Die Wirtschaft entscheidet das Rennen um das Weisse Haus. Der aktuelle Wahlkampf zwischen Kamala Harris (59) und Donald Trump (78) ist geprägt von persönlichen Attacken. Doch auch in diesem Jahr dürfte die Wirtschaft das Zünglein an der Waage spielen. Das weiss der Republikaner: Trump behauptete bereits, dass im Falle eines Harris-Wahlsiegs die Börse zusammenbreche und Amerika in eine noch schlimmere Wirtschaftskrise stürzen würde als während der Grossen Depression 1929.
Doch neben Beleidigungen und vollmundigen Versprechen: Für welche Wirtschaft stehen die beiden Kandidaten eigentlich? Und wer ist fürs Portemonnaie besser? Blick hat die Eckpfeiler des Wirtschaftsprogramms von Harris und Trump mit Rahul Sahgal (47), Chef der Handelskammer Schweiz-USA, analysiert.
Inflation
Harris leidet unter dem Inflationsfluch von Joe Biden (81). Die Teuerung stieg nach der Corona-Pandemie auf bis zu 9,1 Prozent. Das spürten die Menschen an der Tankstelle und im Supermarkt – plötzlich kosteten 3,8 Liter (1 Gallone) Benzin vereinzelt bis zu 6 Dollar – mehr als doppelt so viel wie unter Trump. Die Lebensmittelpreise stiegen um elf Prozent. «Da helfen Harris auch die starken Jobzahlen nichts – oder dass die Löhne um zehn Prozent angestiegen sind. Der Preis an der Tankstelle entscheidet», sagt Sahgal.
Harris will die Inflation, die aktuell bei 3 Prozent liegt, unter die 2-Prozent-Marke bringen und gleichzeitig mehr Wohnungen bauen, um die Mietpreise zu drücken. Trump strebt das gleiche Teuerungsziel an, will die Preise aber durch zusätzliche Förderung von Öl, Erdgas und Kohle herunterbringen.
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Steuern
Trump hat angekündigt, seine historischen Steuersenkungen in der ersten Amtszeit weiterzuführen. Die Unternehmenssteuern hat er bereits von 35 auf 21 Prozent gesenkt – nun will er sie in einem zweiten Schritt auf 15 Prozent herunterbringen. Harris hingegen setzt auf Steuererhöhungen und peilt eine Rückkehr zu den 35 Prozent für Unternehmen an. «Beides hat kaum eine Chance», sagt Sahgal. «Im Kongress werden sich keine Mehrheiten für eine weitere bedeutende Steuersenkung oder eine Steuererhöhung finden lassen.»
Auch will die Demokratin die reichsten Amerikaner mit einer Mega-Steuer überziehen – wie hoch diese sein soll, lässt sie offen. Gleichzeitig verspricht Harris, die Steuern für Einkommen unter 400'000 Dollar auf dem aktuellen Niveau zu belassen. «Trumps Steuersenkungen haben der US-Wirtschaft geholfen – dafür hat er sich eine gute Note verdient», hält Sahgal fest.
Strafzölle
Biden hat mit Harris die Strafzölle von Trumps erster Amtszeit gegen China weitgehend übernommen. Die Demokratin will den Kurs fortsetzen, Trump noch höhere Strafzölle für chinesische Produkte erheben. Der Unterschied: Der Republikaner will auch die Strafzölle auf ausländische Importe allgemein um 10 Prozent erhöhen.
Davon will Harris nichts wissen – sie sei keine protektionistische Demokratin. Experte Sahgal sagt: «Falls Trump wirklich die Zölle generell um zehn Prozent erhöht, könnte das nach hinten losgehen. Die EU und andere grosse Player würden wohl ebenfalls die Zölle auf amerikanische Importe erhöhen – das schadet der US-Exportindustrie.» Auch könnten Trumps Strafzölle die Preise für die Bürger weiter anheizen, da die Unternehmen die Zusatzkosten auf die Konsumenten abwälzen dürften.
Überschuldung
Das Defizit der USA beträgt aktuell 35,1 Billionen Dollar. Trump wollte es vor seinem Amtsantritt senken, gab dann aber in seinen vier Jahren 7,8 Billionen Dollar zu viel aus. Unter keinem anderen amerikanischen Präsidenten der Neuzeit überschuldete sich die USA so stark wie unter Trump – Hauptgrund waren laut Sahgal die Corona-Pandemie und die Steuersenkungen. «Das ist sehr untypisch für einen republikanischen Präsidenten. Ich gehe davon aus, dass das Defizit sowohl unter Harris als auch Trump weiter anwachsen wird.»
Die Demokratin will mit ihren geplanten Steuererhöhungen zwar wieder mehr Geld für den Staat einnehmen, plant aber auch mehrere grössere Sozialprogramme.
Wer ist besser für die Schweiz?
Die Vergangenheit hat gezeigt: Die Schweiz hatte sowohl mit demokratischen als auch mit republikanischen Präsidenten stets gute Beziehungen. «Abgesehen von einzelnen Ausnahmen, wie der Streit ums Bankgeheimnis», sagt Sahgal. Die grösste Gefahr für die Schweiz wäre eine Rezession in den USA.
Sahgal selbst glaubt nicht an das Rezessionsgespenst, sagt aber: «Sowohl Trump als auch Harris haben das Potenzial, in einer Rezession den Schaden zu verstärken.» Für den Schweizer Kleinanleger zudem interessant: Historische Daten zeigen, dass die Präsidentschaftswahlen langfristig keine Auswirkungen auf die Börse haben.
«Für Schweizer Unternehmen ist es wichtig, dass beide Kammern des Kongresses und das Weisse Haus nicht in der Hand einer einzelnen Partei ist – damit lassen sich extreme Gesetzesänderungen verhindern», sagt Sahgal. Ob letztlich Harris oder Trump im Oval Office sitzt, sei aus Sicht der Schweizer Wirtschaft vernachlässigbar. «Das Wachstum in den USA ist gross und dürfte stark bleiben – die Schweiz wird von Amerika wirtschaftlich weiter profitieren. Egal ob mit Harris oder Trump.»