Was ist in der zweitgrössten Volkswirtschaft der Welt los? Nach den Problemen im Immobiliensektor kommen jetzt überraschend auch Schwierigkeiten im verarbeitenden Gewerbe hinzu. Dazu gehören Branchen wie die Automobil-, Glas-, Metall-, Holz-, Papier- und Textilherstellung, der Maschinenbau sowie die Chemie- und Nahrungsmittelindustrie.
Laut einer Mitteilung des Pekinger Statistikamts sank der Einkaufsmanagerindex (PMI) für das verarbeitende Gewerbe im Vergleich zum Vormonat von 50,2 auf 49,5 Punkte. Damit blieb er nicht nur hinter den Prognosen: Ein Wert unter 50 bedeutet, dass industrielle Aktivitäten schrumpfen. Erst im September war der Wert nach fünf Monaten Rückgang erstmals wieder über den Wert von 50 gestiegen.
Der PMI-Wert für das nicht-verarbeitende Gewerbe – dazu zählt man Handel, Gesundheitswesen, IT, Immobilien und Dienstleistungen – fiel von 51,7 im September auf 50,6 Punkte. Das bedeutet zwar weiterhin Wachstum. Aber der Wert liegt damit auf dem tiefsten Niveau in diesem Jahr. Kombiniert sind die beiden PMI-Werte auf dem schlechtesten Stand seit Jahrzehnten, mit Ausnahme der Corona-Zeit.
Diese Entwicklung folgte auf ein besser als erwartetes Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 4,9 Prozent im dritten Quartal. Dieses hatte Hoffnungen geweckt, dass die chinesische Wirtschaft nach der Pandemie-Flaute wieder in die Gänge kommt.
China an der Börse abgestraft
Die Reaktionen liessen nicht auf sich warten. Der Hongkonger Leitindex Hang Seng gab heute sofort nach. Ausländische Investoren stossen chinesische Aktien verstärkt ab. Die «South China Morning Post» zitiert Yan Wang, Chefstratege für China bei Alpine Macro, wie folgt: «Der Kampf der chinesischen Aktien spiegelt die tiefe Vertrauenskrise wider, in der sich das Land befindet.»
Die Regierung hat sich für 2023 ein Wirtschaftswachstum von 5 Prozent zum Ziel gesetzt. Das ist das niedrigste offizielle Ziel seit Jahrzehnten.
Die Schweiz ist mitbetroffen
Was bedeutet das für die Schweizer Wirtschaft? Christine Moser, Sprecherin von Switzerland Global Enterprise, stellt zwar ein zurückgekehrtes Interesse von Schweizer Firmen an China fest, doch sei die Nachfrage noch weit unter der Vor-Covid-Zeit.
«Der Rückgang der chinesischen Wirtschaft bereitet den Exportunternehmen Sorgen», hält sie fest. So sei etwa Deutschland als einer der wichtigsten Absatzmärkte von Schweizer Firmen – zum Beispiel für Zulieferer in der Autoindustrie – von der Verlangsamung der chinesischen Wirtschaft stark betroffen.
Der Westschweizer China-Experte Gérald Béroud geht einen Schritt weiter. Er meinte neulich, China habe für Schweizer Firmen «keine Priorität mehr».