Wochenlange Lockdowns sind Gift für die Wirtschaft. Das bekommt China gerade heftig zu spüren – und mit dem Reich der Mitte auch der Rest der Welt. Im April legten die Exporte nur noch um 3,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat zu, wie der chinesische Zoll am Montag in Peking berichtete. Es ist das langsamste Wachstum seit Juni 2020. Die Importe blieben mit Null-Wachstum unverändert.
Hintergrund sind die Restriktionen für viele Unternehmen durch die strenge chinesische Null-Covid-Politik, die auch den Frachtverkehr stark beeinträchtigt. Zudem wirken sich nach Expertenangaben global die Krise um den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und die Erholung der Kapazitäten in anderen Ländern aus.
Schlechte Aussichten – auch für den Westen
Die chinesische Regierung fürchtet den wirtschaftlichen Absturz. Von einem chinesischen Wirtschaftscrash wäre auch die Schweiz betroffen. Peking ist ein wichtiger Handelspartner, die Schweiz verfügt seit 2014 als einziges westeuropäisches Land über ein bilaterales Freihandelsabkommen mit China.
«Viele Komponenten für die Produktion in der Schweiz kommen aus China. Die chinesische Wirtschaft ist für die Schweizer Wirtschaft relevant», sagt Wirtschafts- und China-Experte Ruedi Nützi (65) letzte Woche im Blick. Er sieht China in einem Dilemma zwischen Pandemie-Bekämpfung und wirtschaftlichen Schwierigkeiten. «Aktuell überlagern politische Entwicklungen die wirtschaftlichen Interessen», sagt Nützi. Das ist schlecht – für China, die Weltwirtschaft und somit auch die Schweiz.
Wachstumsziele werden wohl verfehlt
Chinas Aussenhandel sehe sich einem «komplizierten und schwierigen externen Umfeld» gegenüber, sagte der Statistik-Direktor des Zolls, Li Kuiwen. Im März hatten die Exporte noch auffällig stark um 14,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zugelegt, während die Importe schon um 0,1 Prozent zurückgegangen waren.
Schon jetzt, Anfang Mai, scheint klar: China wird das Wachstumsziel für das laufende Jahr verfehlen. Anstatt der 5,5 Prozent liegen laut Experten höchstens noch 3 bis 4 Prozent drin. Hält Regierungschef Xi Jinping (68) an seiner Strategie fest, droht sogar eine Rezession.
Omikron überlistet Covid-Strategie
Nach einigen hundert Corona-Fällen gibt es auch in der Hauptstadt Peking zunehmend Home-Office-Pflicht und andere Beschränkungen. Im Moment läuft für die 21 Millionen Einwohner eine dritte Runde von Massentests über jeweils drei Tage in Folge. Auch in Nordostchina und anderen Metropolen gelten seit Wochen Corona-Beschränkungen, von denen zigmillionen Menschen und viele Unternehmen betroffen sind.
Nach rund zwei Jahren wirksamer Pandemie-Bekämpfung in China stellt die Verbreitung der hoch ansteckenden Omikron-Variante die chinesische Null-Toleranz-Politik auf eine harte Probe. Trotz der hohen wirtschaftlichen Kosten will die chinesische Führung an ihrem Kurs festhalten, wie der ständige Ausschuss des Politbüros noch einmal bekräftigt hatte.
Wichtiger Aussenhandel
Die Verlangsamung der Exporte wirkt sich stark aus, da der Aussenhandel zu rund einem Drittel der chinesischen Wirtschaftsleistung beiträgt und rund 180 Millionen Menschen beschäftigt. Chinas Regierungschef Li Keqiang sprach am Samstag von einer «komplizierten und ernsten» Beschäftigungssituation. Er rief alle lokalen Stellen auf, mit Vorrang Unternehmen zu helfen, die gegenwärtigen Probleme zu bewältigen und Arbeitsplätze zu sichern.
«Die Stabilisierung der Beschäftigung ist wichtig für das Wohlergehen der Menschen», sagte Li Keqiang. «Es ist auch eine wichtige Stütze für die Wirtschaft, um in einem vernünftigen Rahmen zu operieren.» Die Regierung hat weitere Konjunkturmassnahmen versprochen, um das offizielle Ziel von 5,5 Prozent Wachstum in diesem Jahr zu erreichen. (gif/nim/SDA)