Es geht um ausländische Investitionen in der Schweiz: Der Bundesrat plant ein Gesetz, das dem Bund erlauben soll, ausländische Investitionen zu prüfen und zu verbieten, sollten strategisch bedeutsame Unternehmen wie Rüstungshersteller, Kraftwerksbetreiber oder Firmen wie die Swisscom durch staatsnahe ausländische Firmen übernommen werden.
Die Gesetzesreform kommt ins Parlament und ist umstritten. Die Gegner- und Befürworterschaft im Parlament steht sich ungefähr halbe-halbe gegenüber. Der Riss geht mitten durchs bürgerliche Lager.
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Nun greift der neue Chef der schweizerisch-amerikanischen Handelskammer (Swiss Amcham), Rahul Sahgal, in die Debatte ein. «Die Schweiz braucht ein Gesetz», sagt Sahgal, der seit zwei Wochen im Amt ist. Es könne nicht sein, dass die Schweizer Nachbarländer höhere Anforderungen an ausländische Investoren stellten, während die Schweiz nichts unternehme, so der Amcham-Chef. «Ansonsten laufen wir Gefahr, zum europäischen Standort für Umgehungsinvestitionen zu werden.» Die Schweiz dürfe «nicht zum Honigtopf in Europa werden, wo Investitionen getätigt werden, die in Deutschland oder in den USA verboten sind».
Sahgal hat Einsichten, die anderen verwehrt sind. Er war elf Jahre lang Schweizer Diplomat in Brüssel, Washington und zuletzt in Bern beim Staatssekretariat für internationale Finanzfragen. Dort verantwortete er bis vor vier Monaten als stellvertretender Chef das Dossier internationale Steuern. Sahgal sagt: «Das US-Finanzministerium hat die Schweiz wiederholt dazu eingeladen, ihre Investitionskontrolle anzuschauen.» Das Investitionsprüfgesetz ziele nicht nur gegen Chinas halbstaatliche Firmen, sondern allgemein gegen Investitionen in sicherheitskritische Sektoren.
Er verlässt die Genfer Goldküste für Zürich
Die «Handelszeitung» trifft den gut gelaunten Sahgal in einem historischen Haus in Founex bei Nyon an der Waadtländer Goldküste. «Hier residierte früher der Berner Statthalter des Waadtlands», sagt Sahgal. Seine Frau, eine Genfer Anwältin, und er, der frühere Diplomat, haben das Anwesen renoviert und geniessen den Panorama-Ausblick auf See und Berge, der sich wie ein Hodler-Bild präsentiert. Doch jetzt sind sie am Packen.
Der Umzug in die Region Zürich erfolgt in den nächsten Tagen. Der Abschied von hier, dem kleinen Paradies, falle ihnen nicht leicht, gesteht der 47-Jährige. Doch als Berufsleute hätten er und seine Frau, noch «das halbe Leben» vor sich. Als Diplomatenfamilie hätten sie sowieso alle vier Jahre umziehen müssen.
Jetzt könne er eine spannende Herausforderung mit seinem Job bei Amcham in Zürich anpacken. Darüber hinaus bekämen ihre beiden kleinen Töchter die Chance, seine Deutschschweizer Heimat kennenzulernen. Sahgals Name weist auf seine indischen Wurzeln hin, doch er ist in Zürich geboren und wuchs in Baden auf. Sein Vater war 1962 in die Schweiz eingewandert und wurde an der ETH Maschineningenieur.
Hiesige US-Firmen wollen «Bilaterale III»
Sahgal hat das Ruder von Martin Naville übernommen. In seiner neuen Rolle wird er zum obersten Lobbyisten der zahlreichen hier ansässigen US-Firmen, unter denen es gute Steuerzahlerinnen gibt: «36 Prozent der internationalen Firmen in der Schweiz bezahlen 48 Prozent der Gewinnsteuern des Bundes. Davon sind rund 40 Prozent ausländische Firmen, viele darunter US-Firmen», sagt Sahgal. Genaue Zahlen kenne er zwar nicht. «Aber die Steuerbeiträge sind für den Bund und die Kantone bedeutend», sagt Sahgal.
