von 22 Franken.
Die Zurich Versicherung wird ihrem Ruf als Dividendenaktie einmal mehr gerecht. Mit einer auf 26 Franken angehobenen Dividende beträgt die Rendite zum aktuellen Kurs 5,4 Prozent. Höhere Dividendenrenditen weisen sonst – neben ein paar kleineren Titeln aus dem SPI-Index – nur Adecco, Mobilezone, Baloise, Swiss Re und Vontobel aus. Die hohe Dividendenrendite hängt zum Teil aber auch mit den schwachen Aktienkursen zusammen.
Nicht aber im Fall von Zurich, Lindt & Sprüngli oder der UBS. Dort hat das Aktionärsvolk auch noch vom steigenden Wert der Aktie profitiert.
Millionen für Roche-Erben und die Blochers
Zu den Grossverdienern gehören freilich nicht nur Zurich-Chef Mario Greco und Lindt-Chef Ernst Tanner. Am meisten kassieren traditionsgemäss die Roche-Erben. Die an der GV beschlossene Dividende von brutto 9.60 Franken wird 743 Millionen Franken in die Kassen der Erbenfamilien spülen, die zusammen über 70 Prozent der Inhaberaktien besitzen.
Obwohl das Geschäft bei EMS-Chemie nicht mehr ganz so gut läuft und die Dividende gekürzt wurde, gehören auch die Blocher-Töchter zu den grossen Gewinnerinnen. Auch heuer sind es wieder Hunderte Millionen, die ihren Privattresoren namens Emesta und Baumi Holding im steuermilden Kanton Schwyz zufliessen. Die Ems-Aktien haben die milliardenschwere Familie in der «Bilanz»-Reichsten-Liste ganz nach oben gestemmt.
Das gilt auch für Klaus-Michael Kühne, der beim Logistikkonzern Kühne + Nagel das Sagen hat. Er streicht für 2023 voraussichtlich 653 Millionen ein. Oder Peter Spuhler, der 41 Millionen Aktien an Stadler Rail hält und je Aktie 90 Rappen zugespielt erhält. Das bringt schon mal 35 Millionen ein, da ist sein Honorar fürs VR-Präsidium (322’000 Franken) eine Petitesse. Allerdings hat die Aktie letztes Jahr verloren, was die Gesamtrendite schmälert.
Beim Liftbauer Schindler, bei dem die Familien Schindler und Bonnard das Sagen haben, flossen den Ankeraktionären und -aktionärinnen total 230 Millionen zu. Zur Dividende von 4 Franken gab es noch einen Franken als Sonderdividende zum 150-Jahr-Jubiläum ausbezahlt. Insgesamt hat die Firma, der Stolz jedes Hochhauses, dieser Tage eine halbe Milliarde überwiesen, wiewohl die Dividendenrendite bei der Ebiker mit 2,3 Prozent als eher moderat gilt, zumal die reguläre Dividende seit 2017 nicht mehr angehoben wurde.
Bei der Zuger Partners Group kassieren die drei Gründer Marcel Erni, Alfred Gantner und Urs Wietlisbach je über 50 Millionen.
UBS schüttet über 2 Milliarden aus
Auch bei der UBS wird in wenigen Tagen in der Basler St. Jakobshalle über die Dividende abgestimmt. Vorgeschlagen sind 70 Cent je Aktie, eine Steigerung zum Vorjahr von 27 Prozent. Dadurch würden 2,4 Milliarden Dollar an die Eigentümer und Eigentümerinnen zurückfliessen. Ermotti will der Aktie Schub verpassen und die Investoren und Investorinnen hofieren. In einer Präsentation verspricht er für 2024: «Committed to progressive dividends». So soll die Dividende nächstes Jahr im mittleren einstelligen Bereich («midteen percentage») wachsen. Mit dem angekündigten Aktienrückkaufprogramm soll das Publikum zusätzlich begeistert werden. Immerhin will der ambitionierte Tessiner die Performance-Lücke zu den Wall-Street-Banken bis zu seinem Abgang in 4 oder 5 Jahren schliessen.
An der aktuellen Dividendendynamik partizipieren freilich nicht nur die Anlegerinnen und Anleger, sondern auch das Management oder der Verwaltungsrat, der oft selber Aktien hält. Und natürlich auch Herr und Frau Schweizer, die nicht direkt in Aktien investiert haben. Sie profitieren via AHV-Ausgleichfonds und ihren Pensionskassen. Und via Fiskus, denn in der Regel müssen Dividenden voll als Einkommen versteuert werden. Nur wenn die Ausschüttungen aus den freien Reserven der Firma vorgenommen werden, was immer seltener vorkommt, dann sind die Dividenden verrechnungssteuerfrei. Bei der UBS zum Beispiel wird die Hälfte der Dividende ohne Abzug einer Verrechnungssteuer der Kapitaleinlagereserve entnommen.
US-Fonds profitieren
Auch das Ausland profitiert, denn viele Aktionärinnen und Aktionäre – Privatpersonen, Investmentfirmen und institutionelle Anleger und Anlegerinnen aus dem Ausland – setzen auf Switzerland. Zuvorderst sind die US-Fondsfirmen Blackrock und Vanguard, der norwegische Staatsfonds, US-Pensionskassen oder Asset-Manager wie Massachusetts Financial Services oder Investmentgesellschaften wie die schwedische Cevian, die im Dezember 1,3 Prozent an der UBS erworben hat.
Auch hier gehts um Milliarden, denn bei börsenkotierten Firmen sind in der Regel ein Drittel der registrierten Aktien im Besitz ausländischer Investmentfirmen, meistens von solchen aus den USA, Grossbritannien oder Deutschland. Am höchsten ist dieser Auslandanteil bei den Multinationalen: Bei Nestlé sind 53,4 Prozent der Aktien in ausländischen Händen, bei Novartis 45,4 Prozent.
Mit der wirtschaftlichen Verlangsamung nach dem Post-Corona-Boom weht vielen Unternehmen aber ein rauerer Wind entgegen. Deshalb wird es schwierig sein, das Rekorddividendenergebnis im kommenden Jahr zu toppen – selbst wenn die Dividenden-Aristokraten ihrer Politik treu blieben.