Auf einen Blick
- Coop setzt KI-Kameras zur Diebstahlbekämpfung an Selfcheckout-Kassen ein
- Einsatz in einigen Filialen, Details zur Sicherheitsinfrastruktur werden nicht kommuniziert
- Datenschutzexperten kritisieren mangelnde Transparenz und Information der Kunden
Ab jetzt heisst es immer schön lächeln und winken bei den Selfcheckout-Kassen von Coop. In einigen Filialen wirst du nämlich von KI-Software beim Scannen heimlich analysiert. Die Bilder der Überwachungssysteme werden in Echtzeit von einer künstlichen Intelligenz (KI) ausgewertet. Diese soll dann verdächtiges Verhalten erkennen, wie die Westschweizer Zeitung «Le Temps» aufgedeckt hat. Mit den KI-Kameras will Coop zum Beispiel in Lausanne Automaten-Tricksereien und -Bschiss bekämpfen.
Bei Blick meldeten sich in den vergangenen Tagen Leserreporter, welche die neuen Kameras in ihren regionalen Coop-Filialen entdeckt hatten. Zum Beispiel Martin Müller* aus Stallikon ZH. Ihm ist in der Coop-Filiale oberhalb der beiden Selfcheckout-Automaten ein weisses Kästchen aufgefallen, darunter eine durchsichtige Halbkugel aus Kunststoff. «Weil das für mich wie eine Kamera aussieht, habe ich das Verkaufspersonal darauf angesprochen», sagt Müller. «Ich finde es aus Datenschutzgründen heikel, wenn ich in Echtzeit mit meinen gescannten Produkten gefilmt werde.»
Das Verkaufspersonal hat offenbar mit Fragen der Kundschaft gerechnet. Anstatt Erklärungen abzugeben, hiess es laut Müller nur: «Unser Chef hat uns verboten, mit Kundinnen und Kunden darüber zu sprechen.» Müller hat dem Chef ausrichten lassen, dass Coop sich an das Datenschutzgesetz halten müsse.
Coop gibt keine Informationen preis
Coop bestätigt gegenüber «Le Temps» den Einsatz solcher Kameras «in einigen Filialen». Doch Einzelheiten gebe man keine bekannt. Die Begründung: Die generelle Firmenpolitik verbiete es, Informationen zur Sicherheitsinfrastruktur zu kommunizieren. Andere Coop-Mitarbeitende erklärten gegenüber der Zeitung, wie die Kameras genau funktionieren. So informiert die KI das Personal, sobald sie verdächtiges Verhalten erkennt. Ob eine Alarmierung auch gleich zu einer Kontrolle führt, ist unklar.
Der Grossverteiler selbst verweist auf zwei Punkte: Die Kunden werden durch ein Piktogramm am Eingang auf die Videoüberwachung hingewiesen. Zudem verwende man keine Gesichtserkennung. Ob die KI andere biometrische Merkmale wie Körpergrösse, Statur oder Gangart zur Identifikation nutzt, stellt Coop nicht klar.
Behörden wissen von nichts
Der Einsatz einer algorithmischen Videoüberwachung ist jedenfalls äusserst kritisch. Jurist François Charlet, Experte für Datenschutz, schlägt gegenüber «Le Temps» Alarm. «Viele Menschen erwarten nicht, dass eine Kamera mit künstlicher Intelligenz ausgestattet ist», meint er. «Man kann nicht davon ausgehen, dass ein Kunde mit einer derart allgemeinen Information ausreichend aufgeklärt ist. Die Verwendung dieser Software erfordert zumindest eine klare Information der betroffenen Person.»
Auch die Eidgenössische Datenschutz- und Öffentlichkeitsbeauftragte (EDÖB) wusste nichts von den KI-Kameras in den Coop-Filialen. «Auch wenn Coop ein berechtigtes Interesse daran hat, seine Kundschaft aus Sicherheitsgründen zu überwachen, muss jede Form der Videoüberwachung den Datenschutzgrundsätzen entsprechen», so die Behörde gegenüber «Le Temps». Die EDÖB wird mit Coop nun in Kontakt treten, um die Sachlage zu klären.
Deutsche Supermärkte setzen auf KI-Auswertung
Die Überwachung an Selbstbedienungskassen ist in Deutschland bereits ein grosses Thema. Eine Umfrage der Nachrichtenagentur DPA zeigt: Viele Unternehmen in Deutschland wie Rewe, Ikea und Rossmann nutzen oder testen intelligente Technik in ihren Filialen.
Mit KI-Kameras tracken Supermärkte das Verhalten der Kunden in Echtzeit. Auffälligkeiten werden sofort identifiziert. Zum Beispiel erkennt die KI-Technik, wenn ein Produkt nicht über den Scanner gezogen wurde und direkt in den Einkaufssack wanderte. Der Hinweis «Haben Sie den letzten Artikel gescannt?» könnte dann in Echtzeit auf dem Display der Automaten-Kasse erscheinen. Die KI kann ebenso erkennen, wenn die Zahl der Produkte im Einkaufskorb von derjenigen der gescannten Artikel deutlich abweicht.
Anfangs gab es laut Medienberichten in Deutschland noch viele Fehlalarme, nach und nach würden die Erkennungsraten der KI aber immer besser.
* Name geändert