Forderung des Mieterverbands polarisiert
Würdest du freiwillig in eine kleinere Wohnung ziehen?

Über Lösungsansätze zur akuten Wohnungsnot wird intensiv debattiert. Besonders eine Forderung des Mieterverbands sticht ins Auge.
Publiziert: 11.05.2023 um 14:42 Uhr
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Aktualisiert: 11.05.2023 um 16:01 Uhr
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Die Wohnungsnot hat die Schweiz im Griff – unter anderem, weil zu wenige Neubauten entstehen.
Foto: Keystone
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Jean-Claude RaemyRedaktor Wirtschaft

Die Leerstände sinken, die Mietkosten steigen: Die Situation im Mietwohnungsmarkt ist angespannt wie noch nie. Der Glaube schwindet, dass sich die Probleme «von alleine» lösen, also infolge normaler Marktentwicklung.

Deshalb lädt Bundesrat und Wirtschaftsminister Guy Parmelin (63) am Freitag zu einem runden Tisch zum Thema Wohnungsnot. An diesem sitzen auch Vertreter des Mieterinnen- und Mieterverbands Schweiz (MV), mitsamt einem Forderungspapier.

«Expressforderungen»

Darin finden sich altbekannte strukturelle Forderungen, aber auch neue «Expressforderungen». Darunter eine «Limitierung des Wohnflächenverbrauchs mit Belegungsvorgaben». Will heissen: Der Mieterverband will festschreiben, wie viele Personen in einer Wohnung einer bestimmten Grösse zu leben haben.

MV-Generalsekretärin Linda Rosenkranz (43) hält gegenüber Blick fest: «Diese Empfehlung würde keine Veränderungen von laufenden Mietverträgen nach sich ziehen, sondern lediglich bei der Vergabe von Mietwohnungen in Neubauten angewendet.» Es würde darum gehen, dass neu vergebene Wohnungen «optimal besetzt» sind und nicht, dass jetzt eine grosse Umverteilung von Wohnraum stattfinde.

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Genossenschaften und städtische Vermieter kennen bereits Belegungskriterien. Als Faustregel gilt: Die Anzahl Bewohner plus 1 entspricht der maximalen Zimmeranzahl. Eine Einzelperson dürfte also maximal eine Zwei-Zimmer-Wohnung belegen. Ein Paar dürfte eine 3-Zimmer-Wohnung in Anspruch nehmen.

Der Mieterverband hat diese klare Rechenformel bewusst nicht in seinen Forderungskatalog aufgenommen. Eine klar definierte Formel, wie viele Personen für wie viele Zimmer und wie viel Wohnfläche «rechtens» wären, sei nicht Bestandteil der Forderungen für den runden Tisch – entgegen anderslautenden Medienberichten.

Laut Rosenkranz handelt es sich auch eher um eine Empfehlung: «Es geht darum, Diskussionsgrundlagen zu schaffen. Alle unsere Vorschläge leiten sich aus den Ergebnissen einer Umfrage des Bundesamts für Wohnungswesen ab.» Dass die Forderungen teils als radikal empfunden werden, versteht sie, doch hält sie entgegen: «Da über unsere grundlegenden Forderungen bereits seit Jahren diskutiert wird, haben wir Expressforderungen formuliert, die sich auch im demokratischen Prozess schnell umsetzen liessen.»

Viel Wohnraum für wenige

Ursprünglich kommt die Forderung nach Wohnflächen-Limitierung aus den Reihen der Grünen. Dies, weil die Bevölkerung der Schweiz pro Kopf immer mehr Wohnraum braucht. Die Faustregel Anzahl Bewohner +1 wird heute deutlich verfehlt.

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Rosenkranz hält fest, dass es mehrere zusätzliche Massnahmen brauche, um die Forderung umsetzen zu können: «Viele ältere Personen wohnen seit Jahrzehnten in grossen, günstigen Wohnungen und wären durchaus bereit, in kleinere Wohnungen zu ziehen, finden aber zum selben Preis gar keine adäquaten Wohnungen.» Der MV fordert deshalb, dass Mietende ihre Wohnung untereinander zu gleichen Vertragsbedingungen tauschen können.

Im MV-Papier, das eigentlich ein Positionspapier zu einer Umfrage des Bundesamts für Wohnungsfragen (BWO) ist, finden sich weitere Forderungen: Etwa eine regelmässige Kontrolle von Mieten und Renditen, ein Anteil von mindestens 50 Prozent gemeinnütziger Wohnungen bei Neubauten und vor allem ein sofortiger Stopp der Angriffe aufs Mietrecht. Auch heikle Themen werden vom BWO angegangen, etwa die Zuwanderung. Hier sagt der MV: Solange die Personenfreizügigkeit gelte, habe der Staat dafür zu sorgen, dass auch genügend Infrastruktur für alle vorhanden sei.

Positionen liegen weit auseinander

Die Vertreter an Parmelins rundem Tisch sind ebenso heterogen wie die Zusammensetzung der eidgenössischen Kommission für Wohnungsfragen. Die Positionen von MV und Bauverbänden liegen teils so weit auseinander wie jene der politischen Parteien, aber nicht in jedem Fall. Man darf gespannt sein, ob rasch Massnahmen zur Linderung der Wohnungsnot getroffen werden.

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