Wer in den Schweizer Zentren eine Wohnung sucht, braucht viel Geduld: noch mehr als vor einem Jahr. Die Leerstandsquote ist gegenüber dem Vorjahr erneut deutlich gesunken – von 1,31 auf 1,15 Prozent. Und wer fündig wird, muss immer tiefer in die Taschen greifen. Der höhere Referenzzinssatz treibt die Mieten nach oben. Wie kann die Situation für Mieterinnen und Mieter verbessert werden? Blick beantwortet die wichtigsten Fragen.
Wie haben sich die Leerstände in den Kantonen verändert?
In den meisten Kantonen ist die Leerstandsquote erneut gesunken. Im bevölkerungsreichsten Kanton Zürich beispielsweise von 0,6 auf 0,53 Prozent. In Bern oder Freiburg sind die Quoten noch deutlicher gesunken, stehen aber noch bei 1,33 und 1,38 Prozent.
Im Kanton Zug mit dem schweizweit tiefsten Leerstand hat sich die Situation leicht entschärft – mit neu 0,42 Prozent steht ein Drittel mehr leer. In den übrigen Zentralschweizer Kantonen sind die Leerstände hingegen weiter gesunken. Mit Abstand am meisten Wohnungen stehen mit 3,17 Prozent im Jura leer.
Ist der tiefe Leerstand ein Problem?
In den Zentren ist die Nachfrage nach Mietwohnungen deutlich grösser als das Angebot. Das ist kein neues Phänomen, doch die Lage hat sich weiter zugespitzt. «Auch jetzt gibt es noch viele freie Wohnungen in der Schweiz. Jedoch oft nicht dort, wo sie gesucht werden. Gerade in den städtischen Gebieten ist die Wohnsituation angespannt», sagt Ursina Kubli (44), Leiterin Immobilien Research der Zürcher Kantonalbank.
Mietwohnungsmarkt spitzt sich zu
Grund zum Schwarzmalen sieht Kubli aber auch in den Städten nicht: «Der Anteil der Familien, die in der Stadt Zürich leben, hat in den letzten Jahren wieder zugenommen. Vor allem dort, wo Genossenschaften präsent sind.»
Braucht es folglich mehr Genossenschaftswohnungen?
Ganz klar ja, wenn es nach dem Mieterinnen- und Mieterverband Zürich und der Stadtzürcher SP geht. Sie fordern, dass der Bundesrat mehr günstige Darlehen für Genossenschaften zur Verfügung stellt. Zudem sollen Kantone und Gemeinden ein Vorkaufsrecht für Bauland erhalten, das diese dann zu vergünstigten Konditionen an Genossenschaften verpachten.
Kann sich der Mittelstand eine Stadtwohnung überhaupt noch leisten?
In bestehenden Mietverhältnissen gibt es in den Städten nach wie vor viele Haushalte, die verhältnismässig günstig wohnen. Doch die hohen Bodenpreise in den Zentren führen dazu, dass Privatinvestoren bei Ersatzneubauten und Kernsanierungen günstigen Wohnraum durch teuren ersetzen. Die Stadt Zug hat deshalb jüngst die Quote für günstigen Wohnraum bei Neubauprojekten von 30 auf 40 Prozent erhöht. «Die Folge davon ist, dass unmittelbar viele Bauprojekte sistiert werden. Wir sehen hier eine klassische Regulierungsspirale, die nicht dazu führen wird, dass in Zug mehr günstige Wohnungen entstehen», sagt Marco Salvi (54) von der liberalen Denkfabrik Avenir Suisse. Kubli von der ZKB hält dagegen: «Für die Durchmischung sind solche Auflagen sicher wichtig.»
Wie kann das Wohnungsangebot erhöht werden?
Immobilienexperten und bürgerliche Parteien sprechen sich für einen Abbau von Regulierungen aus. «Dafür müsste man die strengen Regulierungen wie beim Lärmschutz aufweichen», so Kubli. Auch das revidierte Raumplanungsgesetz – seit 2014 in Kraft – spielt beim Angebot eine zentrale Rolle. Seither geht die Schweiz sparsamer mit der begrenzten Ressource Boden um. «Bei den Regulierungen hat man darauf bis anhin jedoch zu wenig reagiert. Es bräuchte beispielsweise höhere Ausnutzungsziffern», sagt Marco Salvi. Langfristig würde auch eine bessere Erschliessung der Agglomeration helfen, ist er überzeugt. «Die gute Erreichbarkeit der Arbeitsplätze in den Zentren entschärft die städtische Knappheit nach Wohnraum. Dafür braucht es weitere Infrastrukturprojekte wie Investitionen in den öffentlichen Verkehr und Strassen. Auch ein effizientes Mobility Pricing würde dazu beitragen.»
Wie wirkt sich der Wohnungsmangel in den Zentren auf die Mieten aus?
«Überall dort, wo die Leerstandsquote unter ein Prozent fällt, treibt der knappe Wohnraum die Mietzinsen nach oben», sagt Salvi. Einige Vermieter gehen dabei über die erlaubte Rendite hinaus. Diese liegt beim aktuellen Referenzzinssatz von 1,5 Prozent bei maximal 3,5 Prozent. Gemäss Mieterinnen- und Mieterverband sollen den Mietern jährlich mehrere Milliarden zu viel abgezwackt werden. Der Verband fordert deshalb eine Mietzinskontrolle, bei der Vermieter periodisch ihre Rendite ausweisen müssen.
Hilft eine Mietzinskontrolle wirklich?
Nur ein Bruchteil aller Mieter geht gegen überhöhte Anfangsmietzinsen vor. Die wenigsten wollen das Verhältnis zu ihrem Vermieter gleich von Beginn an belasten. Eine institutionalisierte Kontrolle würde Missbrauch verhindern. Doch sie würde gleichzeitig die Wohnungsknappheit verschärfen. «Für alle, die schon eine Wohnung haben, wäre das sicher ein gutes Instrument. Damit würde jedoch der Anreiz für Investoren sinken, neue Wohnungen zu bauen. Und es wird ja bereits heute zu wenig gebaut», sagt Kubli.