«Das Ölembargo ist wirkungslos»
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SVP-Nationalrat Franz Grüter:«Das Ölembargo ist wirkungslos»

Neue EU-Sanktionen gegen Putin
Das sind die Folgen des Öl-Embargos für die Schweiz

Russland verdient täglich viel Geld mit dem Export von Öl. Damit soll nun Schluss sein – die EU-Staaten haben sich auf ein Embargo geeignet. Was das für Putins Kriegskasse bedeutet und wie die Schweiz betroffen ist.
Publiziert: 31.05.2022 um 09:12 Uhr
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Aktualisiert: 31.05.2022 um 16:49 Uhr
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Die EU-Staaten haben ein Einfuhrverbot gegen russisches Öl beschlossen. Konkret sollen mehr als zwei Drittel der russischen Öllieferungen in die EU vom Embargo betroffen sein.
Foto: AFP
Nicola Imfeld, Ruedi Studer, Martin Schmidt und Patrik Berger

Die Würfel sind gefallen: Die EU-Staaten haben sich in der Nacht auf Dienstag im Streit um das geplante Ölembargo gegen Russland auf einen Kompromiss verständigt. Die Einfuhr von russischem Öl wird um 90 Prozent verringert. Was bedeutet das für die Schweiz? Was für Putins Kriegskasse? Blick beantwortet die wichtigsten Fragen:

Was hat die EU genau beschlossen?

Ein Einfuhrverbot gegen russisches Öl. Konkret sollen mehr als zwei Drittel der russischen Öllieferungen in die EU vom Embargo betroffen sein. Laut EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (63) dürfte dies bis Jahresende zu einem Rückgang von russischen Ölimporten von bis zu 90 Prozent führen.

Gibt es Ausnahmen?

Ja. Auf Drängen Ungarns hin werden vorerst nur russische Öl-Lieferungen über den Seeweg unterbunden. Per Pipeline erfolgende Transporte sollen zunächst weiter möglich sein.

Ungarn wird sich so erst einmal weiter auf dem Landweg über die riesige Druschba-Leitung mit russischem Öl versorgen können. An ihr sind auch Raffinerien in Ostdeutschland und Polen sowie in der Slowakei und Tschechien angeschlossen. Deutschland und Polen haben allerdings bereits deutlich gemacht, dass sie nicht von der Ausnahme für Pipeline-Öl profitieren wollen.

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Wie sehr schadet das Öl-Embargo Putin?

Es schmerzt ihn empfindlich. Nach Schätzungen der EU-Denkfabrik Bruegel gaben EU-Staaten bis vor kurzem noch etwa 450 Millionen Euro pro Tag für Öl aus Russland aus. Ende Jahr dürften es nur noch 50 Millionen Euro pro Tag sein, wenn der Plan von Ursula von der Leyen aufgeht. Monatlich reisst das also ab 2023 ein 12-Milliarden-Euro-Loch in die Kriegskasse von Putin.

Übernimmt die Schweiz die EU-Sanktionen?

Rein faktisch erhält die Schweiz sowieso kein Russen-Öl mehr, wenn die EU-Länder ernst machen. Wie der Bundesrat nun konkret auf das Öl-Embargo reagiert und dieses formell übernimmt, bleibt vorerst offen. «Die Schweiz entscheidet selbstständig darüber, inwiefern sie sich Sanktionen der EU anschliesst; es besteht diesbezüglich kein Automatismus», schreibt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) auf Anfrage von Blick. «Die – ganze oder teilweise – Übernahme von EU-Sanktionen muss gemäss Embargogesetz immer durch den Bundesrat beschlossen werden.» Den entsprechenden Beschlüssen könne das Seco nicht vorgreifen.

Am 28. Februar hat der Bundesrat aber den Grundsatzentscheid gefällt, die EU-Sanktionen jeweils zu übernehmen. Er hat aber auch schon Ausnahmen gemacht – zum Beispiel: Die EU hat russische Propaganda-Sender wie RT oder Sputnik gesperrt, die Schweiz verzichtet bisher darauf.

Wie ist die Schweiz vom Öl-Embargo betroffen?