Und hier kommt das zweite scharfe Statement des frischgebackenen Amcham-Direktors. Es geht um die Bilateralen. «Es braucht aus der Sicht von hier ansässigen US-Firmen geregelte, stabile Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU», sagt der Handelskammer-Direktor. Der Bundesrat solle die Verhandlungen zu der «Bilateralen III» erfolgreich abschliessen.
Gewisse US-Firmen seien zwar froh darüber, dass die Schweiz nicht Teil der EU sei. «Ihnen ist aber wichtig, dass sie weiterhin den EU-Binnenmarkt aus der Schweiz heraus bedienen können», sagt der Wirtschaftsjurist mit Uni-Abschluss in St. Gallen. «Würde die Schweiz sich innereuropäisch isolieren, könnte die Rechtssicherheit verloren gehen», sagt Sahgal.
Differenzsteuerung vermeiden
Rechtssicherheit gehöre neben den relativ attraktiven Steuern zu den wichtigen Standortfaktoren der Schweiz, so der Amcham-Chef. Der Steuervorteil habe seit der Einführung der OECD-Mindeststeuer zwar gelitten. Doch der grosse Exodus hat bisher nicht stattgefunden.
In Bundesbern stellt sich jetzt aber die dringende Frage, ob die Schweiz Steuern von Firmen einfordern soll, die tiefer als mit dem Satz von 15 Prozent besteuert werden. Sahgal, der frühere Finanzdiplomat, warnt davor: «Ich würde mich als Schweiz davor hüten, eine solche Ergänzungssteuer einzufordern.» Sie bringe kaum Mehreinnahmen für die Schweiz, provoziere aber einen Handelskrieg mit bedeutenden Handelspartnern wie den USA, die die OECD-Mindeststeuer nicht eingeführt haben. Mit einem Verzicht auf diese Steuer würde die Schweiz ihre Attraktivität als wirtschaftsfreundlicher Standort nicht unnötig herabsetzen.
Im Hintergrund drohen die USA der Welt, sie möge die Finger davon lassen, Gewinne von US-Firmen im Ausland zu besteuern. Sofern die Schweiz einseitig eine solche Ergänzungssteuer für US-Firmen einführt, würden die USA im Gegenzug Ergänzungssteuern für Schweizer Firmen mit US-Gesellschaften verhängen. Eine für Firmen verhängnisvolle Steuerspirale würde damit in Gang gesetzt werden.
Sollte es zu einer solchen Eskalation kommen, käme es wenig darauf an, wer in den USA Präsident ist, sagt Sahgal. «Ob Kamala Harris oder Donald Trump, diese Position wird sehr stark vom US-Kongress getrieben.»
Der US-Präsidentschaftskampf Harris versus Trump
Was seine Einschätzung der Wirtschaftspolitik beider Präsidentschaftskandidaturen betrifft, bleibt Sahgal bei der kürzlich in der «Blick» gemachten Einschätzung seines Vorgängers Martin Naville. «Ob Demokraten oder Republikaner, bisher ist jede Präsidentschaft in den USA für die Schweiz wirtschaftlich gut gewesen.» Viel sei Wahlkampfrhetorik auf beiden Seiten, sagt Sahgal, der den Wahlkampf zwischen Biden und Trump als Diplomat in Washington hautnah miterlebt hat. Seine Steuersenkungsprogramme von 2017 dürfte Trump zumindest zu verlängern versuchen – falls er nicht gar daran gehe, die Unternehmenssteuern dauerhaft von 21 auf 15 Prozent zu senken.
Dies wäre ein starker Vorteil für Firmen. Doch die daraus entstehenden Steuerausfälle hätten das Zeug, das grosse Budgetdefizit der USA noch stärker zu vergrössern als heute. Damit dürfte der Dollar noch weiter an Wert gegenüber dem Schweizer Franken verlieren. Doch Sahgal hat jetzt erst einmal andere Sorgen. Er muss den Umzug bewältigen.