Auf einen Blick
- Embraer lanciert automatische Starts für Passagierjets
- Reichweite der Jets steigt um bis zu 650 Kilometer
- Automatisierte Starts könnten Pilotenroutine beeinträchtigen, warnt Aeropers-Sprecher
Automatisch landen können Passagierjets bereits seit 60 Jahren. Nun lanciert der brasilianische Flugzeugbauer Embraer auch automatische Starts. Laut dem Hersteller wird das neue System nicht nur die Sicherheit erhöhen, sondern auch Reichweite und Startgewicht der Flugzeuge steigern. Wird der Mensch im Cockpit damit überflüssig?
«Das System ist besser als Piloten», sagt Patrice London von Embraer gegenüber CNN. «Wenn Sie 1000 Starts machen, werden Sie 1000 Mal genau denselben Start bekommen.» Diese Genauigkeit ermöglicht es, mit der Technologie früher und steiler abzuheben als mit Menschen am Steuer. Die Sicherheitsmarge entfällt, die die Piloten heute einbauen müssen. Damit steigt die Reichweite um bis zu 650 Kilometer.
Routine geht verloren
Pilot und Aeropers-Sprecher Thomas Steffen bezweifelt aber, dass die Technologie tatsächlich für mehr Sicherheit sorgen wird. «Wenn ein Vorgang automatisiert wird, dann bedeutet das auch, dass für die Pilotinnen und Piloten die Routine verloren geht», sagt der Vertreter des Cockpitpersonals von Swiss und Edelweiss. Das werde in Notfällen zum Problem, wenn weniger routinierte Piloten plötzlich das Steuer übernehmen müssen.
Zwar kenne er die Details zum neuen Verfahren noch nicht, so Steffen. Aber: «Nach unserem aktuellen Kenntnisstand sind wir eher skeptisch bei der Frage, ob ein Flug durch das neue System wirklich sicherer wird oder ob sich nicht zu sehr auf die Wirtschaftlichkeit fokussiert wird.»
Flüge ohne Menschen im Cockpit?
Die wirtschaftlichen Vorteile des Systems liegen auf der Hand. Neben dem erwähnten höheren Startgewicht sind die automatischen Starts auch ein weiterer Schritt in der fortschreitenden Automatisierung des Fliegens.
Es wird bereits diskutiert, ob künftig in Passagierflugzeugen ein Pilot statt bisher zwei ausreicht. Und in Zukunft sind auch Flüge ganz ohne Menschen im Cockpit denkbar.
In welche Richtung der Weg führt, ist klar. Früher waren fünf Personen im Cockpit: Navigator, Funker, Bordingenieur und zwei Piloten. Die ersten drei wurden bereits ersetzt, zuletzt der Bordingenieur in den 1980er-Jahren.
«Irgendwann werden auch die Pilotinnen und Piloten im Cockpit durch Technik ersetzt werden, sagt Steffen. «Dieser Zeitpunkt ist aber aus unserer Sicht noch weit entfernt, denn bis auf Weiteres können nur zwei gut ausgebildete Pilotinnen und Piloten im Cockpit die Sicherheit der Fluggäste gewähren.»
Auch Embraer betont, dass die Piloten mit dem neuen System weiterhin wichtig seien, um in Notfällen einzugreifen.
Mehr zur Automatisierung des Fliegens
Helvetic «verfolgt Pläne mit Interesse»
Embraer hat bereits mit Flugversuchen begonnen und strebt die Zulassung im nächsten Jahr an. Das Startsystem wird zunächst in den neuen Versionen der Embraer 190 und 195 zum Einsatz kommen. Auch die Schweizer Helvetic Airways fliegt die beiden Kurz- und Mittelstreckenjets.
Man verfolge die Pläne von Embraer mit Interesse, schreibt Helvetic auf Anfrage von Blick. «Einen Plan zur Umrüstung unserer Flotte gibt es derzeit jedoch nicht.» Die neue Technologie diene der Performance-Optimierung der Maschine, was insbesondere an Flughäfen mit kurzen Startwegen von Vorteil sei.
Um einen Abbau im Cockpit gehe es dabei nicht: «Es gibt keinen Zusammenhang zwischen dem automatisierten Start-System und dem ‹Single Pilot Cockpit›.»