Die Versorgung der Schweiz mit Rohöl und Mineralölprodukten ist durch ein Embargo gegen russisches Öl nicht unmittelbar betroffen. Denn: «Die Schweiz importiert kein russisches Rohöl und direkt auch keine russischen Mineralölprodukte», sagt Roland Bilang, Geschäftsführer des Verbands Avenergy Suisse. Indirekt hingegen importiere die Schweiz über die Fertigprodukte aus Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien und der Niederlande auch russisches Rohöl. Die Schweiz importierte letztes Jahr rund 60 Prozent der Mineralölprodukte (Benzin, Diesel, Heizöl, Kerosen) aus Deutschland.

«Die Schweiz bezieht ihre Mineralölprodukte vorwiegend aus Raffinerien in Westdeutschland, die weit weniger stark von russischem Rohöl abhängig sind», betont Bilang. Das heisst also: Verzichten diese Länder auf Russen-Öl, kommt auch keines mehr in die Schweiz.

Und das Seco ergänzt: «Zwischen Januar und April 2022 wurden keine Importe von russischem Erdöl in die Schweiz verzeichnet.» Die Importzahlen für den Monat Mai hingegen würden erst etwa in einem Monat vorliegen.

Geht der Schweiz das Öl aus?

«Die Versorgung der Schweiz mit allen Mineralölprodukten ist gegenwärtig gesichert, die Lage aber bleibt angespannt», heisst es beim Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung. Die Schweiz hat aber grosszügige Reserven, falls es eng werden sollte bei der Beschaffung Öl und Treibstoffen. Diese reichen für Benzin, Diesel und Heizöl viereinhalb Monate, bei Kerosin drei Monate.

Welche Branchen in der Schweiz sind besonders betroffen?

Die Schweizer Wirtschaft hat ihre Erdölabhängigkeit in den letzten Jahren zwar reduziert, ein starker Preisanstieg wird aber trotzdem die meisten Schweizer Branchen treffen – insbesondere die Industrie und den Transport. Am stärksten durchrütteln dürfte es allerdings den Rohwarenhandel. Rund 80 Prozent des russischen Rohstoff-Transithandels laufen über Unternehmen in der Schweiz.

Das macht beinahe 20 Prozent des gesamten Schweizer Transithandels aus. «Weil dieser Sektor für das Schweizer Bruttoinlandprodukt relativ wichtig ist, können Einbussen hier rasch spürbare Rückschläge beim BIP bringen», sagt Volkswirt Brunetti. Allerdings gebe es in diesem Sektor in der Schweiz nur relativ wenig Arbeitsplätze.

Werden die Benzin- und Heizölpreise weiter steigen?

Das Öl-Embargo ist schon seit Wochen in der Pipeline und wurde vom Markt zumindest schon teilweise eingepreist. Trotzdem ist der Ölpreis nach dem EU-Entscheid angestiegen und werde gut gestützt bleiben, sagt Elias Hafner (38), Anlagespezialist der Zürcher Kantonalbank. Beim Ausstieg aus dem russischen Öl werde insbesondere die Logistik eine Herausforderung darstellen: «Die EU muss in den nächsten Monaten täglich rund 3 Millionen Fässer russisches Rohöl ersetzen. Doch Transportkapazitäten sind beschränkt und die Weltwirtschaft leidet sowieso schon unter Lieferengpässen.»

Neben Rohöl exportiert Russland aber auch grosse Mengen verarbeitete Produkte wie Diesel oder Heizöl. «Ohne die russischen Raffinerien könnte es auch hier zu preistreibenden Engpässen kommen.» Zudem mache das Embargo die Energiepreise anfällig für weitere Überraschungen. «Als Reaktion könnte Russland etwa am Gashahn drehen», so Hafner. Auch das würde den Energiepreisen weiteren Schub verleihen.

Wie hat der Ölpreis reagiert?

Die Aussicht auf ein vermindertes Angebot aus Russland treibt die Ölpreise. Sie haben am Dienstag deutlich zugelegt und sind auf den höchsten Stand seit gut zwei Monaten gestiegen. Am Morgen kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 123,32 US-Dollar. Das waren 1,65 Dollar mehr als am Vortag. Der Preis für ein Fass der US-amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) stieg um 3,47 Dollar auf 118,54 Dollar.

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