Der Westen reagierte früh mit Wirtschaftssanktionen auf den Einmarsch Russlands in die Ukraine. Das Ziel: Moskaus Kriegskasse trocken legen. Diese Rechnung geht überhaupt nicht auf: Russlands Einnahmen aus fossilen Brennstoffen stiegen in den ersten 100 Tagen des Ukraine-Kriegs auf ein Rekordniveau an.
Laut der «New York Times» hat Russland 93 Milliarden Euro aus dem Export von Öl, Gas und Kohle erzielt. Die Daten stammen vom Center for Research on Energy and Clean Air, einer Forschungseinrichtung mit Sitz in Helsinki. Rekordverkäufe trotz Sanktionen: Wie konnte das nur passieren?
Russland verkauft Öl einfach anderswo
Das Öl sprudelt durch die Pipelines wie eh und je, die Menge ist nur wenig zurückgegangen. Der Westen ist abhängig von fossilen Energieträgern aus Russland und tut sich schwer mit dem Importstopp von russischem Gas und Öl. Die EU hat in den ersten 100 Kriegstagen immerhin 23 Prozent weniger Gas und 18 Prozent weniger Öl von Russland gekauft als im Vorjahreszeitraum.
Russland konnte seine Ware aber einfach anderswo absetzen: Indien kaufte im besagten Zeitraum kräftig russisches Öl zu, ebenso die Vereinigten Arabischen Emirate oder China. Dadurch hat Russland fast dieselbe Menge Öl exportieren können, wie im vergangenen Jahr. Und das erst noch zu höheren Preisen! Die Exportpreise sind enorm gestiegen – laut Analysen um 60 Prozent. Russlands Kassen klingelten dadurch noch lauter als sonst.
Nicht nur Kaviar und Wodka boykottieren
Der Export von Energieträgern ist für Russlands Präsident Wladimir Putin (69) von enormer Bedeutung. Nach Angaben der internationalen Energieagentur machten die Einnahmen aus Öl und Gas im Jahr 2021 allein 45 Prozent des russischen Staatshaushalts aus. Die Studienautoren schätzen, dass die Einnahmen aus dem Ölexport, die Ausgaben Russlands für den Krieg sogar übersteigen. In der Jahresbilanz Ende 2022 dürfte Putin also ein schwarzes Plus verbuchen.
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Auch deshalb fordert die Ukraine unablässig, den Handel mit Russland vollständig einzustellen. Man könne die Einfuhr von russischem Kaviar und russischem Wodka stoppen, und das sei gut so, aber definitiv nicht genug, sagt Oleg Ustenko, ein Wirtschaftsberater des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski (44).
Monatlich ein 12-Milliarden-Euro Loch
Ende Mai sind die Worte auf Gehör gestossen: Die EU hat ein Einfuhrverbot gegen russisches Öl beschlossen. Konkret sollen mehr als zwei Drittel der russischen Öllieferungen in die EU vom Embargo betroffen sein. Laut EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (63) dürfte dies bis Jahresende zu einem Rückgang von russischen Ölimporten von bis zu 90 Prozent führen.
Ob die Rechnung für Putin dann noch aufgehen wird, ist höchst fraglich. Bleibt die EU hart, reisst das Embargo ab 2023 ein monatliches 12-Milliarden-Euro-Loch in die Kriegskasse von Putin.